3. Gekettet an die eigene Fantasie

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Das erste, was ich bemerke, sind die Fesseln. Sie sind an meinen Handgelenken befestigt und ich hänge von der Wand eines mir völlig unbekannten und doch irgendwie seltsam vertrauten Raums.

Er ist komplett leer und mit irgendeinem weißen Belag ausgekleidet, der so hell ist, dass einem vom längeren Betrachten die Augen wehtun.

Was ist passiert? Wo bin ich hier? Die Erinnerung ist verschwommen und kehrt erst nach und nach zurück. Das Museum, der Stromausfall, der Geist...DER GEIST?

Was hat er mit mir gemacht? Ist er daran schuld, dass ich hier bin? Hat er nicht etwas davon gesagt, dass er meinen Körper besetzen will?

Panik kriecht mir den Rücken hinauf, aber dann fällt mir ein, dass ich ja immer noch ich bin. Zumindest fühlt es sich nicht anders an als sonst auch. Nur dieser Ort ist seltsam.

„Na, sind wir endlich aufgewacht?", reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken.

Mein Kopf zuckt hoch. Dort, an der gegenüberliegenden Wand steht er. Noch viel zu gut habe ich die Gestalt in Erinnerung behalten, die mir damit gedroht hat, meinen Körper zu stehlen.

„Was – was tust du hier? Und wo sind wir eigentlich?" Meine Stimme klingt nicht halb so unerschrocken wie ich das geplant hatte.

In dem hellen Licht, das von den Wänden des Raums auszugehen scheint, erkenne ich ihn besser. Jetzt merke ich auch, dass er anders aussieht, als vorhin im Museum. Irgendwie menschlicher, realer. Hätte ich ihn noch nie zuvor gesehen, wäre ich nie im Leben darauf gekommen, dass er ein Geist sein könnte.

Erst jetzt komme ich dazu, ihn näher zu betrachten. Er trägt immer noch seine Kapuze und den bodenlangen schwarzen Mantel. Am unteren Saum scheint er abgerissen worden zu sein, auch erkenne ich einige Löcher. Ansonsten trägt er ein hellbraunes Übergewand, das lange Ärmel hat und ein dunkelgrünes Hemd, das an der Taille mit mehreren Gürteln befestigt ist. Seine Hose und die Stiefel sind schwarz. An den Unterarmen trägt er graue fingerlose Handschuhe, die mit schwarzen Bändern zusammengehalten werden. Sein Gesicht ist unter der Kapuze nicht zu erkennen, aber ich kann sehen, dass seine Haut nicht mehr hellgrün ist, wie im Museum, sondern normal. Trotzdem ist er ungewöhnlich blass.

Jetzt lächelt er. „Willkommen in deiner eigenen Fantasie, Grüner Ninja. Schön, dass du nichts dagegen hattest, dass ich mal vorbeikomme."

„F-Fantasie? Was meinst du?" Ich starre ihn verwirrt an.

„Dieser Ort", er breitet die Arme aus und kommt auf mich zu, „ist nichts anderes als dein Gehirn – aber ich nenne ihn lieber Fantasie, weil das um einiges passender ist. Wenn man weiß wie, kann man hier alles erschaffen, was man sich nur vorstellen kann."

Er kommt noch näher und plötzlich verschwindet das Weiß der Wände. Ja selbst die Wände verschwinden, nur die, an die ich gefesselt bin bleibt zurück. Stattdessen wachsen um uns herum Mauern aus dicken Steinblöcken.

Und ehe ich mich versehe stehen wir in einem mittelalterlichen Kerker mit Handschellen und passenden Skeletten.

Ich muss mich zusammenreißen, um nicht überrascht aufzuschreien.

„Gefällt es dir hier nicht? Ich kenne da noch was anderes...", meint der Geist und der Kerker verschwindet, wie eben der weiße Raum. Stattdessen befinden wir uns auf einmal in einem Zimmer, das ich sehr gut kenne. Es ist das Zimmer, das Nya und ich auf dem Flugsegler bewohnen.

„W-was...wie...?", stammle ich. „Wie machst du das? Und woher kennst du diesen Ort?"

Er lacht kurz auf. „Alles eine Frage der Übung...", meint er schließlich und steht schließlich direkt vor mir.

„Ach ja und du willst wissen woher ich diesen Ort kenne? Ich folge euch schon länger als du weißt. Nicht umsonst können Geister sich unsichtbar machen..."

Ich starre ihn überrascht an. Ich will nicht beeindruckt sein, das will ich wirklich nicht, aber das was er mir eben vorgeführt hat ist einfach zu unglaublich.

Dann besinne ich mich auf etwas anderes. „Warte mal – wenn wir in meiner Fantasie sind, warum gehorcht sie dann DIR und nicht mir? Und was machst du überhaupt hier?"

Er lächelt. „Die Fantasie gehorcht immer der dominanten Seele in einem Körper...und das bin nun mal jetzt ich. Schon vergessen, dass ich deinen Körper übernehmen wollte?"

Fassungslos starre ich ihn an. „D-das bedeutet, du hast es bereits getan?"

„Natürlich. Und nur zu deiner Information, es gibt nichts mehr was du tun könntest um mich loszuwerden. Das bedeutet, wir werden wohl oder übel etwas Zeit mit einander verbringen müssen. Nicht, dass mir das etwas ausmachen würde..."


„Leyla ist immer noch nicht zurück!" Kai und die anderen stehen, inzwischen besorgt, im Zimmer ihres Senseis und warten auf dessen Anweisungen. Es sind inzwischen mehrere Stunden vergangen und von Leyla fehlt immer noch jede Spur.

„Ich mache mir ebenfalls Sorgen.", meint Sensei Wu und sieht seine Schüler an. „Wenn sie in einer halben Stunde nicht zurückkommt, werden wir sie suchen müssen."

„Ach was, die treibt sich doch irgendwo in Ninjago City herum und hat ohne uns Spaß.", meint Jay, als sie alle wieder in ihrem Zimmer sitzen.

„Blödsinn", schaltet sich Kai ein. „Sie würde sowas doch niemals tun!"

Cole hebt die Schultern. „Ich weiß nicht. Was, wenn sie ernsthaft in Schwierigkeiten ist?"

„Kai, Jay, Cole, Zane, Nya, kommt her. Ich glaube unser Problem hat sich erledigt.", ruft da plötzlich der Sensei vom Deck.

Die fünf sehen alarmiert hoch. „Ist Leyla zurück?", ruft Cole.

„Ja."

The Girl who never falls and the Ghost who never feelsWhere stories live. Discover now