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In dem Getümmel fand ich zwar ziemlich schnell Clarissa, aber von Carla fehlte jede Spur. Mit einem leisen Seufzen ließ ich mich in einer freien Sitzecke nieder und bestellte bei einem der herumlaufenden Elfen ein neues Bier, bevor das jetzige leer war.
Ich wollte vorbereitet sein. Musste.

So konnte ich auch die Zeit nutzen, um die Umgebung zu beobachten. Die Menschen, die tanzten, sich unterhielten und Spaß hatten. Einige hatten sich ebenfalls verkleidet, wenn sie auch nicht so gut aussahen wie das Personal.

»Hat dein Verlobter dich also alleine hierher geschickt.«

Mein Herz machte einen Satz – bäh. Was ein Kitsch. Jedenfalls war ich überrascht und schaute von einem wild knutschendem Paar auf, das ich spannerhaft betrachtet hatte, direkt in die hellen Augen des Barkeepers. Er fuhr sich durch die lockigen Haare und hielt sich die Hand vor den Mund, als er gähnte.

Manieren hatte er wohl.

»Langen Tag gehabt?«, fragte ich automatisch und rutschte instinktiv zur Seite, um ihm auf der langen Couch Platz zu machen.

Er erkannte die Einladung und ließ sich neben mir nieder. »So was in der Art. Aber wo ist dein Verlobter?«

»Wieso mein Verlobter? Ich ... Oh.« Mir dämmerte, wieso sein Gesicht mir so bekannt vorgekommen war. »Du warst beim 33. Mal dabei. In dem winzigen Café am Rande der Stadt!«, sagte ich, bevor ich wirklich über den Inhalt meiner Worte nachdenken konnte.

Dumm.

Eine seiner Augenbrauen zog sich nach oben und er musterte mich mit einem offensichtlich amüsierten Blick in den Augen. »Beim 33. Mal?«

Wir erzählte nicht vielen Leuten von diesem Spiel. Zumindest keinen Fremden. Natürlich wusste Nathalie davon, Carla und auch die besten Freunde von Noah. Doch die Allgemeinheit fand die Idee, sich wiederholt Anträge zu machen, abartig. Wenn nicht gar ekelerregend.

Ich hatte mal den Fehler gemacht, einem Date von meinem liebsten Hobby zu erzählen. Er hatte mich als Schlampe bezeichnet und war abgezogen, ohne Geld für sein bereits bestelltes Essen zu bezahlen. Seither war ich vorsichtig. Zumal mein Hobby vermutlich nicht ganz legal war, wenn man es eng betrachtete.

Und jetzt hatte ich diesen blöden kleinen Versprecher gemacht.

»Lange Geschichte«, winkte ich ab und trank einen Schluck, bevor noch mehr solcher Fragen aufkamen. »Aber wir sind nicht mehr verlobt.«

»Das ist unerfreulich.«

Das Dumme war, dass er mir gefiel. Er war groß, breite Schultern, kantiges Kinn. Er war ein typischer Spieler, für den viele Mädchen in Ohnmacht fallen würden. Ich zwar nicht, aber viele andere eben. Ich wusste, worauf ich aufzupassen hatte. Ganz bestimmt.

»Ich habe nur fünf Minuten Pause«, sagte er nach einem Moment und machte dennoch keine Anstalten, sich zu erheben. »Wusstest du, dass der Job hinter der Bar langweilig ist?«

Ich lachte. »Ich dachte, euch Barkeepern erzählt man immer alles.«

Seine Augen blitzten, als er sagte: »Aber was, wenn ich nur eine besondere Geschichte hören will?«

»Dann, so fürchte ich, hast du leider Pech gehabt.«

Das Glitzern entwich aus seinen Augen und ich schaute demonstrativ in eine andere Richtung. Ich war nicht hergekommen, um dem Barkeeper zu erzählen, was ich mit meinem Verlobten angestellt hatte. Zumal ich ja nie richtig verlobt gewesen war. Nur weil der Typ nett anzusehen war, musste ich ihm ja nicht mein Leben vorkotzen.

Auch diesmal verstand er sofort, was ich meinte und verzog sich, ohne noch etwas zum Abschluss zu sagen.

***

99 MalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt