21. Die Würfel sind gefallen

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„Wir fliegen mit den Elementardrachen vor!", ruft Kai und sprintet zusammen mit seinen drei Freunden an Deck des Flugseglers.

Der Sensei folgt ihnen. „Alles klar, aber vergesst nicht, ihr dürft Morro nicht unterschätzen."

„Ja ja", erwidert Kai. „Gegen uns alle hat er sowieso keine Chance."

Die vier fliegen schon seit einer halben Stunde in Richtung See der Geister. Sie können es alle kaum erwarten, Leyla wiederzusehen, auch wenn das bedeutet, dass sie auch Morro wiedersehen werden.

Sie fliegen entlang einer tiefen Schlucht, in deren Hang sich immer wieder Höhleneingänge befinden. Zane hat die Aufgabe, die Umgebung und die Eingänge zu scannen und nach dem richtigen zu suchen.

Plötzlich erkennt Zane beim Ausschauhalten am Horizont eine Hängebrücke, die die Schlucht überspannt. Und auf der Brücke eine einzelne Gestalt.

Morro.


Ehe ich mich versehe wachsen Gitterstäbe aus dem Boden. Morro tritt einen Schritt zurück und ich finde mich in einem Käfig wieder.

Zur einen Seite versperrt mir die Wand den Fluchtweg, zur anderen eiserne Gitterstäbe, die sich über meinem Kopf in die Wand bohren.

Ich sehe ihm hinterher, als er sich abwendet und geht, eine Träne läuft mir die Wange hinunter. Irgendetwas in mir erträgt es nicht, dass er Recht haben sollte.

Die ganze Zeit habe ich versucht, mir einzureden, dass ich keine Angst vor ihm haben muss, dass er nicht so gefährlich ist wie er tut und jetzt merke ich, dass ich mir die ganze Zeit etwas vorgemacht habe.

Morro ist gefährlich. Und ich täte wirklich besser daran, mich von ihm fernzuhalten, das weiß ich. Zumindest mein logischer Verstand weiß das.

Aber der große Rest von mir sehnt sich immer noch nach ihm, versucht meinem Gehirn klarzumachen, dass es nicht so schlimm ist, wie es scheint.

„Das ist um einiges angemessener." Morro dreht sich nicht zu mir um aber ich höre die Kälte aus seiner Stimme heraus.

Ich schaudere.

„Bitte hör auf", flehe ich. „Das bist nicht du!"

Dann vergrabe ich mein Gesicht zwischen meinen Händen. „Das ist alles meine Schuld. Hätte ich sofort auf dich gehört und wäre dir ferngeblieben, wäre nichts von all dem passiert..."

Dann seufze ich. „Aber ich kann nicht...verstehst du? Ich – ich liebe dich auch."

Er reagiert nicht. Bewegt sich keinen Zentimeter, starrt nur irgendwo hin, wo ich nichts sehe. Vermutlich sieht er durch meine Augen.

Dann kommt plötzlich Bewegung in ihn und für einen kurzen Moment hege ich die Hoffnung, ihn mit meine Worten doch aus diesem Zustand geholt zu haben, aber er ist nicht wegen mir so beunruhigt.

Irgendwas außerhalb meines Körpers scheint seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Dann dreht er sich zu mir um und grinst. Aber dieses Grinsen ist böse.

„Hör auf solchen Blödsinn zu erzählen. Aber wie es aussieht, sind deine Freunde mir doch noch auf die Schliche gekommen. Naja, ich denke mal, sie können eine Lektion vertragen."

Damit dreht er sich zu mir um.

„Und damit du mitbekommt, wie deine Freunde einer nach dem anderen besiegt werden, lasse ich dir den Screen und die Lautsprecher da. Wenn du nichts mitbekommt, von ihrer Niederlage, macht es nur halb so viel Spaß."


Morro erwartet die vier an einer Hängebrücke. Der perfekte Schauplatz für einen Kampf, findet er.

Die vier landen am anderen Ende und wollen offensichtlich erreichen, dass er zu ihnen kommt. Warum nicht?

Er sprintet los, mithilfe seiner Windkräfte ist er schneller als jeder andere Mensch es je sein könnte. Doch auch das ist zu langsam.

Morro sieht, wie Kai und Cole die Seile kappen, an denen die Brücke hängt.

Morro holt aus und springt. Er springt weiter als er je gesprungen ist, überquert wahrscheinlich zwanzig Meter Luft.

Und er hätte es auch geschafft, sich in Sicherheit zu bringen, wenn ihm nicht Kai entgegengesprungen wäre. Mit voller Wucht prallen die beiden auf einander und fallen beide auf die Brücke zurück, deren Seile jetzt von den anderen drei gehalten werden.

Sie kämpfen eine Weile, bis Morro es schließlich schafft, Kai rücklings gegen das Holz der Brücke zu werfen, sodass dieser fast bis zu seinen Freunden zurückfliegt.

Jetzt spricht er kurz mit ihnen, dann kommen zwei Ninja auf ihn zu. Kai hat sich Verstärkung mitgebracht.

Zane läuft das eine Seil, das normalerweise als Brückengeländer dient, entlang, Kai das andere. Zu zweit ist es schon schwerer für Morro, sie abzuwehren. Aber sie sind trotzdem keine Gegner für ihn.

Jetzt versteht er, warum Leyla bis jetzt noch nie besiegt wurde.

Schließlich sieht er, wie Cole, der stärkste, die Seile, die er immer noch halten muss, an Jay übergibt und auf sie zu rennt.

„Was hab ich mir dabei gedacht?!", schreit Jay, der die Seile kaum halten kann.

Alle zu dritt kommen sie auf ihn zu, diesmal hat er keine Chance. Sie stoßen ihn nach hinten, in die Mitte der Brücke und kappen das Seil.


Kai, Jay, Cole und Zane sehen sich an, nachdem sie die abgerissene Brücke hinaufgeklettert sind. Sie haben Morro besiegt.

Es war schwerer als gedacht, aber sie haben es geschafft.

Doch plötzlich geht seltsames vor, unten in der Schlucht, deren Boden von Nebel verhüllt ist.

Der Teil der Brücke, der am anderen Ende befestigt ist, bewegt sich. Dann reißt er ab.

Alarmiert sehen die vier sich an.

Plötzlich fällt etwas hinter ihnen auf den Boden.

Sie wirbeln herum und sehen Morro.

Er muss die gesamte Schlucht hinaufgesprungen sein, viel zu schnell, als dass einer von ihnen ihn hätte sehen, geschweige denn aufhalten können.

Er grinst.

„Wu hat euch viel gelehrt. Aber er hat euch nicht ALLES gelehrt."

So schnell, dass keiner von ihnen ihn abwehren können, versetzt er jedem der vier Ninja ein paar kurze Schläge.

Kai spürt, wie sich sein Körper verkrampft, als Morro bei ihm ist. Die Schläge haben zwar nicht wehgetan, aber irgendwas in seinem Körper bewirkt.

Er kann sich nicht rühren und mit einem kurzen Blick zu den anderen sieht er, dass es ihnen genauso geht.

Einen Moment noch bleibt er bei Bewusstsein, dann kippt er um und alles wird schwarz.


The Girl who never falls and the Ghost who never feelsWhere stories live. Discover now