Forks

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Während ich weiter lief, war ich mit den Gedanken ganz woanders und achtete nicht auf meine nähere Umgebung. Ich wusste, dass die Cullens in den Vereinigten Staaten lebten, aber ich wusste nicht genau wo. Meine einzige Möglichkeit bestand darin meine Gabe anzuwenden und mir selbst zu sagen, dass ich sie unbedingt finden wollte. Außerdem musste ich mein Glitzern verstecken wenn die Sonne schien. Ich spürte, dass ich auf dem richtigen Weg war, aber gleichzeitig wurde ich auch immer schwächer aufgrund der Nebenwirkungen, wie ich meine Schmerzen immer liebevoll nannte.

Ich wurde geradezu wortwörtlich von physischen und seelischen Schmerzen durchfressen und ich wusste, dass ich das nicht mehr lange durchhalten konnte. Ich kam am atlantischen Ozean an und sprang ohne lange Nachzudenken hinein und legte den nächsten Teil meiner Rettungsmission schwimmend zurück, bis ich auf der anderen Seite, in Amerika, tropfend aus dem Wasser stieg. Meine Gabe zeigte mir den Weg in Form eines goldenen Fadens, oder vielmehr eines goldenen Schimmers. Alles um diesen herum war verschwommen, da ich mehr und mehr an Kraft verlor. Wie ich diese Schmerzen hasste!

Ich konnte und durfte aber keine Pause einlegen! Erstens fürchtete ich, dass ich vielleicht verfolgt werden könnte und zweitens hatte ich Angst, ich könnte in den Ohnmachtszustand hinüber gleiten, sobald ich mich zur Ruhe begeben würde. Mit eisernem Willen und dem stetigen Brennen in meinen Augen, rannte ich was das Zeug hielt durch Wälder, Täler, durch unbewohnte Landschaften und durch kleinere Dörfer, immer im Schatten der Häuser, bis ich mich langsam aber sicher der Westküste näherte. Wie ich bald feststellen konnte, bewegte ich mich auf einen Ort namens Forks zu.

Die Umgebung war sehr verregnet und wolkenverhangen, so dass ich meine Kraft nicht für die Tarnung verschwenden musste. Meine Gabe führte mich in einen Wald in der Nähe von Forks, wo ich erstens die Anwesenheit von anderen Vampiren spürte und zweitens ein schlimmer Gestank von der anderen Seite eines Flusses zu mir rüber wehte. Egal was das war, ich war froh, dass mein Ziel laut meiner Gabe abseits dessen lag. Mittlerweile konnte ich mich nur noch schleppend vorwärts bewegen und mein Sichtfeld war stark eingeschränkt. Die Kopfschmerzen waren beinahe unerträglich und mein Körper schrie förmlich danach, endlich in Ohnmacht zu fallen, obwohl ich in Wahrheit davon natürlich nicht begeistert war.

Jetzt nur noch in normaler Menschengeschwindigkeit stapfte ich durch den Wald dem immer schwächer werdenden goldenen Schimmer hinterher. Irgendwann als ich gerade dachte, es geht nicht mehr, erblickte ich ein gläsernes Haus zwischen den Bäumen. Ich nahm meine letzte Kraft nochmal zusammen und legte die restlichen Meter zum Haus der Cullens keuchend zurück. Als ich davor stand, sah ich gerade noch wie sich die Haustür öffnete, da knickten meine Beine endgültig weg und ich fiel in die Dunkelheit, die mich mit offenen Armen begrüßte.

Carlisle P.O.V.

Ich saß gerade in meinem Büro und füllte wichtige Unterlagen für das Krankenhaus aus, als ich die Aura eines fremden Vampires in der Nähe des Hauses wahrnahm. Sofort lies ich den Stift fallen und stand im nächsten Augenblick an der Haustür, schließlich wusste ich nicht, ob der Vampir Freund oder Feind war. Alice hatte aber auch keine Vision gehabt, das war äußerst merkwürdig. Ich öffnete die Tür, trat hinaus und sah, wie eine junge Vampirin in unserem Garten zusammenbrach. Sie rührte sich nicht mehr und das verwirrte mich sehr, hatte ich sowas bei einem Vampir doch noch nie beobachten können.

Ich rannte zu ihr und drehte sie erstmal mit dem Gesicht zu mir, denn vielleicht kannte ich sie ja doch unwissentlich. Dem war allerdings nicht, viel mehr schockierte mich, dass sie offensichtlich den Volturi angehörte, denn die goldene V-Kette zierte ihren Hals. Moment, eine goldene? Aber das musste ja heißen, dass sie zur Garde gehörte, also zur Leibwache. Wenn ja, was machte sie dann hier ganz allein? Sie hatte ihre Augen geschlossen und sah beinahe friedlich aus, so friedlich wie eine blasse Untote eben aussehen konnte.

Nun betrat meine Familie ebenfalls den Garten und auch in ihren Gesichtern sah ich einen Ausdruck der Unwissenheit. „Wer ist das Carlisle?", fragte Esme und kniete sich zu mir und dem Mädchen hinunter. „Ich wünschte, ich wüsste es", antwortete ich. „Edward? Siehst du etwas in ihren Gedanken, dass uns weiterhelfen könnte?" Der bronzehaarige Vampir schüttelte den Kopf. „Ich sehe bei ihr gar nichts, nur Dunkelheit in ihren Gedanken, so als würde sie in einer Art Ohnmacht liegen. Allerdings kenne ich zumindest ihr Gesicht", fügte er dann noch an und hatte plötzlich die Aufmerksamkeit der gesamten Familie sicher. „Stimmt, ich kenne sie auch", meinte Alice. „Sie war im Thronsaal, als wir vor einer Weile gezwungener Maßen bei den Volturi waren. Bella müsste sie also auch kennen." Diese nickte wiederum. „Stimmt, jetzt wo du es erwähnst." „Aber ich nehme an, keiner von euch weiß genau wer sie ist?", fragte ich hoffnungsvoll, doch die drei schüttelten den Kopf.

Edward schien jedoch genau zu überlegen. „Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich damals kurz ihre Gedanken gelesen, als ich das erste Mal allein bei den Volturi war als ich dachte, Bella hätte sich umgebracht, aber sie meinen Wunsch ausgeschlagen haben." Bella schien sich schuldig zu fühlen, aber Edward zog sie zu sich ran, flüsterte ihr was ins Ohr, dass ich nicht verstehen konnte, und Bella schien es besser zu gehen. „Ich glaube, sie stand damals neben Chelsea und ihre Gedanken waren stark auf Caius fokussiert." Ich zog unnötigerweise scharf die Luft ein und auch die Anderen schienen deutlich verwirrt darüber zu sein. Hieß das, dass Caius wieder eine Gefährtin hatte? Ich dachte, dass das einmal passiert war, war schon mehr als überraschend gewesen, schließlich ist Caius Charakter, um es vorsichtig auszudrücken, nicht gerade der liebenswerteste.

„Vielleicht ist sie auch nur eine Freundin von ihm", meinte Emmett zweifelnd, doch Edward schüttelte den Kopf. „Die Gedanken waren ganz klar von romantischer Natur. Leider war Caius zu dem Zeitpunkt nicht mehr im Thronsaal, also konnte ich nicht sehen, ob dieses Interesse auf Gegenseitigkeit beruhte." „Und warum hast du uns ihre Existenz bis jetzt verschwiegen?", fauchte Rosalie. „Ich denke, ich war von den nachfolgenden Ereignissen ein wenig abgelenkt worden", entgegnete Edward gereizt. „Ganz ruhig ihr zwei", meinte ich schlichtend. „Ich schätze, uns bleibt erstmal keine andere Wahl, als zu warten bis sie wieder aufwacht. Sollten die Volturi sie finden wollen, könnten sie das so oder so mit der Hilfe von Demetri. Wir sollten sie erstmal ins Gästezimmer bringen und abwarten."

„Was?! Du meinst wir sollen eine Volturi in unser Haus lassen?", meinte Rosalie entsetzt. „Und dann auch noch eine, die Caius liebt?" Ich schaute sie mahnend an, doch sie schnaubte nur und verschwand mir der Ausrede im Wald, dass sie jetzt dringend was zwischen die Zähne bräuchte. Emmett folgte ihr, vermutlich um sie zu beruhigen. Meine anderen Familienmitglieder stimmten meinem Vorschlag zu unter der Bedingung, dass wir sie immer im Auge behalten würden. Ich hob sie also hoch und legte sie auf das Bett im Gästezimmer. Es sollten Tage vergehen, bis wir sie zum ersten Mal sprechen hören würden.

Shadows in paradise (Volturi ff/ Deutsch)Where stories live. Discover now