1. Das Mädchen das sich nie verliebt

1.4K 58 32
                                    

„Wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass du dich umsonst bemühst?" Ich starre Kai wütend an und stemme die Hände in die Seiten. Ich kann es nicht glauben, dass er mich schon wieder gefragt hat, ob ich mit ihm ausgehen will.

Naja, er lernts wohl nicht mehr.

Er verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich herausfordernd an. „Ich werde nicht aufhören, dich zu fragen, bis du ja sagst."

Ich habe schon ernsthaft darüber nachgedacht, ein einziges Mal ja zu sagen, nur damit er aufhört, mich zu nerven.

Seufzend wende ich mich ab. „Gibs auf, Kai. Ich bin nicht in dich verliebt. Und ich habe auch nicht vor, mich in dich zu verlieben."

„Aber in wen dann?", fragt er.

„In niemanden."

Nya, die uns aus sicherer Entfernung zugehört hat, runzelt die Stirn und kommt näher. „Du meinst es also ernst, Leyla? Du willst dich niemals verlieben?"

Ich sehe sie herausfordernd an. „Klar! Zweifelst du etwa daran?"

„Naja..."

Aber ich unterbreche Nya. „Ich MEINE es ernst. Ich meine, ich habe wichtigeres zu tun, als Jungs hinterher zu laufen, die es eh nicht wert sind."

„Aber vielleicht gibt es da draußen ja jemanden, der es wert ist..."

„Nein.", sage ich bestimmt.

„Wie kannst du dir da so sicher sein, Leyla? Ich meine, nur mal angenommen, was erwartest du denn von jemandem, der für dich in Frage käme?"

Ich verdrehe genervt die Augen „Habt ihr kein anderes Thema?"

Doch Nya lässt nicht locker. „Beantworte mir diese Frage und ich lass dich für den Rest des Tages damit in Ruhe, versprochen."

Ich ziehe eine Augenbraue hoch, wegen dem für den Rest des Tages, seufze aber dann doch ergeben.

Inzwischen sind die anderen ebenfalls dazu gekommen. Sogar Onkel Wu. Haben die nichts Besseres zu tun?

Ich sehe Nya an. „Also du willst eine Art Checkliste, nicht wahr?" Ich tue so, als würde ich überlegen. Dabei habe ich mir im Kopf schon längst eine Checkliste überlegt. Deswegen weiß ich auch so sicher, dass ich mich niemals verlieben werde, denn einen Jungen, auf den meine Liste komplett zutrifft, gibt es nicht. Das ist so sicher wie die Tatsache, dass ich niemals mit Kai ausgehen werde.

Aber das würde ich niemals zugeben.

„Okay", beginne ich. „Punkt 1, der allerwichtigste und gleichzeitig unrealistischste, er sollte mir im Kampf ebenbürtig sein, sowohl mit Waffen als auch mit Worten. Ich will keinen, dem ich in allem überlegen bin! Punkt 2, er sollte besondere Fähigkeiten haben, die ich nicht besitze. Wie eure Elementkräfte, zum Beispiel. Punkt 3, er sollte mit mir auf einer Wellenlänge sein, ich sollte mit ihm über alles reden können, er sollte mich verstehen und ich ihn. Und Punkt 4, ich will auf gar keinem Fall jemanden, der hässlich ist wie die Nacht. Er muss kein Model sein, aber zumindest durchschnitt."

Einen Moment ist die kleine Versammlung um mich herum sprachlos, dann meint Nya „Okay, es gibt WIRKLICH keinen Typen auf den DAS ALLES zutrifft. Allein am ersten Punkt scheitert so ziemlich jeder den ich kenne."

Ich zucke mit den Schultern. „Ich weiß. Deshalb werde ich mich auch nie verlieben."

Es ist inzwischen spät, so um die Mitternacht herum. Aber ich sitze immer noch im Zimmer der Jungs und wir reden über alles Mögliche. Wie jeden Abend eben.

Wir tragen alle schon unsere Schlafanzüge und sitzen auf den Betten. Ich habe mir einen Stuhl herangezogen.

