18. Der Kampf der Lüfte

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Als ich mein Zimmer verlasse, pünktlich zur zweiten Runde, ist die Kampfarena verschwunden. Morro sitzt am Boden und scheint auf mich gewartet zu haben, denn er steht auf als er mich sieht.

„Wo kämpfen wir diesmal?", frage ich.

Er lächelt. „Wir haben doch ausgemacht, der Gewinner der letzten Runde darf sich den Ort aussuchen. Und der Gewinner bin ich."

Er dreht sich von mir weg. „Und ich habe mich für das hier entschieden..."

Der Raum in dem wir uns befinden verschwindet. Wir befinden uns draußen, am Ufer eines großen Flusses, in den in einiger Entfernung ein Wasserfall mündet.

Die Gischt, die vom Wasserfall erzeugt wird, spritzt teilweise bis zu uns hinüber und es ist ziemlich nebelig.

Ich frage mich, wo wir kämpfen sollen, als ich ein paar ziemlich regelmäßig aus dem Wasser schauende, glatte Steinpfähle sehe. Sie sind kreisförmig angeordnet und flach. Jeder hat einen unterschiedlichen Durchmesser, manche sind nicht breiter als fünf Zentimeter, manche sind riesig, mindestens einen Meter im Durchmesser.

Die Abstände zwischen ihnen sind genauso verschieden, sie reichen von zehn Zentimetern bis zu zwei Metern.

Auch sind die Pflöcke unterschiedlich hoch. Manche von ihnen liegen dicht über der Wasseroberfläche während andere mehrere Meter in die Luft ragen.

Sofort sehe ich den Grund, warum Morro diese Landschaft ausgewählt hat. Es gibt keinen besseren Ort für Windkräfte als diese Pfähle.

Aber ich werde wohl auch nicht ganz so hilflos sein, wie er das vermutlich erwartet hat. Ich bin gut, was Gleichgewicht angeht und außerdem bin ich kleiner und leichter als er.

Ich muss mir jetzt schon, bevor der Kampf beginnt, eine Strategie zulegen. Ich darf mich nicht wieder von Morro überrumpeln lassen.

Ich schaue nach oben und sehe dieselben beiden Tafeln wie vorhin, nur dass jetzt auf der Wettkampftafel 1:0 für Morro steht und die Punktetafel mit 0:0 wieder auf Anfang gestellt wurde.

Ich lächle. „Schön ist es hier. Du hast dir einen guten Ort ausgesucht."

Er lächelt. „Ich weiß. Und, wollen wir anfangen?"

Ich nicke. Morro zeigt auf die beiden größten Pfeiler. „Das sind die Ausgangspositionen. Ach ja, und der Gegner erzielt in dieser Runde einen Punkt, wenn du das Wasser berührst."

War ja klar, denke ich mir, während ich Morro dabei zusehe, wie er leichtfüßig von einem Pfahl zum anderen springt und auf seinem Startposten stehen bleibt.

Er dreht sich zu mir um.

Ich versuche, genauso elegant auszusehen, während ich zu meiner Startposition laufe, oder besser springe. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, aber ich bin zumindest nicht ausgerutscht und hingefallen.

Während diesem ersten Vorgeschmack merke ich, dass es viel leichter ist, sich auf den Pfählen fortzubewegen, als ich dachte.

Ich habe eine Chance.

Als der Gong ertönt, bin ich vorbereitet auf die Windpeitsche, die er mir schickt und springe in die Luft um ihr auszuweichen.

Ich lande sicher auf dem nächsten Pfeiler und merke, dass ich den Nachteil habe, ihn nicht aus der Ferne angreifen zu können. Meine Energiekugeln haben eine sehr begrenzte Reichweite.

Doch Morro tut mir den Gefallen, näher zu kommen. Er scheint sich auf diesen Pfählen richtig wohl zu fühlen. Mit ein paar Sprüngen und einem Rad, durch das er sich auf einen der dünneren Pfähle schwingt, kommt er in Reichweite.

Ich sehe, dass er ausholt, um eine weitere Windpeitsche nach mir zu werfen und will ihm zuvor kommen, aber als ich, der Windpeitsche ausweichend, in die Luft auf ihn zu springe, um meinen Angriff zu starten, holt er aus und versetzt mir einen seitlichen Kick, durch den ich aus der Bahn geschleudert werde.

Mit einem Platschen lande ich im Wasser.

Ich höre gerade noch das „Pling" der Punktetafel, bevor ich untertauche. Wenige Sekunden später tauche ich prustend wieder auf und klettere auf einen der niedrigen Pfähle.

Ich sehe Morro, der nur ein paar Pfähle weiter steht und mich gerade mit einem Windstoß erneut ins Wasser befördern will, aber den Gefallen tue ich ihm nicht.

Diesmal schlage ich ein Rad, um mich vor dem Windstoß in Sicherheit zu bringen und ehe er sich versieht schlage ich zu.

Ich merke, dass es diesmal wesentlich weniger Kraft kostet, ihn ins Wasser zu stoßen, noch ein Vorteil für mich.

Diesmal hat er keine Chance, sich zu retten, er landet im Wasser. Ich höre das „Pling" erneut, aber diesmal für mich.

Schnell springe ich ein paar Pfähle weg, um nicht dort zu stehen, wo er mich erwartet.

Als Morro wieder auf einem Pflock steht, greife ich an. Ich stehe nah genug, ihm eine meiner Energiekugeln entgegen zu schleudern. Er duckt sich aber ich bin schon wieder in Reichweite und versetze ihm einen Schlag, als er noch damit beschäftigt ist, meiner Kugel auszuweichen.

Morro landet erneut im Wasser.

So geht es die ganze Runde hindurch ziemlich ebenbürtig. In dieser Runde ist es um einiges leichter, den anderen ins Wasser zu werfen, also schießen die Punkte in die Höhe. Als nur noch vier Minuten übrig sind, steht es 34:34.

Ich bin eben wieder ins Wasser gefallen und überlege krampfhaft, wie ich ihn noch schlagen kann. Da fällt mir etwas ein. Ich klettere auf einen der höheren und schmäleren Pfähle, aber ich betrete ihn nicht.

Ich klammere mich am Pfeiler fest und bin dankbar für den Nebel, der mich vor Morros Augen verbirgt, der jetzt in meine Nähe kommt. Ganz offensichtlich sucht er mich.

Er wirkt konzentriert und schleicht von Pfeiler zu Pfeiler, ich hoffe inständig, dass er in meine Nähe kommt, bevor der Nebel sich verzieht.

Tatsächlich betritt er kurz darauf einen Pflock, der direkt neben mir steht. Ich sehe ihn an. Er steht sicher aber mit etwas Glück könnte das funktionieren.

Alles, was ich brauche, ist der Überraschungseffekt, ein bisschen Kraft und ein bisschen Glück. Ich hole tief Luft, wohl wissend, dass das meine einzige Chance ist.

Ich sehe kurz auf die Uhr, noch eine knappe Minute.

Dann springe ich.

Überrascht schreit Morro auf, als ich plötzlich an seinem Bein hänge. Er hat keine Chance, stehen zu bleiben. Mit einem lauten Klatschen fällt er ins Wasser.

Aber ich muss all meine Kraft zusammen nehmen um nicht ebenfalls mitgerissen zu werden. Schließlich schaffe ich es aber doch, mich am Rand des Pfeilers festzuklammern.

Nur noch ein paar Sekunden, dann erklingt der Gong.

Erleichtert lasse ich mich fallen. Meine Arme hätten das nicht mehr länger ausgehalten.

Als ich wieder auftauche, sehe ich auf die Punktetafel. 35:34.

Ich habe gewonnen.


The Girl who never falls and the Ghost who never feelsTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang