Kapitel 6

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Ell Henderson - Yours

Montag, 8. Juli

Es ist nichts im Raum, alles ist schwarz. Schwarz, wie Cans Rose, schwarz wie mein Inneres. Wie lange geht das so weiter? Can ist die Tage nicht mehr zu mir gekommen - sehr zu meinem Bedauern. Es klopft an meiner Tür, keiner ist zuhause. Ist er es wieder? Hoffnungsvoll öffne ich die Tür. Seine Augen so träge, trauernd und rot, wie sonst auch. Er schaut mich emotionslos an, hebt seine Hand an, in der eine schwarze Waffe ist. Kurz darauf folgt ein Schuss, weswegen ich die Augen aufreiße und mich aufrecht hinsetze. Mein Herz pocht. Gott, was war das? Mein Atem ist leicht zittrig. Wieso träume ich so etwas? Ich schaue kurz zu Shelly und dann auf mein Handy. 03:03 Uhr. C ist der dritte Buchstabe des Alphabets und ironischer Weise stehe ich da immer auf. Seufzend fahre ich mir über mein Gesicht und reflektiere den kurzen Traum. Der Schuss lässt mich zusammenzucken. Macht er wirklich diesen Waffenschein? Würde er wirklich das machen, was er in meinem Traum getan hat? Ich blinzele die Tränen weg und gehe in die Küche, wo ich im Dunkeln zwei Gläser Wasser trinke. Dieser Traum ist nervenaufreibend. Wieso träume ich so etwas? Das muss doch etwas bedeuten? Aber Träume können auch unbewusste Gedanken sein, wie bei meinem Traum, als ich schwanger war. Aber, ob ich schwanger werden will? Wenn dann nur von Can, und das war dann wohl auch der ausschlaggebende Punkt, wieso Can in meinem Traum damals war. Sonst vergesse ich meine Träume immer, aber diese hier nicht. Ich zucke zusammen, als ich etwas Knarren höre. Mir läuft es kalt den Rücken runter und ich bereue es, das Licht nicht angemacht zu haben. Schnell gehe ich ins Zimmer zurück und lege mich ins Bett, kuschele mich an Cans T-Shirt ran und versuche nicht wieder in Tränen auszubrechen, wenn ich an Can denken muss.

Es ist herzzerbrechend, wie wir auseinandergegangen sind. Dabei waren wir doch so glücklich. Wir haben und so gut wie gar nicht mehr gestritten, alles war gut, perfekt, fabelhaft. Wir haben übers Heiraten nachgedacht, wurden uns versprochen und dann wurden wir auseinandergerissen. Wir sind hochgeflogen, waren im Paradies, voller weicher und rosa Wolken und dann wurden wir auf den Boden geschmettert und zerstört - getötet. Das Erinnert mich an die Geschichte von Ikarus. Ich nenne unsere jetzige Lage den Ikarus-Effekt oder das Ikarus-Phänomen. Das ist echt deprimierend. Meinem Herzen geht es besser, aber trotzdem schmerzt es. Verdammt, es war doch alles so gut! Ich darf aber auch nicht zu lange in Desperation ertrinken, ich muss kämpfen! Auch, wenn ich es noch nie getan habe und Can mich schon sitzengelassen hat, als er weggerannt ist, darf ich mich nicht von meinem pessimistischen Habitus tangieren lassen. Aber er ist so stark... verdammt! Was würde passieren, wenn ich zu Can gehen würde und mich einfach neben sein Bett stellen würde? Das wäre komisch und vielleicht verstörend. Ich höre Schritte und Ranjas leise Stimme. Als sich meine Tür öffnet, erschrecke ich mich, obwohl ich weiß, dass es sich um Ranja handelt. Ich sehe ihr lächeln im schwachen Licht. Sie hält sich ihr Handy ans Ohr, fällt mir jetzt auf. "Möchtest du etwas essen?" Ich verneine es, und sie schließt die Tür wieder. Danach höre ich sie leise murmeln. Anscheinend telefoniert sie mit Nadim. Aber um diese Uhrzeit? Das ist untypisch für sie. Ich wälze mich hin und her, als mein Handy vibriert und mein Herz schneller schlägt.

"Du sollst schlafen!", blafft Can in der Aufnahme, was mich zusammenzucken lässt. Die nächste Aufnahme folgt.

"Zerstörerin, du bist eine Zerstörerin!" Im Hintergrund höre ich andere Jungenstimmen. Can ist wieder betrunken. Seine Worte tun mir weh. Ich habe doch gar nichts getan?

'Komm und lass uns darüber reden, Can', schreibe ich verzweifelt.

'Nein, du hast alles kaputt gemacht.' Ich werde wütend, so verzweifelt ich auch bin.

'Du bist wirklich dämlich, Can.' Vielleicht ist er ja so wütend, dass er dann hier hinkommt und wir dann diskutieren könnten. Aber er würde nicht zuschlagen, oder? Gerade kommen mir schlechte Gedanken hoch. Can ruft an. zitternd nehme ich an.

AkzeptanzOù les histoires vivent. Découvrez maintenant