Kapitel 44

42.1K 1.6K 305
                                    

A Great Big World ft. Christina Aguilera - Say Something

Ich... ich, das-, wow. "Ich... ich wusste es einfach!", gebe ich hysterisch von mir. Oh Gott, Can hat einen Tumor! "Er ist bestimmt an der Amygdala und vielleicht drückt sich der Tumor auch gegen den Frontallappen. Er ist dort, wo die Amygdala ist, sonst würde Can nicht immer ausrasten und manchmal Dinge vergessen. Weswegen hat er die schlimmsten Ausraster vergessen? Weil er einen Tumor hat." Ich lache hysterisch auf und laufe hin und her. Kurz bleibt mir die Luft weg. Plötzlich werde ich wütend. "Ich werde die Schlampe verklagen!", rufe ich erzürnt. Der Stationsarzt schaut mich überrascht an. "Was meinen Sie?", fragt er mich. "Wir waren bei einer dämlichen Neurologin, die mir nicht einmal zuhören wollte und sein Verhalten plus Ziehen im Hinterkopf und Vergessen auf sein Trauma geschoben hat. Wie kann man so dämlich sein?" Ich raufe mir meine Haare. "Shana, beruhigen Sie sich doch bitte. Wir kriegen alles wieder hin." Ich setze mich und schaue mir die Bilder an. Ich könnte ausrasten, wenn ich diesen Tumor sehe. "Das ein Tumor von dieser Größe so lange unbemerkt bleiben konnte, ist mir ein Rätsel. Ist Ihnen etwas aufgefallen?", fragt mich Dr. Merzinger. "Er wurde sehr oft sehr aggressiv, handgreiflich und wenn es ganz schlimm wurde, hat er es vergessen. Einmal hatte er einen Art Anfall, wo sein Hinterkopf stark geschmerzt hat und sein linker Arm angefangen hat zu zittern. Can hat seit seinem Autounfall Einschränkungen der Motorik im Rücken, der linken Augenbraue und des linken Armes, den er nur bis zu einem bestimmten Winkel anheben kann, ohne dass er anfängt zu zittern." Ich atme tief durch und bete, dass ich nichts vergessen habe.

Ich müsste doch etwas ruhiger sein, weil ich doch schon wusste, was Can hat und theoretisch gesehen schon die ganze Zeit mit einem Mann lebe, der einen Tumor im Kopf hat. Ob er einen benignen, semibenignen, semimalignen oder gar malignen Tumor hat, weiß ich noch nicht. Wie genau liegt er? Wo genau drückt er drauf? Würde sein Tremor verschwinden, wenn der Tumor verschwindet? Er muss dann irgendwo drücken, wo die Motorik gesteuert wird. Mein Kopf dröhnt gerade, weil ich mein ganzes Wissen heraushole und versuche die passenden Verbindungen zu finden, aber es sind so viele. Ich warte, bis fünfzehn Minuten vergangen sind, woraufhin das MRT vorbei ist. Ich kann die Bilder nicht ganz lesen, aber ich sehe den Tumor. Er ist nicht klein. "Ich würde die nächsten Tage gerne einige Untersuchungen mit Can machen und mit dem Befund beginnen. Es wundert mich, dass der Tumor so lange unentdeckt blieb." Das wundert mich auch. Als Dr. Merzinger alleine mit Can redet, rufe ich Ramazan an. Ich muss es ihm erzählen, sonst platze ich!

"Ja?" Er hört sich gut gelaunt an. Ich höre, wie Meryem mich im Hintergrund begrüßt.

"Ramazan", flüstere ich. Mir steigen die Tränen auf.

"Shana, was ist los?" Sofort wirkt er ernst.

"Tumor. Can hat einen Tumor, keine Dissoziation. Ich wusste es, Tumor!", rufe ich am Ende aus. Ich zittere. Mein Mann hat einen Tumor.

"Wie? Wird er gerade operiert? Geht es ihm gut?" Ich atme tief durch und wische mir die Tränen weg.

"Nein, wir haben gerade ein MRT-," Ich breche ab und halte mir die Hände vor die Augen.

"Shana, sollen wir kommen?"

"Ich muss gucken, ob Can über Nacht hierbleiben muss. Ich rufe dich gleich zurück." Ohne auf Ramazans Antwort zu warten, lege ich auf und fahre mir durch mein Haar. Wenn das Cans Mutter erfährt oder sein Vater. Selbst meine Mutter wird nicht mehr schlafen können.

Ich laufe hin und her, das Gespräch kommt mir wie eine Stunde vor. Ich dachte, dass bald das Gute kommt! Ist es das Gute, dass wir endlich wissen, was Can hat? Kann man es schnell kurieren? Ich bete, dass es ihm wieder besser gehen wird. Als die Tür aufgeht, drehe ich mich sofort zu ihm. Er wirkt geschockt. Bemitleidend schaut mich Dr. Merzinger an und geht den Gang runter. "Can", wimmere ich und schmeiße mich in seine Arme. "Alles gut", flüstert er. Ich fange an zu weinen und drücke mein Gesicht gegen seine Brust. "Hey, nicht weinen", versucht Can mich zu beruhigen. "Ich wusste es, Can. Ich wusste es und-, ich-, nein, ich kann nicht anders." Schon fast hysterisch greife ich nach seinem Gesicht und drücke ihm meine Lippen auf. Ich atme hektisch. Can ist ruhig und will mich ebenfalls beruhigen. Gott, wie soll ich heute schlafen? "Ich werde in spätestens einer Woche den Befund kriegen. Komm, lass uns gehen." Ich kriege einen Kuss auf die Stirn. Meine Tränen wischt mir Can weg, ehe wir auf unsere Station zurückgehen und uns umziehen. Mein Kopf beginnt zu schmerzen und sich zu drehen, als wir im Auto sitzen. Er hat einen Tumor und trotz der Vorahnung und ganz vielen Informationen weiß ich nicht, um was für einen Tumor es sich genau handelt. "Shana, bitte sei nicht traurig." Can nimmt meine Hand und drückt sie. "Wie, Can? Wie soll ich nicht traurig sein? Wie willst du das deinen Eltern erklären? Ich will mit Shevin reden, wegen der Hure von Neurologin." Wütend wische ich mir über meine Augen und seufze. "Meine Eltern werden es nicht erfahren. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen, vor allem will ich nicht, dass mein Vater sich belastet. Es soll niemand erfahren." "Ich habe schon Ramazan angerufen", schniefe ich.

AkzeptanzWhere stories live. Discover now