~51. Kapitel~

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Wie gewohnt saß ich in dem kahlen, weißen Raum der von Sekunde zu Sekunde einsamer wurde. Dr. Siemens trat ins Zimmer und musterte mich. Ich war seine seltsamen Blicke bereits gewöhnt, also störte es mich nicht weiter. Ich drehte mich wieder zu Luca und strich über seine Wange. Dr. Siemens kam auf mich zu und sah mich traurig an.

Dr. Siemens:,, Michelle... sein Zustand ist wieder schlechter geworden und wir denken, das es an der Zeit ist ihm das zu geben was er verdient hat. Frieden. Wir werden seine Geräte ausschalten".

Seine Stimme klang ernst, aber sie hatte einen zitternden Unterton. Ich realisierte erst kurze Zeit später, was er da gesagt hatte. Er wollte Luca sterben lassen? Sofort sprang ich auf und sah ihn schockiert an.

Michelle:,, W-Was"?

Stotterte ich und war den Tränen nahe. Ich konnte es nicht glauben. Mein Kopf nahm das alles nicht mehr war und das Einzige was blieb war der Schmerz, der durch meinen Körper gepumpt wurde. Die ganze Zeit hatte ich gehofft, das sich was änderte, aber doch nicht so. Es konnte nicht so enden. Ich konnte ihn nicht verlieren. Mein Atem fing an zu zittern und mein Herz zog sich zusammen. Ich platzierte meine Hand auf meiner Brust, um den Schmerz meines Herzens zu lindern, aber es geschah nichts.

Während ich unter Schock stand, sackte ich zusammen und fiel auf meine Knie. Ich fühlte mich, als fehlte mir die Luft zum atmen. Eine Stimme rief meinen Namen, doch ich konnte sie nicht richtig hören. Ich wusste nicht wessen Stimme es war und wieso sie nach mir rief. Alles um mich herum geschah in Zeitlupe, obwohl die Zeit an mir vorbei raste. Ich fühlte mich, als würde mein Herz aufhören zu schlagen. Alles passierte so schnell. Es kam mir vor, wie in einem schlechten Traum und ich hoffte, das ich gleich aufwachen würde und alles so sein würde wie früher.

Einzig und alleine ich bin an seinem Unfall schuld. Es ist meine Schuld, weil ich ihn schlecht behandelt habe und ich verscheucht habe. Er ist wegen mir in diesen Wagen gestiegen und losgefahren. Ich sollte an seiner Stelle liegen, nicht er. Er sollte weiter in Frieden leben und mit seinen Jungs chilln. Er sollte bei seiner Familie sein und glücklich werden, doch er konnte nicht. Wegen mir. Die ganzen Schuldgefühle kamen in mir hoch. Immer mehr Tränen liefen über meine Wange, während ich verzweifelt versuchte aufzustehen. Ich wollte weg. Ich wollte diesen Tag nicht miterleben.

Dr. Siemens:,, Michelle kannst du mich hören"?

Da war diese Stimme wieder, die andauernd meinen Namen rief. Ich erkannte sie und ordnete sie zu. Dr. Siemens. Er wollte Luca's Geräte abschalten. Er wollte ihn sterben lassen! Mein Schuldgefühl wandelte sich um in Wut. Ich stand auf und musterte ihn mit einem Blick, der versuchte ihn zu töten.

Michelle:,, Wenn sie seine Geräte auch nur anfassen"!

Schrie ich und spannte meinen Körper an. Alles in mir suchte einen Ausweg, eine Lösung. Mein Herz fing an zu rasen, während mein Atem immer schneller und unregelmäßiger wurde.

Wieso kann Liebe einen so sehr beeinflussen? Was macht sie mit einem und wieso lässt sie uns so anders sein? Wieso gibt sie uns das Gefühl, immer bei jemandem bleiben zu müssen? Liebe kann einen Menschen in einer Sekunde um eine 180° Drehung verändern. Sie kann uns zum glücklichsten, aber auch zum wütendsten Menschen machen, sie kann uns zum traurigsten, zum zerbrechlichsten, oder zum wunderschönsten Menschen machen. Sie stellt so viel mit einem an, ohne das man es merkt. Sie tut es einfach und das nur wegen einem Menschen. Sie zwingt uns an ihm festzuhalten, blind vor liebe zu sein und alles dafür zu tun, damit er glücklich ist. Sie macht uns zu dem, was wir eigentlich nicht sind und dennoch fühlt es sich schön an, wenn er einen berührt, wenn er mit einem spricht. Einfach alles an ihm ist perfekt. Die Liebe zwingt uns dazu, alles an dem anderen positiv zu sehen...

Dr. Siemens sah mich geschockt an und sah dann zwischen der Geräten, Luca und mir hin und her. Er seufzte und fuhr sich durch seine zerzausten Haare, dann blickte er letztendlich zu mir.

Dr. Siemens:,, Bitte, aber ich kann dir nicht versprechen das er noch lange durchhalten wird".

Er drehte sich um und ging auf die Türe zu. Während er sie öffnete und das Zimmer verließ, sah ich ihm nach. Hatte ich überreagiert? War es vielleicht doch die beste Entscheidung Luca gehen zu lassen? Ich wusste ja nicht mal ob er einfach nur schlief oder sich im Koma quälte. Ich hatte keine Ahnung von diesem ärztlichen Kram und wenn Dr. Siemens sagte, das es besser wäre die Geräte auszuschalten, ist es dann so? Woher weiß man was das Richtige ist? Ich hasse Entscheidungen und diese hier wollte und konnte ich nicht treffen. Diese Entscheidung war einzig und allein seinen Eltern überlassen, aber wie würden sie reagieren? Sie haben die Wochen nicht so sehr gelitten wie ich. Sie haben das ganze hier nicht durchgemacht, während ich Tag und Nacht an seinem Bett saß. Sie hatten nicht zugesehen, wie sich sein Zustand von Tag zu Tag verschlechterte. Niemand konnte mich in dieser Situation verstehen und meine naivität nachvollziehen, aber so ist die Liebe. Man ist egoistisch und naiv und das nur wegen einer Person. Ich bin einfach noch nicht bereit ihn gehen zu lassen, aber wenn es das beste für ihn ist muss ich es wohl. Ich will das es ihm gut geht und wenn es nur so geht, wie Dr. Siemens es gesagt hat, werde ich mich dafür entscheiden. Ich weiß das diese Entscheidung nicht meine ist, aber wir haben seine Eltern in den zwei Monaten nicht ein einziges mal erreicht. Ihre Geschäftsreise war wichtiger als der im Koma liegende Sohn. Sie hielten es ja nicht mal für nötig zurück zu rufen.

Ich seufzte und schüttelte den Kopf, dann setzte ich mich zurück zu Luca und hielt seine Hand. Eine Träne lief über meine Wange und tropfte schließlich auf seine Finger. Ich atmete tief durch und lehnte dann meine Stirn gegen seine.

Michelle:,, Danke für alles".

Meinte ich mit zitternder Stimme und atmete erneut tief ein und aus. Ich fühlte mich gebrochen und verletzlich, aber ich musste ihm einfach sagen, das ich ihm dankbar war. und zwar für alles. Für jede Sekunde, die wir miteinander verbracht haben. Für jedes Wort, jedes Lächeln, jede Berührung und jeden Kuss. Ich musste ihm sagen, das mir alles leid tat, das ich nicht für ihn da war, als er mich brauchte, das ich ihn nicht davon abgehalten habe, an dem Abend unserer kleinen Auseinandersetzung in dieses Auto zu steigen. Ich musste ihm einfach alles sagen, denn es war vielleicht meine letzte Chance. Es war vielleicht das letzte mal, das ich ihn sah.

Michelle:,, Ich danke dir für alles Luca. Für die wunderschönen Momente mit dir, ich danke dir dafür das du bei mir warst. Dafür das du mir Halt und Kraft gegeben hast. Dafür das ich mich auf dich verlassen konnte. Dafür das ich dich lieben durfte. Ich danke dir für jede Sekunde und ich schwöre es, wenn ich sage, das ich all die Momente wiederholen würde nur um bei dir zu sein. Die guten und die schlechten. Mir tut es so leid, das wir uns gestritten haben. Mir tut es so leid, das ich dich angeschrien und angezickt habe. Mit tut es so verdammt leid, das du wegen mir weggefahren und einen Unfall hattest und mir tut es leid, das du wegen mir hier liegst".

Meine Stimme brach ab, da sie zum Ende hin immer leiser wurde. Ich war fertig mit der Welt und ich konnte einfach nicht mehr. Immer mehr Tränen verließen mein Gesicht und fielen auf seins. Ich legte mich zu ihm und bettete meinen Kopf auf seiner Brust. Mit meiner linken Hand strich ich über seinen Bauch und mit der Anderen hielt ich seine Hand. Meine Tränen liefen unaufhaltsam in sein T-Shirt und ich nuschelte immer wieder, wie sehr ich ihn liebte. Kurz bevor ich komplett unter meinen Tränen eingeschlafen war, spührte ich einen leichten Druck an meiner Hand und dann verfiel ich der Traumwelt.

~He changed it~Where stories live. Discover now