55. Mal

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Meine Party verlief alles andere als geordnet und geplant. Die Hälfte der Gäste erschien nicht, einer riss die Lampe im Flur kaputt und am Ende lag ich mit Skip, Daniel und Carla auf der Couch und schlief, während die anderen weiterzogen.
Trotzdem verbuchte ich den Abend als Erfolg. Immerhin hatte ich es geschafft, meine Freunde zusammen zu führen und dabei auch noch einen weiteren Antrag abgehakt.

***

Wie der Februar auch begonnen hatte, soverging er. Schnell und zügig endete er, mit zwei weiteren Anträgen, die Noah mir machte. Beide Male war jemand anderes mit anwesend – einmal Ari und seine Freundin, das andere Mal Nathalie, die sich darüber freute – und ich fragte mich in ruhigen Momenten, aus welchem Grund Noah das nur vor bekanntem Publikum abzog und ob es ihn allmählich doch langweilte.

Am ersten Frühlingstag des Jahres, direkt in der ersten Märzwoche, sah ich mir mein Zimmer an und beschloss, etwas zu ändern. Ich hatte Nathalie endlich dazu überreden können, ein Abendessen mit ihren Eltern zu organisieren. Die Jobsuche lief nur mäßig, was in den Vor-Prüfungsphasen auch zu erwarten gewesen war. So kam mir die Idee, mein Zimmer zu renovieren. Es war nicht mehr gestrichen worden, seitdem ich dort eingezogen war, was zwar erst zwei Jahre zurücklag, aber wie jedermann wusste, machte eine solche Zeitspanne einiges aus. Ich wollte etwas Neues.

Montagnachmittags fuhr ich deswegen mit Leila in einen Baumarkt, lud den Einkaufswagen voll und staunte nicht schlecht, wieviel ein paar Eimer Farbe und neue Vorhänge kosten konnten. Da ich am Donnerstag einen pädagogischen Tag und somit schulfrei hatte, verbrachte ich den Mittwochmittag damit, meine wenigen Möbel aus-, oder leerzuräumen, um alles vorzubereiten. Es war anstrengend, schwer und zudem überforderte es mich so sehr, dass ich mehrfach vor Wut heulend am Boden saß. Aber letztendlich schaffte ich es.

Der Kleiderschrank, mein Schreibtisch und mein winziges Regal mit Schulsachen standen im Flur, teilweise auseinander gebaut. Es war chaotisch und unübersichtlich, aber selten in den letzten Wochen hatte ich mich freier gefühlt. Als könnte ich alles bewältigen.

Mein freier Tag startete in aller Frische mit einer riesigen Kanne Kaffee, Croissants vom Vortag und einer kurzen Laufrunde mit Bob.

Ich hatte mich für ein Sonnengelb für zwei der Wände entschieden, eine andere bekam eine Motivtapete und die vierte würde weiß bleiben. Dort standen ohnehin die Schränke.

Bereits am Nachmittag waren die Wände gestrichen und die Farbe getrocknet. Mit einer guten Playlist war das Streichen wie von selbst gegangen. Gerade als ich zum Badezimmer wollte, um mir die Hände zu waschen, kam Noah die Treppen hochspaziert und blieb auf einer Stufe stehen, um mich anzustarren. Was ich ihm nicht einmal übel nehmen konnte. Ich hatte schon bemerkt, dass ich im Haar und im Gesicht hunderte winziger Farbkleckse hatte. Sie sahen aus wie Sommersprossen.

»Streichst du?«

»Wonach sieht es denn aus?«, entgegnete ich und schüttelte den Kopf. »Brauchst du doch eine Brille?«

Noah überging den Kommentar und stolperte in mein Zimmer, das leer aussah ohne die Möbel. Ich hatte das Haus ja nie unmöbiliert gesehen. Nathalie hatte mich einfach eines Tages vor vollendete Tatsachen gestellt und mir mein fertiges Zimmer präsentiert. Der Umzug selbst war auch innerhalb weniger Tage vonstatten gegangen. Wenn meine Cousine etwas anpackte, dann richtig.

Noah umrundete das Bett, das zu wuchtig gewesen war, um es auseinander zu nehmen und das ich vorsorglich mit Folien abgedeckt hatte. Er entledigte sich seiner Jacke, schmiss sie zu meinem Bettzeug unter der Folie und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Typische Noah-Bewegungen eben. Ich kannte sie so gut, kannte ihn so gut.

»Also, was noch?«

»Du musst mir nicht helfen«, sagte ich gleich und beeilte mich, ins Bad zu kommen. »Ich schaffe das auch alleine.«

99 MalWhere stories live. Discover now