Kapitel 61 - Ich habe aufgegeben

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, brummte mein Kopf. Es war wie ein Kater, nur eben nicht von Alkohol, sondern von den Gefühlen. Ich zog mir die Decke über den Kopf und brummte genervt.

Gerade, als ich fast wieder eingedöst ware, riss jemand meine Tür auf. Ich blinzelte böse über die Decke hinaus und Cole stand mit einem Muffin in der Hand und belustigt grinsend in meiner Tür. „Raus aus den Federn, ich hab Geburtstag." „Du hattest deine Party." Grummelte ich verschlafen und zog die Decke wieder über meinen Kopf.

Wie erwartet zog er mir die Decke runter und lachte los. „Seit wann trägst du mehr als Unterwäsche im Bett?" er sah belustigt an mir herunter. Meine grauen Shorts und das weiße Shirt dazu hatte ich früher nur selten getragen.

„Seitdem mein Bett verdammt leer ist." Murmelte ich und wich seinem Blick aus. Toll, die Stimmung war kaputt. „Ironisch, weil ich mich erinnere, dass du gestern Nacht eine Einladung in das Bett im gegenüberliegenden Zimmer bekommen hast." Meinte er und legte den Kopf schief. Er konnte sich tatsächlich noch erinnern? Er war doch sturzbesoffen.

„Lass es einfach sein, Cole." Meinte ich und zog mir meine Decke wieder über mich. „Ich wollte nicht..." begann er zu stammeln, doch ich schnitt ihm das Wort ab. „Schon gut, es ist dein Geburtstag, lass uns heute nicht streiten." Meinte ich und tippte mir der Handfläche auf den freien Platz neben mir im Bett.

Er schloss die Tür und legte sich neben mich, an die Decke starrend. Als keiner von uns etwas sagte, schnappte ich mir seinen Muffin und biss ab. „Hey, mein Geburtstag, mein Muffin." Schmollte er und ich musste lachen. „Tja, dann musst du eben mehr um das kämpfen, was dir gehört." Lachte ich, doch als mir bewusst wurde, was ich da gesagt hatte, schlug ich mir die Hand auf den Mund.

„Das war auf den Muffin bezogen." Versuchte ich, die Situation zu retten, als ich seinen verletzten Gesichtsausdruck sah. Er schnappte sich den Muffin und biss ab, während er weiter an die Decke starrte.

Ich drehte mich auf den Bauch und sah zu ihm. „Du weißt, dass du immer genug gekämpft hast." Meinte ich halblaut und er schluckte. „Nein." Flüsterte er und schloss die Augen. „Mehr als jeder andere, Cole." Ich ließ meinen Blick nicht von ihm schweifen.

„Ich habe aufgegeben, Hailee." Dieser Satz stach mir ins Herz. Er hatte uns aufgegeben, und was wir waren. Tränen stiegen mir in die Augen, ich hoffte, dass er sie nicht sehen würde und stand rasch auf. So schnell es ging rannte ich aus dem Zimmer ins Bad.

Ich versuchte, mein Gehirn auf stumm zu stellen. Nicht zu hören, was es mir entgegenrief. Dass es aus war, dass er uns aufgegeben hatte, einzig und allein wegen seinen Selbstzweifeln. Und dass ich – war ich doch normalerweise die einzige Person, die in beeinflussen konnte – rein gar nichts dagegen tun konnte. Dass er nicht sah, wie sehr ich ihn wollte und nur ihn. Und dass ich ihn auch aufgeben musste.

Ich weinte nicht, die Tränen standen zwar in meinen Augen, aber sie kamen nicht meine Wangen hinab, das ließ ich nicht zu. Ich hatte in den letzten Wochen zu oft geweint, zu oft denselben zerfressenden Schmerz gefühlt, ich konnte nicht mehr. Es war, als wäre ich gelähmt, ich setzte mich an den Boden, an die Tür gelehnt und starrte die weiße Fliesenwand an.

Egal, weshalb wir gestritten hatten - ob es wegen Marcus, Mandy, unserer Sturheit oder Missverständnissen war - niemals hatten wir aufgegeben. Weder ich, noch Cole. Doch diesmal war er es, der uns gehen ließ. Der uns aufgab.

Ich saß ungefähr eine halbe Stunde nur so da und die prägendsten Momente meines Lebens liefen vor meinem inneren Auge vorbei. Wie ich als Kind den Bus auf mich zurasen sah, der mich angefahren hatte. Wie Dad und ich die Nachricht bekamen, dass Mum einen Unfall hatte und kurz darauf, dass sie tot war. Wie Kyle mich damals in Fesseln an sein Bett gekettet liegen lassen hatte. Wie Dad mir von seiner neuen Freundin Rachel erzählt hatte und dass wir bald umziehen würden.

Call me BabeDonde viven las historias. Descúbrelo ahora