34. Stärker als du

569 37 12
                                    

Im ersten Moment stehe ich wie versteinert da und weiß nicht, was ich tun soll. Meine Freunde machen sich bereit, es mit den Geistern aufzunehmen – die bei näherer Betrachtung weniger sind, als mir zunächst erschienen ist. Sie haben sich nur in einer Reihe aufgestellt um den Eindruck zu erwecken, sie seien mehr.

In Wahrheit sehe ich jetzt, sind es kaum mehr als zwanzig oder fünfundzwanzig, die an Morros Seite bereit sind, uns für immer zu vernichten.

Um mich herum beginnt der Kampf, ich wehre einen nach dem anderen ab, verliere jedoch bald schon meine Freunde aus den Augen.

Ich spüre, wie mich von hinten ein harter Schlag trifft, sodass ich nach vorne stolpere, bis jemand meinen Fall abfängt. Ich muss nicht einmal nach oben sehen, um zu begreifen, wer das ist.

Ich will schon erleichtert aufatmen, als ich mit voller Wucht gegen auf den Boden fliege. Etwas – oder jemand – hat mich mindestens fünf Meter weit in die Luft geschleudert.

Benommen will ich mich aufrichten. Nach der harten Landung tut mir alles weh. Also ich nach oben sehe, bemerke ich Morro, der sich bereit macht, mir den nächsten Schlag zu verpassen. Im letzten Moment kann ich mich zur Seite rollen.

„Besser, du verabschiedest dich von deiner Tochter, Garmadon. Es besteht nämlich die Chance, dass du sie nicht wieder siehst!"

Ich muss an seine Worte denken und frage mich, ob er wirklich fähig ist mich zu töten. Nach allem, was ich gehört habe, bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Trotzdem ist er gefährlich, schießt es mir durch den Kopf. Ich muss hier weg, ich muss ihn abhängen, verlieren! Ich will nicht gegen ihn kämpfen! Nicht bis zum Tod!

Mit beinahe übermenschlicher Anstrengung rapple ich mich auf und laufe direkt durch die kämpfenden Geister durch. Ich achte nicht auf die Richtung.

Plötzlich stehe ich vor einem Tor. Einem Tor, das sich öffnen lässt. Mit einem Satz springe ich in das Gebäude und knalle die Tür hinter mir zu. Für einen Augenblick lehne ich mich gegen die Tür und verschnaufe, dann eile ich weiter.

Langsam wird mir klar, wo ich mich befinde – im Palast des Urbösen. Toll gemacht, denke ich. Da habe ich mir ja wirklich ein schönes Versteck ausgesucht.

Eine Minute später gelange ich in eine riesige Halle mit einer etwa fünf Meter hohen Decke und kunstvoll verzierten Säulen. Ehrfürchtig bleibe ich stehen und merke nicht, dass ich nicht allein bin.

„Da hast du dir aber wirklich einen extravaganten Zufluchtsort ausgewählt.", meint eine Stimme hinter mir und ich fahre herum.

Morro.

Er muss mir bis hier her gefolgt sein! Entschlossen sehe ich ihn an. „D-du weist, wie müssen das nicht tun!"

Er lacht. „Nein, du weist, wir müssen das tun."

Er hat Recht, wird mir klar. Er und ich, einer gegen einen, ein Kampf bis zum Ende. Ein Kampf, den nur einer von uns überleben wird.

Es lief alles darauf hinaus.

Aber ich will nicht. Ich will nicht gegen ihn kämpfen, nicht so. Tränen steigen mir in die Augen weil ich mich so furchtbar hilflos fühle. Hilflos unserem Schicksal ausgeliefert, dass genau das hier für uns vorgesehen hat.

„Es ist ein schöner Tag, nicht wahr? In Ninjago bricht jetzt der Sommer an. Vögel singen, Blumen blühen...."

Mein Herz hämmert heftig als ich seinen gefährlich entspannten Worten lausche.

„...an solchen Tagen sollten Mädchen wie du...", er macht kurz eine Pause und grinst. „...in der Hölle brennen!"

Dann, ohne Vorwarnung, greift er an.

Nie in meinem Leben habe ich verzweifelter gekämpft. Aber Morro scheint es zu genießen, ja, richtig Spaß daran zu haben. Als wäre es seine leichterste Übung, mich mal eben so zu besiegen.

Mit jedem Mal, dass ich gegen die Wand fliege, mit jedem Mal, wächst allerdings auch meine Entschlossenheit. Und Morro scheint immer genervter zu werden.

„Wann gibst du endlich auf?", schreit er mich an. „Wann gibst du auf?"

Doch ich antworte nicht. Niemals, will ich schreien aber es kommt kein Ton aus meinem Mund. Stattdessen kämpfe ich. Er weicht meinen Schlägen aus, immer und immer wieder. Mit einer verblüffenden Leichtigkeit pariert er jede meiner Attacken.

Es ist hoffnungslos, das sollte ich wissen. Aber ich gebe nicht auf. Nicht umsonst bin ich so weit gekommen.

Irgendwann kann ich nicht mehr. Erschöpft breche ich auf dem Boden zusammen.

„Warum?", schluchze ich. „Warum tun wir das? Ich verstehe das alles nicht! Kann es nicht einfach...", ich sehe ihn an, „nicht einfach wieder so sein wie früher?"

Morro sieht mich nicht an. „Du weist, dass das unmöglich ist...Es ist zu viel geschehen, um jemals wieder...." Er spricht nicht weiter aber ich weiß was er meint.

„Aber ich will das nicht!", rufe ich, Verzweiflung liegt in meiner Stimme.

Plötzlich merke ich, dass er sich vor mir hinkniet. Lange sehen wir uns an. „Ich auch nicht", gibt er schließlich zu. Ich sehe Tränen in seinen Augen und heule hemmungslos los.

Plötzlich spüre ich, wie er mich in den Arm nimmt. Ganz fest halte ich ihn, würde ihn am liebsten nicht mehr loslassen.

„Bitte...lass uns damit aufhören", flehe ich unter Schluchzern. Er schweigt.

Ich hebe meinen Kopf und küsse ihn, aus einer Eingebung heraus. Ich schmecke das Salz unserer beider Tränen auf meinen Lippen.

Schließlich ist er es, der sich von mir löst und erneut die Arme um mich legt. „Ist schon gut...", murmelt er.

„Ich...ich gebe auf", flüstere ich. „Für dich. Ich will dich nicht verletzen! Ich liebe dich..."

Ich kann spüren, dass er lächelt. „Ich weiß. Aber ich glaube....ich bin sowieso stärker als du."

Das nächste was ich wahrnehme ist ein stechender Schmerz in meiner Brust. Langsam sehe ich an mir herab.

Morros Messer, das, das er immer in seinem Stiefel trägt, mit dem er sich gegen den Mann im Gasthaus gewehrt hat, mit dem er mich schon bei den Eishöhlen bedroht hat, steckt tief in meiner Brust.

Ich sehe auf und er lächelt. Aber es ist ein trauriges Lächeln. „Ich liebe dich auch.", flüstert er.

The Girl who never falls and the Ghost who never feelsWhere stories live. Discover now