Der Tod

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„Das könnte ich, aber warum sollte ich? Ihr seid hier die Eindringlinge! Außerdem darf ich sie nur anwenden wenn ein Meister es mir befiehlt oder es zwingend notwendig ist." Selbstbewusst blickte mir meine Doppelgängerin entgegen und ich knirschte frustriert mit den Zähnen. „Also gut...", murmelte ich vor mich hin. „Ihr habt es nicht anders gewollt...Hört mir alle mal zu." Ich drehte mich einmal im Kreis um mir der Aufmerksamkeit aller im Saal anwesenden Personen zu sichern.

„Ich kann beweisen, dass einige unter euch nicht Teil eurer Familie sind sondern sogenannte Skinformer, also Betrüger!" Leises Gemurmel breitete sich im Saal aus, bis 'Aro' die Hand hob und jeder wieder verstummte. „Sie haben sich erdreistet uns, die Königsfamilie der Vampire, zu infiltrieren um unsere gesamte Spezies auszulöschen und zwar bis auf dem letzten Vampir!" Teils verwunderte, teils fürchtende aber auch zweifelnde Blicke trafen den meinen.

Keine Ahnung, weshalb ich gerade so selbstbewusst war, aber ich spürte wie eine Art Adrenalinkick durch meinen Körper floss. Ich wollte meine ganze Familie zurück und ich wollte, dass alles wieder wie vorher war. Ich war einfach verdammt wütend. „Sie können eure Gestalt und Fähigkeiten übernehmen, nicht aber euren Charakter. Also wenn euch in den letzten Tagen irgendetwas aufgefallen sein sollte, was euch merkwürdig an einer Person erschien, weil sie sonst nicht so handeln würde: Das hat einen Grund! Denkt darüber nach!" Fast schon flehend schaute ich mich im Saal um. Ich bemerkte zwar die Unsicherheit einiger Vampire, aber niemand traute sich etwas Gegenteiliges als 'Aro' zu behaupten.

Blitzschnell drehte ich mich daraufhin zu den Anderen um und nickte Vincent zu. Ich formte mit meinen Lippen den Namen ''Aro'' und mein Gegenüber nickte kaum merklich. Ich spürte, wie sie alle zusammen Energie sammelten. Ich wand mein Blick wieder den drei Meistern zu. „Wir können beweisen, dass mindestens zwei von euch Betrüger sind." In diesem Moment spürte ich eine Druckwelle von hinter, welche sich im ganzen Saal ausbreitete.

Ihre Schutzschilde gegen Gedankenleser konnten sie somit vergessen. Sie versuchten sich nichts anmerken zu lassen, aber ich sah, dass es ihnen zu schaffen machte was gerade passiert war. Jetzt war ich an der Reihe. Ich konzentrierte mich fest auf den falschen Aro, versuchte die unechte Hülle dieser Person zu ignorieren. Es war schwieriger als jemanden in einem bestimmten Körper festzuhalten, wie ich es bei Jason getan hatte, denn ich wusste natürlich auch nicht, wie dieser Skinformer in Wahrheit aussah. Dennoch, nach einigen Augenblicken hüllte sich der verwunderte 'Aro' in gleißendes Licht und als dieses wieder wich, stand vor mir ein rothaariger Mann mittleren Alters, welcher sich erschrocken selbst musterte.

Über dem Saal lag eine angsteinflößende Stille. Jeder schien darauf zu warten, was wohl als nächstes passieren würde. Nachdem sich mein Gegenüber wieder gefangen hatte, setzte er ein fieses Grinsen auf. „Nun, dies war wahrlich unerwartet. Hätte nicht gedacht, dass du mit deiner Gabe schon so weit bist." Zufrieden musterte er mich als er sah, wie die Nebenwirkungen eintraten. Kurz war mir schwindelig aber ich versuchte mich so schnell wie möglich wieder zu fangen. Abwertend schaute ich zu ihm auf. Im nächsten Moment hob er die Hand und auf einmal waren wir von verschiedenen Vampiren, beziehungsweise vermutlich eben nicht Vampire, umzingelt. Darunter entdeckte ich unteranderem 'Caius'.

Die übrig gebliebenen Volturi schauten sich unsicher um, anscheinend immer noch ratlos, was sie tun sollten. „Seid ihr so feige, dass ihr nicht in euren eigenen Körpern kämpfen könnt?", fragte Vincent auf einmal erbost. „Mein lieber Vincent", meinte der rothaarige daraufhin überschwänglich. „Schön dich wiederzusehen. Nun es wird dich erfreuen, dass wir gar nicht beabsichtigen zu kämpfen." „Aron", knurrte der Angesprochene voller Abscheu. Just in diesem Moment öffneten sich die Saaltüren und sechs Personen betraten den Saal.

