Ernste Gedanken

378 13 2
                                    

Wir hatten uns darauf geeinigt, morgen nach Volterra zu ziehen. Aro und die anderen mussten dringend jagen und außerdem wollten wir letzte Details besprechen. Nun hatten wir eine Art Kriegsrat gebildet, in welchem ich die Volturi vertrat, Aros neugewonnenes Vertrauen ehrte mich, da ich von meiner Familie sowieso die meiste Erfahrung und das meiste Wissen bezüglich Skinformern hatte. Außerdem waren sie zurzeit wie gesagt sowieso außer Haus.

Ich saß jetzt also mit Carlisle, Edward und Vincent in einem kleinen, nicht ganz so herunter gekommenen, Raum der Villa und besprach mit ihnen die weitere Vorgehensweise. Keine Ahnung warum der Gedankenleser anwesend sein musste, Carlisle hätte mir als Vertreter der Cullens völlig gereicht, aber ich musste mich wohl damit arrangieren. „Wie stellen wir es an, dass wir uns ihnen unbemerkt nähern können?", fragte Carlisle.

„Das ist unmöglich", meinte Vincent. „So wie wir euch erwartet haben, werden sie uns erwarten. Denkt dran: Sie sind Skinformer, sie können sich auch in einen von uns verwandeln und die Zukunft vorhersehen." „Moment, das versteh ich nicht so ganz", warf ich ein. „Wenn sie sich in euch verwandeln können und somit eure Zauberkräfte kopieren, warum müssen sie dann überhaupt mit euch zusammenarbeiten?"

Vincent nickte. „Das ist eine sehr gute Frage. Entschuldigt, ich hätte euch bereits früher darüber aufklären müssen. Die Skinformer haben so ihre Schwierigkeiten was das Kopieren von purer Mentalität angeht. So können sie zwar unsere Hellseherischen Fähigkeiten und unsere Grundzauber kopieren, aber sie können keine Zauber auf Personen anwenden. Das heißt, sie können weder Schutzschilde, noch Gedankenzauber oder Angriffszauber in unserer Gestalt ausführen, was ihre Möglichkeiten stark einschränkt. Tja, die Natur musste sie irgendwie im Zaum halten, sonst würde ein Ungleichgewicht herrschen. So wie Vampire nicht unzerstörbar sind und somit nicht ganz unsterblich und wir früher oder später durch unser Alter sterben, mussten auch die Skinformer eine Schwäche im Gegenzug zu ihrer Unsterblichkeit entwickeln."

Ich nickte verstehend. „Das ergibt Sinn. Jason sagte zu mir nämlich auch, dass er meine Gabe nicht kopieren könnte, da sie die Mentalität pur wäre." „In der Tat. Deine Gabe ist unser größter Vorteil ihnen gegenüber", meinte Vincent und blickte mir direkt in die Augen. Irgendwie beschlich mich ein komisches Gefühl wenn ich an den bevorstehenden Kampf dachte, aber ich verbannte es sofort wieder aus meinem Kopf. „Also mit anderen Worten: Wir können sie nicht überraschen. Wie können wir dennoch gewährleisten, dass wir gegen so viele Volturi Mitglieder ankommen, die fest überzeugt sind, dass sie auf der richtigen Seite stehen, beziehungsweise woher wissen wir, welche die echten Volturi sind und welche nicht?", fragte Edward zweifelnd und ich musste ihm zustimmen: Die Situation war tatsächlich etwas komplizierter als gedacht.

„Ich denke, der Schlüssel ist, wie Vincent schon sagte, meine Gabe. Ich hab es vor einiger Zeit bei Jason getan und ich scheue mich nicht davor, es erneut zu tun. Ich kann sie zumindest für einen kurzen Augenblick enttarnen und wenn das nicht Beweis genug ist, dann weiß ich auch nicht." Schweigen umhüllte den Raum wie erdrückender Nebel und die Anderen schienen meinen Plan zu überdenken, so als klänge er zu schön um wahr zu sein, aber anscheinend entdeckten sie auch keinen Schwachpunkt.

„Außerdem", fuhr ich fort, „ist es nicht vielleicht doch möglich, dass man die Schutzzauber, die die Skinformer immun gegen Gedankenleser machen, aufhebt? Wenn man dann nämlich den falschen Aro enttarnen würde, dann könnte der richtige uns sagen, wer ein falsches und wer tatsächlich ein Volturi Mitglied ist." „Ja durchaus, es ist möglich. Es bedarf sehr viel Konzentration und die Zauberkraft vieler Magier, aber es ist möglich. Das war ein Trick unsererseits, die Skinformer in dem Glauben zu lassen, es sei gänzlich unmöglich."

Er zwinkerte mir zu und wieder fragte ich mich, wie er trotz des bevorstehenden Kampfes derart vergnügt wirken konnte. Langsam hatte ich wieder Hoffnung, dass alles doch gut ausgehen würde. Ich meine unsere Chancen standen in Prinzip nicht schlecht. „Also geben wir uns keine Mühe, unentdeckt zu bleiben sondern suchen die Konfrontation!", meine Edward abschließend und alle, einschließlich ich, nickten.

„Gut, dann ist das beschlossene Sache. Wir werden in dieser Nacht mit Autos aufbrechen, denn wir haben ja nicht eure Geschwindigkeit, und ihr kommt in der morgigen Nacht zu Fuß hinterher, so habt ihr keine Probleme mit dem Sonnenlicht", meinte Vincent und das hörte sich durchaus plausibel an. „Wir treffen uns am offiziellen Orteingang zu Volterra", fügte ich hinzu. „Ihr wisst, wo das ist?", fragte ich den Ältesten und dieser nickte bestätigend. „Nun gut", ich erhob mich. „Ich gebe das an Aro weiter und wir" ich sah die Edward uns Carlisle an, „sehen uns morgen Abend."

Ohne auf eine Antwort zu warten, verließ ich in Vampirgeschwindigkeit den Raum. Ich brauchte dringend Zeit für mich um meine Gedanken und Gefühle zu ordnen, denn Schwäche durfte ich morgen Nacht auf keinen Fall zeigen. Ich flüchtete förmlich in ein höher gelegenes Stockwerk, öffnete irgendeine Tür, stellte zufrieden fest, dass dieses Zimmer ein Bett hatte, welches in einem einigermaßen guten Zustand war und lies mich darauf fallen.

Schweigend starrte ich an die Decke und beobachtete Staubkörner, die sich auf dem Weg zum Boden befanden. Das erinnerte mich an die fast schon langweiligen Situationen im Thronsaal, die ich beinahe schon schmerzlich vermisste. Im Prinzip vermisste ich den ganzen Alltag in Volterra und das obwohl oftmals nicht wirklich viel passierte. Ich denke, es war einfach der Gedanke an Normalität, der mich erfreute.

Und der Gedanke an Caius, wie er da so saß auf seinem Thron, anfangs das Gesicht bei meiner Anwesenheit zu einem spöttischen Grinsen verzogen, doch später dann zierte ein ehrliches Lächeln sein Gesicht, wenn er mich sah. Auch wenn ich dieses anfängliche Grinsen noch oft zu Gesicht bekam, da es einfach typisch für ihn war, ich fand es mittlerweile beinahe anziehend. Der Gedanke daran lies mich schmunzeln und nichts wünschte ich mir mehr, als dieses Grinsen wieder auf seinem Gesicht zu sehen. Ich vermisste ihn.

Ich merkte, wie ich meine Frustration immer wieder verdrängt und meine Trauer beiseitegeschoben hatte, was sich nicht gut auf meinen Geisteszustand auswirkte. Würde ich ihn wirklich morgen Nacht wiedersehen? Wie würde er reagieren? Wie würde ich reagieren? Wahrscheinlich würde ich ihn vor Glück fast umrennen. Nein, diese Vorstellung war absurd und gehörte sich nicht für eine baldige Volturimeisterin. Ich würde meine Freude zügeln müssen. Doch soweit mussten wir erstmal kommen. Mein Lächeln verschwand und die Ernsthaftigkeit der Situation rief sich mir wieder ins Gedächtnis. Wir befanden uns im Krieg. Ein Krieg, dessen Ausgang das Schicksal der Welt wie wir sie kannten bestimmen würde.

Shadows in paradise (Volturi ff/ Deutsch)Où les histoires vivent. Découvrez maintenant