Das Band der Liebe

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Ich umarmte sie zur Begrüßung. „Hey Chelsea! Schön, dass wir mal wieder ein bisschen Zeit miteinander verbringen können!" „Ja finde ich auch. Ist alles okay bei dir Caro? Du wirkst ein bisschen aufgewühlt." Ich seufzte resigniert. Natürlich blieb es ihr nicht verborgen. „Ja, eigentlich schon...Ich hab nur gerade Caius das erste Mal dabei zugesehen, wie er jemanden foltert und das war kein sehr schöner Anblick. Es hat mich ehrlich gesagt ein bisschen verängstigt und obwohl er mir zusicherte, ich bräuchte vor ihm keinesfalls Angst zu haben, lässt mich dieser Anblick nicht so ganz los." Chelsea schwieg einen Moment. „Das verstehe ich, allerdings solltest du dir seine Worte zu Herzen nehmen und seine andere Seite akzeptieren. Ich an deiner Stelle wäre froh, ihn auch mal nett zu erleben. Zu uns Wachen ist er nämlich des Öfteren so, wie du es gerade beschrieben hast. Armer Jonathan, er wird einiges zu erdulden haben die nächsten Wochen über, falls er nicht schnell Einsicht erlangt. Aber nun gut, irgendwie mussten wir da alle mal durch."

Sie setzte wieder ihr zuckersüßes Lächeln auf. „Caius liebt dich wirklich. Das merkt man ihm immer an, wenn ihr zusammen unterwegs seid. Er benimmt sich in deiner Gegenwart total anders, auch wenn er versucht, es zu verstecken. Wenn dir das noch nicht Beweis genug ist und du immer noch Angst verspürst, dann würde ich dir empfehlen das Gespräch mit Meister Marcus zu suchen. Er kann dir gewiss weiterhelfen." „Wirklich? Aber wie denn?" Chelsea blickte mich fragend an. „Wusstest du das nicht? Meister Marcus kann die verschiedenen Bänder der verschiedensten Beziehungen sehen, sei es Liebe oder Freundschaft oder auch familiäre Bindungen." „Ich wusste gar nicht, dass er überhaupt eine Gabe besitzt", meinte ich nachdenklich. „Nun gut ich werde ihn aufsuchen und mich nach dem Band erkundigen, das mich und Caius verbindet. Danke Chelsea, du bist eine wahre Freundin!" Diese sprang auf und zog mich kurzerhand in eine feste Umarmung. „Klar, immer wieder gerne! Sag mir Bescheid, wie es gelaufen ist! Wir sehen uns nachher zur Mahlzeit!" Und schon verließ sie anmutig wie eh und je den Garten.

Leicht über das Geschehende grübelnd, machte ich mich auf den Weg in den Westflügel zu Meister Marcus' Gemächern. Vor der Tür zu seinem Gemach trat mir aus dem Schatten Corin entgegen. Sie hatte anscheinend gerade Wachdienst bei ihm. „Guten Tag Caroline. Was verschlägt dich hierher?", wisperte sie mit ihrer glockenhellen Stimme. „Ich muss mit Meister Marcus sprechen. Es ist eine private Angelegenheit, also wäre ich dir sehr verbunden, wenn du Stillschweigen bewahren könntest." „Natürlich. Ich werde den Meister eben benachrichtigen. Bitte warte einen Moment." Mit diesen Worten schlüpfte sie, nach kurzem Anklopfen, durch die braune Tür. Etwas überrascht über ihre schnelle Kooperation stand ich verdutzt vor der Tür. Ich musste mich immer noch daran gewöhnen, dass es hier sehr viel bedeutete, wenn man mit einem Meister liiert war. Ich fragte mich, ob Caius' Brüder auch Freundinnen hatten. Wenn, dann hatte ich sie noch nie gesehen und man erzählte mir auch nichts darüber. Aber so lang wie die Meister schon auf dieser Erde weilten, konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie nicht wenigstens einmal das Gefühl der Liebe erlebt hatten. Vielleicht würde Marcus mir ja etwas darüber erzählen, denn ich war schon gespannt auf das Gespräch. Von allen Personen, die in diesem Schloss wohnten, konnte ich ihn am schlechtesten einschätzen. Auf mich wirkte er fast immer abwesend und traurig. Er beteiligte sich in den seltensten Fällen an Gesprächen. Dieser Satz heute Morgen war schon eine Besonderheit.

Die Tür öffnete sich abermals, diesmal aber vollständig und Corin bat mich einzutreten. Langsam schritt ich in den Raum hinein und sah mich um. Alles war mehr oder weniger in Brauntönen gehalten. Technischen Schnickschnack gab es hier nicht, aber das war eigentlich überall im Schloss der Fall. Festzustellen war, dass Marcus eine große Vorliebe zu Büchern hatte, denn es führte eine Tür zu einer kleinen, privaten Bibliothek. Das große Fenster im Hauptzimmer besaß schwarze Vorhänge, direkt davor stand ein majestätischer Tisch aus Mahagoniholz, welcher wiederum von einem Sofa und zwei großen Sesseln umgeben war. Es sah so aus, als wären alle Möbelstücke so aufgestellt, dass man wenn man saß den Himmel beobachten konnte. Es gab noch einige Schränke in dem Raum, welche allesamt sehr antik wirkten und mit zahlreichen Verzierungen versehen waren.