Zwei Männer schleppten eine alte Frau mit sich, welche sich stark wehrte, aber gegen die vermeintlichen Skinformer nichts ausrichten konnte. Das musste Amelie sein. Vermutlich hatte einer der beiden eine Fähigkeit, die ihre Kräfte unterdrückte oder die Trennung von der Kraft ihres Clans tat ihr nicht gut, denn sie wirkte geschwächt, obwohl sie alles tat um frei zu kommen. Als die anderen drei Personen ins Licht rückten, traute ich meinen Augen nicht: Zwei große, stämmige Männer hatten einen grimmig und auf den Boden guckenden Caius fest im Griff. Nicht irgendein Caius. Es war mein Caius. Der Echte. Mein Verlobter. Mein Seelenverwandter. Ich wusste es einfach, dafür hatte ich keine Begründung.

„Caius", flüsterte ich schon fast aus Reflex. Dessen Kopf schnellte blitzschnell empor und sein Blick durchbohrte mich. Seine Augen weiteten sich und er fing an sich stark zu wehren. Auch wenn die Wachen große Mühe aufbringen mussten, schafften sie es trotzdem, die zwei Gefangenen zum Rothaarigen zu befördern. Dieser verwandelte sich kurzerhand wieder in Aro und wies die Skinformer an, Caius auf den Boden zu zwingen. Dann umfasste er seinen Kopf. Ich konnte es gar nicht richtig realisieren was hier gerade geschah. Er war drauf und dran ihn umzubringen. „Eine falsche Bewegung und dein Verlobter weilt nicht mehr unter uns", meinte Aron betont sachlich und ruhig, so dass ich mich nur noch mehr aufregte.

„Das gilt ebenso für Amelie", meinte er hämisch an Vincent gewandt. „Wenn ich es nicht tue, wird es irgendjemand anderes aus meinem Clan machen und zwar so schnell, dass ihr in dieser Zeit nicht einmal 'Vampir' sagen könnt." Er grinste. „Also?", fragte er provokant. „Ergebt ihr euch oder muss ich erst brutal werden?" Ich überlegte und überlegte, aber mir fiel kein Ausweg ein. Ich blickte mich um: Dieselbe Ratlosigkeit bildete sich auf den Gesichtern meiner Familie, der Magier und der Cullens ab. Obwohl es letzteren wohl egal sein könnte, was mit Caius und Amelie geschieht, war dies anscheinend nicht der Fall. Für Vampire waren sie erstaunlich warmherzig, wenn man sie ein wenig besser kannte. Würden sie sich wirklich ergeben, damit einem von den unsrigen kein Leid geschieht? Vermutlich schon.

Natürlich, sie wollten nicht ausgelöscht werden und hatten sich uns deswegen angeschlossen, aber trotzdem fand ich ihren Mut bemerkenswert. Mut. Vielleicht musste ich mutig sein. Ich hatte vermutlich eine der stärksten Gaben, die es gab und gerade jetzt traute ich mich aufgrund von Ungewissheit nicht, sie einzusetzen. Ob ich all dies hier wohl beenden könnte? Wahrscheinlich schon. Wusste ich, wie das wohl ausgehen würde? Nun, ich hatte eine Theorie. Seit Ewigkeiten fürchtete ich mich vor dem Tod, hasste den Tod, bekämpfte ihn und besiegte ihn schließlich mehr oder weniger.

War die Lösung, um den Krieg zu vermeiden, tatsächlich der Tod? Konnte der Tod wirklich eine Möglichkeit darstellen um all dies hier zu beenden? Ich wusste nicht einmal, ob der Tod gewiss war, aber als mein Blick auf Caius ruhte wusste ich, dass ich es nicht ertragen konnte, ihn sterben zu sehen. Genauso wusste ich, dass wir, wenn wir uns ergeben würden, sowieso früher oder später alle sterben würden.

Es gab nur diese eine Möglichkeit und ich musste sie ergreifen. „Caius, es tut mir Leid", flüsterte ich. Ich konzentrierte mich stark auf meine Feinde. Auf alle Skinformer. Ich war bereit dazu, das wusste ich. Ich schloss die Augen und sammelte meine Kraft. Dann öffnete ich sie wieder und unsere Feinde fielen der Reihe nach um. Tod. Das war es, was ich wollte. Die endgültige Auslöschung aller Skinformer. Ich spürte, wie meine eigene Sicht verschwamm und wenige Sekunden später kippte ich nach vorn und alles wurde schwarz.

Shadows in paradise (Volturi ff/ Deutsch)Where stories live. Discover now