Kapitel 84 - Der Eine Tag (1)

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Es war soweit. Nur noch eine halbe Stunde, dann würde die Zeremonie losgehen. Rachel und ich befanden uns in dem Hotel direkt an der großen Wiese, auf der meine Hochzeit stattfinden würde.

Ich stand vor dem Spiegel, betrachtete mich. Mein Kleid war rein weiß, bodenlang. Es hatte einen Herzausschnitt, am Brustteil war es besetzt mit silbernen Strasssteinen, im Abstand von ein paar Zentimetern. Es ging nach unten hin in die Breite, jedoch nicht übertrieben.

Meine Haare waren gelockt, die vordersten Strähnen nach hinten geflochten. Mein Gesicht war von Tammy geschminkt worden. Dezenter rosa Lidschatten, Mascara und rosa Lippenstift. An meinem Handgelenk hingen genau über meinen C-Tattoo das Babe-Armband und ein schlichtes, silbernes Armband, das Dad mir am Vortag geschenkt hatte.

Er hatte mir gesagt, Mum hätte es für meinen sechzehnten Geburtstag gekauft, nur kurz vor dem Unfall. Er wollte es mir erst an diesem besonderen Tag geben.

Mein Herz klopfte wie wild, drohte rauszuspringen. Meine Finger zitterten, mein Magen kribbelte nervös. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass ich das tun wollte. Aber ich war aufgeregt. Aufgeregt davor, wie glücklich ich sein würde.

Rachel strich mir behutsam über die Wange. „Es ist richtig" flüsterte sie und sah mich von der Seite an. „Ich liebe ihn" gab ich zurück und lächelte mir im Spiegel zu. „Und er liebt dich." Mit diesen Worten drückte sie mir einen Schmatz auf die Wange und ging aus der Tür, nur um meinen Dad, der nun reinkam, mit mir alleine zu lassen.

Sobald er mich sah, hatte er Tränen in den Augen. „Meine Kleine" hauchte er und zog mich in seine Arme. „Ich bin so stolz auf dich. Deine Mutter wäre es auch. Sie ist heute ganz bei dir" lächelte er in meine Haare und strich über meinen Rücken.

Mein Magen drehte sich um, mir wurde schwindelig. Wie oft hatte ich geweint, weil sie nie bei meiner Hochzeit dabei sein würde? Und heute fühlte es sich an, als wäre sie hier. „Denkst du, sie hätte Cole gemocht?" flüsterte ich in sein weißes Hemd. Er hielt mich auf eine Armlänge Abstand und sah mir in die Augen. „Sie hätte ihn ab dem Moment gemocht, wo sie das Strahlen in deinen Augen gesehen hätte, wenn du bei ihm bist."

Ich kuschelte mich an seine Schulter und bedankte mich für alles. Es war doch komisch; mir war so etwas Großes genommen worden, aber nur dadurch war mir das gegeben worden, was ich am meisten gebraucht hatte. Wäre meine Mum nicht gestorben, hätte ich Cole wohl nie kennengelernt. Und vielleicht hatte es etwas Gutes. Vielleicht brauchte man Rückschläge um richtig glücklich zu werden.

„Sie ist heute ganz bei dir, mein Engel" Dad strich mir über die Wange und blinzelte die Tränen aus seinen Augen. „Danke, Dad. Wir sehen uns am Altar" lächelte ich. Mein Dad würde mich nicht zum Altar führen, nein. Coles Dad würde das tun. Damit auch die letzte Sache, die ihn beschäftigt hatte, aus dem Weg geräumt war. Niemand wusste davon, außer Dad und mir. Ich hoffte, meine Überraschung würde gelingen.

Tammy und die Jungs betraten als letztes mein Zimmer. Sie stellten sich im Halbkreis auf und starrten mich von oben bis unten an. „Cole wird mich umbringen, wenn er das hört, aber du siehst atemberaubend aus" hauchte Tony. Alex und Nick nickten, Adam lächelte irgendwie zufrieden.

Es war, als würde genau in diesem Moment alles gut sein; in diesem kurzen Augenblick, in dem sie mich alle ansahen, alle lächelten, schien es, als wären all unsere Sorgen der letzten Monate wie verschwunden. Als wäre alles gut geworden.

Adam legte seinen Arm um Tammys Taille und zog sie an sich. Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange, was sie zum Grinsen brachte. „Leute, ich bin normalerweise der Letzte, der sowas sagt. Aber es muss raus. Kommt mal alle her" Alex streckte seine Arme aus, sodass wir in einer Gruppenumarmung endeten.

„Ich denke, mit Coles und Hailees Hochzeit endet alles. Meine Eltern haben sich endlich scheiden gelassen. Alex' Ex hat nach einem halben Jahr in dem sie ‚schwanger' war, immer noch keinen Babybauch. Nick hat genügend Mädchen für die nächsten drei Jahre am Start und Tammy und Adam haben endlich alles geklärt. Außerdem ist Chris endlich im Gefängnis; meine Mum und Alex' Schwester sind endlich nicht mehr in Gefahr. Ich denke, das war's. Ich denke, wir haben es überstanden. Zusammen." Tony hatte Tränen in den Augen, als er in die Runde sah. Und er hatte Recht. Es fühlte sich an, als wären wir alle angekommen.

Wir umarmten uns noch eine Zeit lang, dann zogen sie weiter zu Cole. Ich währenddessen versuchte, meine Nervosität in den Griff zu bekommen, meine Bauchschmerzen zu zügeln. Ich würde heiraten. Ich würde Mrs. O'Neill heißen. Verdammt, und wie ich das würde.

Rachel klopfte an meiner Tür, ich strich mein Kleid ein letztes Mal glatt, teilte meine Haare ein letztes Mal zwischen vor- und hinter der Schulter ab. Ein letztes Mal atmete ich ein, dann schritt ich aus der Tür.

„Es ist alles fertig. Cole wartet am Altar." Lächelte sie. Ich nickte dankbar und schon war sie verschwunden. Ich stand hinter einer kleinen Mauer, die mich vor den Gästen versteckte. Gleich dahinter befand sich die Wiese, wo die Feier stattfand.

„Hailee?" eine tiefe Stimme ließ mich umdrehen. Er war es. Er sah genau aus wie Cole. Dunkle Haare, markantes Gesicht. Ein Drei-Tage-Bart, Tattoos an den Armen. Er trug ein schwarzes Hemd mit einer schwarzen Hose, seine Haare waren nach hinten gelegt. Das Braun seiner Augen stach sich in meine, ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen.

„Ethan Rogers. Coles Vater." Er streckte mir die kräftige Hand hin, die ich sofort entgegennahm. „Hailee O'Donell. Coles Verlobte." Ich sah ihm in den Augen an, dass er sich freute. Dass er das Beste für seinen Sohn wollte.

Er hielt mir den Arm hin, als die Musik der Lifeband ertönte, die 'Fix you' von Coldplay spielte. Es war unser Song, denn wir würden einander immer wieder zusammensetzen, egal wie gebrochen wir auch sein würden.

Call me BabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt