Kapitel 106

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Finding Hope - Love

Donnerstag, 14. Mai

Shevin holt mich von der Uni ab, damit wir zu Can fahren. Falls man mich wegen Can gefragt hat, habe ich einfach gesagt, dass er krank ist. In den Zeitungen steht nichts über den Mord oder den Attentat, was irgendwie komisch ist, aber so ist es auch besser - zudem steht es ja immer noch nicht fest, ob er nun wirklich tot ist oder nicht. Ich habe Cihan und Elif gesehen. Cihan hat immer noch kein Spenderherz, aber es geht ihm trotzdem gut. Ich war nicht beim Arzt, wofür Can mich zu hundert Prozent anmeckern würde, aber davon weiß er ja nichts. Meinem Herzen geht es besser, alles ist wieder gut. Es lag nur an der Belastung, mehr nicht. Auch, wenn mein inneres Ich mir sagt, dass ich lieber gehen sollte, ignoriere ich es, da es mir besser geht. Ich darf Can sehen und ihm Sachen bringen und das macht mich glücklich. "Hier", sagt sie, als sie mir den Wohnungsschlüssel gibt. Ich fahre über die Tasche mit Sachen für Can und freue mich umso mehr, ihn gleich sehen zu dürfen. Ich habe ihm die ganzen Kapitel ausgedruckt, die er lesen muss. Zudem habe ich ihm zwei Blanko-Blöcke gekauft, damit er auf ihnen lernen und schreiben kann. Hoffentlich darf er die Bücher behalten. Ich habe mich ein wenig im Internet schlau gemacht und da steht, dass er Kleidung haben darf. Auf der JVA-Seite von Hamburg Fuhlsbüttel stand sogar, dass Spiele für Spielkonsolen erlaubt sind. Sollte ich Can einen Nintendo kaufen? "Ich wünschte, ich dürfte ihn länger als fünfzehn Minuten sehen", seufze ich. Ich freue mich so sehr, dass ich ihn gleich wieder in meine Arme schließen kann. "Der Langzeitbesuch macht es möglich." Warte, was? Ich schaue aufmerksam zu Shevin. "Sprich weiter." Sie schmunzelt. "Beim Langzeitbesuch kann man für einige Stunden in eine spezielle Zelle gehen, die viel Angenehmer erscheint und sogar ein wenig an ein Wohnzimmer erinnert. Das kann der Inhaftierte beantragen und man darf dort sogar übernachten und es wird nicht überwacht." "Oh mein Gott!", kreische ich und halte die Patronenkette fest in der Hand. Mein Herz macht einen freudigen Satz. "Can wird das sofort anfordern, ich will das!" Ich bin jetzt tausendmal glücklicher.

"Aber du musst bedenken, dass es nur zur Resozialisierung dient und es dementsprechend dann erlaubt ist, wenn die Person der Förderung dient. Es wird ein Gutachten erstellt." Dr. Al-Kon! "Ich bin fördernd, ich bin super fördernd!" Oh Gott, ich setze alles daran, damit ich mit Can in einer Zelle schlafen kann. "Frag Dr. Al-Kon, Can hat mit ihm über mich geredet." Shevin nickt belustigt. "Ich stehe mit ihm in Kontakt und er hat eingewilligt, beim Gerichtsverfahren teilzunehmen. Er wird uns eine große Hilfe sein." Ich quietsche vor Freude. "Can meinte, es wird in zwei oder drei Wochen sein." Ihre Augenbrauen heben sich überrascht. "Was? So schnell?" Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. Das ist doch eine lange Zeitspanne. "Ist das schlimm?" Shevin summt nachdenklich. "Es dauert schon ein Weilchen, aber man muss auch bedenken, um was es sich handelt. Ein Mord, der sich aufgrund seines Tumors abgespielt hat. Das würde man einem Diebstahl oder einer Schlägerei selbstverständlich vorziehen." Sie summt wieder und ich summe auch. "Aber ich weiß nicht so recht, wie das mit der Haftzeit und dem Langzeitbesuch abläuft. In NRW geht es ab einer Haftzeit von drei Monaten. Aber man könnte darauf plädieren, wenn man Cans Psyche miteinbezieht. Ich gucke, was sich machen lässt." "Ich liebe dich, Shevin." Ich bete, dass es klappt. Das wäre so toll! Wir kommen der JVA immer näher und die Tatsache, dass es womöglich zu einem Langzeitbesuch kommen könnte, macht mich so glücklich. Wie beim ersten Mal, werden wir kontrolliert, woraufhin mir die Tasche abgenommen wird. "Was genau befindet sich in der Tasche?", werde ich von der Beamtin gefragt, die die Tasche öffnet. "Hauptsächlich Bücher, ausgedruckte Kapitel, Unterwäsche, Jogginghosen und T-Shirts. Unter anderem auch Pflegeprodukte." Ich beiße mir unsicher auf die Lippe, während sie alles durchsucht. "Und in der Tüte?" "Das ist Essen." Auch das wird angeschaut. "Für ein Paket muss ein Formular ausgefüllt werden, welches erst einmal angenommen und bestätigt werden muss." "Ouh", murmele ich. Sie bemerkt mein Unwissen. "Ich würde Sie jetzt einfach bitten, das Formular auszufüllen und beim nächsten Mal nach den Anweisungen gehen, die Sie auch im Internet finden." Puh, Glück gehabt. Ich nicke. "Mache ich." Ich muss ein Formular ausfüllen und auch schreiben, an wen es geht. Jetzt darf ich endlich meinen Can sehen.

AkzeptanzWhere stories live. Discover now