Mein Blick schweifte zur Seite, als ich eine Bewegung im Augenwinkel wahrnahm. Marcus kam mir aus einer Tür entgegen, die wohl in weitere Räume führte. „Ich muss zugeben dein Besuch überrascht mich Caroline. Gibt es einen speziellen Grund, warum du meine Gesellschaft suchst?", fragte mich Marcus und deutete mit einem Kopfnicken zu den zwei Sesseln, auf welche wir uns nun niederließen. „Nun...ähm um ehrlich zu sein ja. Aber Meister, es würde mich freuen, wenn dieses Gespräch vertraulich bleiben könnte." Marcus blickte mich ein wenig erstaunt an. „Nun, als erstes sehe bitte davon ab, mich in privaten Kreisen „Meister" zu nennen, denn schließlich bist du mit meinem Bruder liiert. Und wenn dies hier eine private Angelegenheit ist, ist es selbstverständlich, dass der Inhalt dieses Gesprächs diese Räumlichkeiten nicht verlässt." Dankbar schaute ich ihn an und schenkte ihm ein Lächeln. „Vielen Dank Mei- Marcus."

„Also dann, erkläre mir dein Anliegen!", forderte er sanft. „Ja also, es geht um Caius. Ich liebe ihn und ich verstehe, dass er diese zweite, dunkle Seite besitzt, aber ich habe dennoch Angst, dass er mich in einem Wutanfall verletzen könnte oder sich von mir trennt. Deswegen würde ich gern etwas über das Band zwischen ihm und mir erfahren." Betrübt schaute ich auf den Boden und fand meine Schuhe mit einem Mal sehr interessant. Ich nahm einen Luftzug wahr und blickte auf. Marcus hatte sich auf dem Sofa neben mir niedergelassen und lächelte. Er lächelte? Wow und ich dachte mich könnte nichts mehr überraschen. „Diese Furcht, Caroline, ist wahrhaft unbegründet! Weißt du, Caius hat seine frühere Frau Athenodora wahrhaft geliebt und sie ihn auch, jedoch hab ich immer gesehen, dass sie nie füreinander bestimmt waren. Ich wollte ihrem Glück jedoch keinesfalls im Weg stehen, weshalb ich diese Tatsache stets verschwieg. Als Athenodora starb war mein Bruder zwar von Wut und Trauer übermannt, jedoch hat er das durch sein „Hobby" verkraftet. Ich sage dir, wenn sie seine Seelenverwandte gewesen wäre, dann wäre Caius mir jetzt gar nicht so unähnlich. Du musst wissen, vor ewiger Zeit hatte ich auch eine Frau. Ihr Name war Didyme und wir waren durch unser Schicksal miteinander verknüpft, welches leider durch ihren Tod endete. Verliert jemand seinen Seelenverwandten, so zerstört das seinen Lebensgeist und wahrhaft glücklich wird man danach nicht mehr, ich denke, ich bin dafür wohl das beste Beispiel." Traurig lächelte er, als er anscheinend über Didyme nachdachte.

„Doch nun zurück zu euch: Ich kann dir mit Stolz verkünden, dass das Band der Seelenverwandtschaft euch verbindet, er könnte dir nie wirklich wehtun und von dir fernhalten kann er sich genau so wenig wie du von ihm. Ihr seid füreinander bestimmt Caroline! Du solltest auf diese Liebe vertrauen!" Damit endete er seine kleine Rede und ich konnte ihn nur mit offenen Mund anstarren. Seelenverwandtschaft? Das heißt sowas wie die Liebe fürs Leben? „Darf ich es mir ansehen? Ich meine mit meiner Gabe?", fragte ich schüchtern. „Wenn dich das noch mehr überzeugt, nur zu", erlaubte Marcus es mir mit einem Lächeln.

Oh, ja ich wollte dieses Band sehen. Ich konzentrierte mich darauf und auf Caius. Dafür schloss ich kurz meine Augen. Als ich sie öffnete, schimmerte etwas Goldenes direkt vor mir. Es war wie eine Spirale des Glücks, welche sich immer weiter verflocht und zur Tür hinaus führte, in Richtung Caius' Arbeitszimmer. Als ich das Band genauer betrachtete, stellte ich fest, dass unsere beiden Namen darauf eingraviert waren. Das Band leuchtete heller als der Himmel voller Sterne und rief Schmetterlinge in meinem Bauch hervor. Überwältigt schloss ich meine Augen erneut und lies das Gesehene auf mich wirken. „Vielen Dank Marcus", flüsterte ich trotz der aufkommenden Kopfschmerzen. „Nicht dafür Caroline. Sei versichert, dass du mit mir zu jeder Zeit reden kannst, wenn dich etwas bedrückt. Schließlich gehörst du jetzt zum inneren Kreis unserer Familie!" Ich blinzelte und sah ihn gerührt an. Wie konnte ein Vampir nur so herzlich sein, wenn er doch selbst so viel verloren hatte?

„Ich danke dir Marcus." Ich erhob mich und lächelte ihn an. „Bis nachher." „Auf Wiedersehen Caroline!" Darauf verließ ich die Gemächer von Marcus und war mir der Liebe Caius' erneut bewusst geworden. Innerlich ohrfeigte ich mich dafür, dass ich immer wieder misstrauisch wurde. Er war ein Vampir genau wie ich, da war diese dunkle Seite im Prinzip vorprogrammiert und zu mir ist er anders, dass sollte ich zu würdigen wissen. Mein Entschluss stand fest: Ich würde nie wieder an seiner wahrhaften Liebe zweifeln, denn schließlich waren wir Seelenverwandte!


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Ach ja, ich würde auch gerne meinem Seelenverwandten begegnen. LG

Shadows in paradise (Volturi ff/ Deutsch)Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora