Kapitel 94

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SHY Martin - Good Together

Mittwoch, 25. März

Am Samstag konnte ich nur spät schlafen gehen, weil ich an die Auseinandersetzung und an Can denken musste. Ich habe auch mit Ramazan geredet, er kümmert sich um Can, sodass er nicht auf falsche Gedanken kommt. Can hat mich bis jetzt in Ruhe gelassen. Es war aber bis jetzt jeden Morgen eine Rose vor der Tür. Ich weiß nicht, wie Außenstehende dies empfinden würden, aber trotz dieses Hasses auf ihn, schreit ein kleiner Teil von mir nach ihm. Niemand kann einfach diese Verbindung durchtrennen. Aber jetzt... jetzt ist diese Verbindung verletzt worden. Ich habe immer noch Angst, dass er sich wehgetan hat. Ich bin in diesem Zwiespalt gefangen, wo ich mich nicht wehren kann. Ich kann mich nicht wehren, ohne Can mental zu beschädigen. Ich habe ihn als Missgeburt beleidigt, wie muss sich das für ihn angefühlt haben? Ich will ihn gar nicht in Schutz nehmen, aber ich kann nicht anders! Ich muss daran denken, diese Liebe wahrhaftig ist eine Droge. Was soll ich jetzt machen? Ich hasse Can immer noch für seinen Fehler. Ich hasse ihn so sehr deswegen. Wie soll das jetzt weitergehen? Was soll ich jetzt tun? Irgendwann muss ich ja zurück in die Wohnung. Wann sollte ich gehen? Es wird langsam Zeit. Was Can wohl die Tage getan hat? Ich hoffe, er hat weder getrunken, noch geraucht oder sich geritzt. Hat er sich einsam gefühlt oder konnte er die Tage gut alleine verbringen? Unsere Liebe ist so verdammt hürdenreich. Nichts läuft gerade, immer kommt eine Kurve. Bei Saliha und Malik könnte ich mir so etwas nicht vorstellen. Malik ist zu ruhig für solche impulsiven Reaktionen. Er schlägt sich nur mit Salihas Stimmungsschwankungen herum. Armer Malik. "Pscht", gluckst Saliha. Ich werde sofort aus meinen Gedanken gezogen. "Warte", kichert sie. Moment mal. "Nicht so laut", flüstert Malik nun. Ich halte die Luft an, es ist komplett still. Wie viel Uhr ist es überhaupt? Ich kann mich gerade gar nicht bewegen, weil ich sonst denke, dass sie mich hören, wie ich sie höre. "Oh ja." Das war Saliha! Ich drücke mich so fest wie noch nie die Hände auf den Mund. Du liebes bisschen, die bumsen! Saliha stöhnt wieder. Ich kreische lautlos. Oh Gott, oh Gott, die treiben es! Wow, das habe ich noch nie erlebt! "Nicht so laut", flüstert Malik wieder. Ich nicke stumm lachend. "Sie schläft sie ein Stein", stöhnt Saliha. Ich komme mir so komisch vor, weil sie mich während des Aktes erwähnt hat. Ich halte mir wieder schnell die Hände an den Mund, weil ich diesmal Malik gehört habe! Diese Geräusche kriege ich niemals mehr aus meinem Kopf raus. "Malik." Hilfe! Ich presse prustend das Kissen ins Gesicht. Ich kann es nicht glauben!

Als ich aufgestanden bin, waren Malik und Saliha schon längst auf der Arbeit. Ich glaube, ich sollte heute nach Hause, ich war lang genug hier. Außerdem will ich Saliha und Malik nur ungern bei ihrem Techtelmechtel hören, wie gestern Nacht. Da hat es nichts gebracht, sich gegenseitig zu sagen, dass sie still sein sollen. Es wäre für mich womöglich angenehmer gewesen, wenn ich nur Saliha gehört hätte. Na ja, es ist aber auch etwas Natürliches, und wenigstens hatte ich etwas zum Lachen. Ich lege mich auf dem Sofa hin, ich fühle mich zu einsam. Ich will Can wirklich nicht sehen, aber ich fühle mich in meinen eigenen vier Wänden viel wohler. Ich hasse diese Hure Aleyna! Aber irgendwie... ohne sie wüsste ich auch nicht, dass Can kein Vertrauen in mir hat. Ich bin einfach so verzweifelt und wütend. Alles ist eine Prüfung, das ist alles eine Prüfung, aber wie lange geht diese Prüfung noch? Ich kann wieder nicht stillsitzen. Ich schreibe Saliha, dass ich nach Hause gehe. Seufzend packe ich meine Tasche. Ob ich hierbleibe oder ob ich in unserer Wohnung bin, ich werde nicht weich werden. Das hat mich zu sehr verletzt. Ich lege die Schlüssel unter den Fußabtreter, nachdem ich die Tür abgeschlossen habe. Ich weiß gar nicht, was ich gleich tun soll. Erst einmal alles auspacken, Can sein Geld wieder hinschmeißen und mich mit dem Laptop ins Bett legen. Wo ist hier die nächste Bushaltestelle? Ich laufe einfach los bis ich Busse höre und dann an einer Station ankomme, die zum Glück zu mir fährt. Die Sonne scheint heute schön, ist das ein Zeichen? Ich komme meines Erachtens zu früh an, laufe deswegen extra langsam. Je näher ich unserer Wohnung komme, umso kälter wird meine Persönlichkeit. Seufzend schließe ich die Tür auf, steige die Treppen hinauf. Es geht so schnell, zu schnell. Vor unserer Haustür bleibe ich stehen, soll ich jetzt rein oder doch noch woanders hin? Den Schlüssel stecke ich einfach in das Schloss, tief atme ich durch und trete hinein. Der typische Holzgeruch unserer Wohnung steigt mir in die Nase. Ich streife mir die Schuhe von den Füßen, der Boden sieht gewischt aus.

AkzeptanzWhere stories live. Discover now