Schatten

738 22 2
                                    

Ich schlug die Augen auf und war sofort wieder komplett bei Sinnen. Keine Kopfschmerzen mehr! Zum Glück. Genervt setzte ich mich auf. Wieso um alles in der Welt war ausgerechnet ich mit einer Gabe geschlagen, die man nicht ohne Bedenken anwenden konnte? Das war wirklich unfair. Ich schwang die Beine aus dem Bett und meine nackten Füße berührten kaum den Boden als ich auch schon stand. Meine Schuhe standen neben meinem Bett und ich beschloss mich erstmal umzuziehen. Ich verliere über mein Outfit keine weiteren Worte. Rot, schwarz und irgendetwas Kleid- oder Rockähnliches. Nichts Besonderes, wie immer. Was gäbe ich dafür, wiedermal eine Hose anziehen zu können! Allerdings war ich trotzdem an diese Kleiderordnung gewöhnt, denn in meiner Jugend war es für Frauen und Mädchen auch eher unüblich Hosen zu tragen.

Ich rannte mit Vampirgeschwindigkeit zum Thronsaal und wartete bis Demetri und Felix mich hinein ließen. Ich musste unbedingt Caius sehen und wissen, dass es ihm auch wirklich gut ging. Als ich den Saal betrat erhob sich dieser augenblicklich von seinem Thron und war direkt bei mir. „Zum Glück bist du endlich wieder aufgewacht", flüsterte er erleichtert und ich lächelte ihm entgegen. „Natürlich, es waren nur die Auswirkungen meiner Gabe. Halb so schlimm", gab ich vor. Er musterte mich kritisch, schien sich aber mit der Antwort zufrieden zu geben.

„Ich freue mich ebenfalls, dass es dir wieder gut geht, Caroline", meldete sich nun Aro zu Wort. „Ihr habt euren Auftrag hervorragend ausgeführt. Bedauerlicherweise ist der Anführer entkommen." Aro musste das ja ansprechen. Bis dahin dachte ich, er würde uns loben, aber jetzt äußerte er mit seinem gewissen Grinsen unterschwellig Kritik. „Bruder, wir haben doch schon darüber gesprochen. Irgendetwas stimmt da nicht, denn selbst als Demetri ihn verfolgte, fehlte von ihm jede Spur, im wahrsten Sinne des Wortes, denn Demetri war nicht mehr fähig seine Spur aufzunehmen. Und du weißt, dass er einer der besten Tracker ist, die es gibt! Wenn du mich fragst, ist das sehr merkwürdig", verteidigte Caius unseren Einsatz und ich konnte ihm nur zustimmen. Er war einfach weg gewesen, ja fast so, als hätte er nie existiert. Okay, das klang lächerlich aber es war wirklich so gewesen. „Hm ja allerdings, da stimme ich dir zu. Demetri kommst du mal hinein?", fragte Aro nun lauter und nur kurze Zeit stand Besagter in der Mitte des Saales. „Ja Meister? Was gibt es?" „Hast du immer noch keine Spur von ihm?" „Nein, tut mir leid Meister", antwortete Demetri kurz darauf. Wie er das so schnell feststellen konnte war wirklich beeindruckend.

„Nun gut, früher oder später wird sich diese absonderliche Gegebenheit gewiss aufklären, doch nun erwarten wir zunächst Heidi mit unserer Mahlzeit", schloss Aro vorerst die vorrangegangene Thematik ab. Ich begleitete Caius zu seinem Thron, wo er mich abermals demonstrativ auf seinen Schoß zog. Ich genoss das warme Gefühl, das mich durchflutete und konnte mein Lächeln nicht aus meinem Gesicht verbannen.

Hatte ich schon erwähnt, dass es hier im Saal meistens äußerst still war und dies fast gruselig war? Niemand sagte etwas und ich stellte manchmal den Sinn des Aufenthalts hier in Frage. Nun gut, im Moment warteten wir auf Heidi aber solche Situationen gab es auch, wenn dem nicht so war. Aber was konnte man da schon machen? Aro hatte sowieso das Meiste zu sagen und ihn schien diese Ruhe nichts auszumachen. Endlich wurde mein Gedankengang durch das Öffnen der Saaltüren unterbrochen und eine Touristengruppe betrat aufgeregt den Raum. Ich hörte viele Herzschläge und war froh als Aro endlich das langersehnte Signal gab. „Guten Appetit", rief er gut gelaunt wie immer und stürzte sich auf eine Frau mittleren Alters. Ich selbst griff mir einen jungen Mann, welcher sich natürlich versuchte zu wehren, aber meinem eisernen Griff nicht entkam. Caius versenkte gerade seine Zähne in einer jungen Brünetten als ich mein Opfer auch schon gesättigt fallen ließ. Ausdruckslos starrte ich in sein nun friedliches Gesicht, welches kurz zuvor noch durch die zahlreichen Schreckensschreie verzerrt war. Ich fühlte mich schon schuldig, aber es war meine Nahrung. Ich konnte nichts daran ändern, denn verhungern und somit richtig sterben wollte ich auch nicht. Ich wischte mir einen Tropfen Blut aus dem Mundwinkel und warf Caius einen entschuldigenden Blick zu als ich den Saal verließ. Ich wollte die Leichen so vieler Menschen nicht länger als nötig sehen. Demetri und Felix verließen den Raum ebenfalls, blieben dann jedoch wie zuvor vor den Saaltüren stehen.

Ich schlich den Gang förmlich entlang, denn ich hatte Langeweile. Ja, Caroline Volturi, die Person, der sonst immer irgendwas einfiel, hatte keinerlei Beschäftigung. Wenn wir mal ehrlich waren, war die hier auch schwer zu finden. Doch schon bald merkte ich, dass ich nicht mehr allein im Gang unterwegs war. Ich dachte mir nicht viel dabei, denn schließlich wohnten hier ja noch ein paar Vampire.

Ich streifte immer weiter durch das Schloss und langsam war das mir folgende Schrittgeräusch schon etwas beängstigend. „Hallo? Wer ist da?", fragte ich, als ich mich abrupt umdrehte. Keiner antwortete. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Horrorfilm. Klar, wer würde jetzt schon zurück schreien „Ja hallo ich bin der und der und möchte dich gerne umbringen. Kaffee?". 'Okay Caroline', versuchte ich mich selbst zu beruhigen. 'Jetzt komm runter und schalte den Sarkasmus-Modus aus. Außerdem bist du ein Vampir, ein Geschöpf der Nacht. Wenn wirklich jemand Fremdes im Schloss wäre, dann sollte er sich nicht mit dir anlegen.' Dennoch legte ich an Tempo zu und war froh endlich mein Zimmer zu erreichen. Von meinem mutmaßlichen Verfolger war nichts zu sehen. Komisch, dachte ich mir noch. Wenn es sich um einen Volturi gehandelt hätte, hätte mir dieser vorhin bestimmt geantwortet und wäre mir auch nicht weiterhin so verdächtig gefolgt. Aber ich hatte mir diese Schrittgeräusche doch nicht eingebildet, oder?

Wurde ich hier jetzt schon verrückt?

Shadows in paradise (Volturi ff/ Deutsch)Where stories live. Discover now