Es ist eigentlich ziemlich nett, bis die Jungs auf meine Liste von heute Vormittag zu sprechen kommen.

„Leyla, Leyla, du stellst vielleicht Bedingungen...", meint Cole.

„Ja, damit hast du uns allen auf einmal einen Korb verpasst. Keiner von uns erfüllt Punkt eins!", lacht Jay.

„Also ich finde ihre Bedingungen eigentlich durchaus berechtigt...", findet Zane.

Nur Kai schweigt. Er ist wohl immer noch beleidigt wegen der Absage von heute Vormittag.

„Hey, Jungs hab ihr nicht gesagt ihr lasst mich für heute mit dem Thema in Ruhe?", frage ich genervt.

„NEIN das war Nya...", erklärt Jay und lacht. „Wir haben GARNICHTS versprochen..."

„Man, ihr seid fies..." Ich verschränke trotzig die Hände vor der Brust und schaue weg. Sie lachen über meinen gespielten Trotz und kurz darauf muss ich einstimmen. Es ist einfach schön, Freunde zu haben, mit denen man Quatsch ohne Ende machen kann und die immer für einen da sind, egal was man braucht. Als ich ihnen das sage, stimmen sie mir zu.

„Ich würde euch für nichts auf der Welt hergeben, Leute.", seufze ich.

„Wir dich aber auch nicht!", meint Jay und zwinkert mir zu.

„Man, seid doch nicht albern. Ich meine, JEDER hat Freunde...", mischt sich Kai nun doch ein. Klappe halten ist eben nicht seine Stärke...

Zane schüttelt bestimmt den Kopf. „Nein Kai, du irrst dich. Es gibt viele Menschen, die keine Freunde haben."

„Ja, aber die haben es sich nur selbst zuzuschreiben.", meint Kai.

„Jetzt hör aber mal auf!", rufe ich ärgerlich. „Nur weil jemand keine Freunde hat, ist das noch lange nicht dessen schuld! Ich finde, jeder, der niemanden hat, auf den er sich verlassen kann, verdient unser Mitgefühl. Sogar, wenn er es sich wirklich sich selbst zuzuschreiben hat."

Die anderen nicken und pflichten mir bei, nur Kai verdreht die Augen.

„So, das bedeutet also, du wirst dich auf die Suche nach einem Typen machen, der deine Liste erfüllt?", fragt Cole nach einer Weile.

Doch ich schüttle entschieden den Kopf. „Cole, es GIBT niemanden, der meine Liste erfüllt! Die Wahrscheinlichkeit, so jemanden zu treffen, ist so hoch, wie die, dass ich mal mit Kai ausgehe."

Wir lachen einstimmig, sogar Kai. Naja ein bisschen. Dann reißt Sensei Wu die Tür auf. „Ach, ihr seid IMMER NOCH wach? Abmarsch ins Bett! Habt ihr vergessen, dass morgen Montag ist und somit Sonnenaufgangstraining ansteht? Leyla, du solltest längst in deinem Zimmer sein. BEEILUNG!"

Ich stehe seufzend auf. „Also gut Jungs, schlaft gut."

Damit mache ich mich auf, zwei Türen weiter in das Zimmer zu gehen, das Nya und ich bewohnen.

Ich wünsche meiner Zimmergenossin, die noch wach ist und offenbar auf mich gewartet hat, eine gute Nacht, dann drehen wir das Licht ab.

Es gibt niemanden, der meine Bedingungen erfüllt, sage ich mir. Aber das Schicksal hat mich später doch eines Besseren belehrt. Ich treffe tatsächlich auf jemanden, der jeden einzelnen Punkt erfüllt.

Aber wenn dieser jemand dann noch ein böser Geist ist, der deinen Körper in Besitz nimmt und jemand, vor dem dich alle deine Freunde warnen, wird alles richtig kompliziert. Das muss ich schon bald auf ziemlich schmerzliche Art erfahren.


The Girl who never falls and the Ghost who never feelsWhere stories live. Discover now