The Girl who never falls and the Ghost who never feels

7. Eine Liste und der, der sie vielleicht erfüllt

„Wohin ist Morro unterwegs?", ungeduldig läuft Jay in der Komandozentrale des Flugseglers auf und ab.

„Ich weiß es nicht genau", meint Sensei Wu, „aber ich habe da so eine Vermutung."

„Und die wäre?"

Der Sensei seufzt. „Morro hat mir etwas gestohlen, eine Karte. Und ich weiß, wohin diese Karte führt. Wenn er vorhat, ihr zu folgen, können wir ihn vielleicht aufspüren."

„Und wohin führt diese Karte?", fragt Kai.

„Sie zeigt den Weg zu einem schon lange vergessenen Ort an, den mein Vater seinerzeit erschaffen hat. Es ist der See der Geister. Ein Ort, der sehr mächtige und gefährliche Kräfte besitzt. Wer auch immer zu dem See gelangt, hat die Möglichkeit, eine Seele aus der verfluchten Welt zu befreien."

Die fünf starren ihn fassungslos an. „A-aber das ist furchtbar! Wenn Morro den See erreicht, kann er-"

„Ich weiß", unterbricht der Sensei Cole. „Und genau das müssen wir verhindern."

Ich öffne die Augen und das erste, was ich sehe, ist Morro. Er steht an der gegenüberliegenden Wand und studiert etwas, das wie eine Art Holo-Screen aussieht.

Habe ich etwa geschlafen?

Ich räuspere mich und er wirbelt herum.

„Sag mir endlich wo du hin willst."

„Haben wir und ausgeruht? Na dann, ich dachte schon es ist unmöglich in dieser Position zu schlafen..."

In diesem Moment würde ich ihm am liebsten an die Kehle springen. Ich weiß nicht wieso, aber er macht mich wahnsinnig. Und ich bin ihm hilflos ausgeliefert.

Ja, genau das muss es sein. Ich ertrage das Gefühl der Hilflosigkeit nicht. Und man kann kaum hilfloser sein, als hier, gefesselt and der Wand seiner eigenen Fantasie zu hängen.

„Ach übrigens-", Morro dreht sich wieder zu mir um. „Ich hab beim Durchsuchen deiner Erinnerungen was Interessantes gefunden..."

„Du hast meine Erinnerungen durchsucht?"

„Klar. Ich hatte gehofft, irgendwas lernen zu können, aber Wu hat dich erstaunlich wenig gelehrt. Es gibt nichts, das du beherrscht und ich nicht. Wenn du mich fragst, sind deine Fähigkeiten ziemlich erbärmlich, Grüner Ninja."

„Ich FRAGE dich aber nicht."

Er lacht und das Bedürfnis, ihn umbringen zu wollen, wird noch stärker.

„Also, willst du wissen, was ich gefunden habe?"

„ZEIG SCHON HER!"

Morro lacht lauter. Dann bewegt er den Holo-Screen in meine Richtung, sodass er vor mir stehen bleibt und ich sehe, was darauf soeben erscheint.

Das kann doch nicht wahr sein! Von allen meinen Erinnerungen ausgerechnet DIE CHEKLISTE hat er sich gemerkt!

Ich kann nicht verhindern, dass mein Gesicht die Farbe einer überreifen Tomate annimmt. Aber warum ist mir das so unangenehm? Ich meine, das ist doch eigentlich harmlos, im Vergleich zu vielem anderem.

Aber es ist mir trotzdem peinlich.

„W-was soll daran so interessant sein...", bei diesen Worten erröte ich noch mehr und drehe unwillkürlich den Kopf zur Seite.

Er grinst. „Nette Bedingungen hast du da, wirklich. Und du bist fest davon überzeugt, dass es niemanden gibt, der sie erfüllt?"

Ich schaue wieder zu Morro. Er sieht mich an, mit einem Ausdruck den ich nicht deuten kann.

„Ja", ist alles, was ich sage.

Er dreht den Screen wieder zu sich und lächelt. „Also, dass du davon überzeugt bist, dass niemand dich besiegen kann, ist klar."

Warte, wird er jetzt etwa jeden Punkt laut vorlesen? Man, bloß nicht, bitte!

„Aber Punkt zwei", fährt er fort, „erfüllt jeder deiner Freunde und noch so einige andere, die ich kenne. Trotzdem, der Punkt gefällt mir."

Böse starre ich ihn an, während er weiter vorliest.

„Mit dir auf einer Wellenlänge sind auch viele, deine Freunde bestehen auch diesen Punkt, nehme ich an."

„Hör auf damit!", rufe ich doch Morro ignoriert mich.

„Und natürlich das Aussehen. Mich wundert, dass du nicht gleich Supermodel drauf geschrieben hast. Denn ich bin mir sicher, dass du keinen darunter für gut genug halten würdest."

Spätestens jetzt ist das einzige, das mich davon abhält, ihn zu auf der Stelle umzubringen, die Kette, die meine Handgelenke fesselt.

„Was weißt DU schon?", schreie ich ihn an.

Er lacht. „Eine ganze Menge. Zum Beispiel dass du bei weitem nicht so unbesiegbar bist, wie du denkst."

„Ach ja? Wer sagt das?"

„ICH sage das."

„Ist das eine Herausforderung?"

Er lächelt. „Allerdings."

„Ich nehme sie an. Ich habe nämlich das Bedürfnis, dir ordentlich in den Hintern zu treten."

Er lächelt. „Kann ich mir vorstellen. Aber wir verschieben das, ich muss zuerst noch etwas anderes erledigen."

„Das Ziel deiner Karte erreichen?"

„Ja, genau. Wenn ich hiermit fertig bin, können wir unser kleines Duell austragen. Ich bin mir sicher, das wird äußerst interessant."

Es sind inzwischen einige Stunden vergangen und ich hänge immer noch an der Wand. Meine Wut ist verraucht und macht langsam Sorge Platz.

Was, wenn er mich tatsächlich besiegt? Ich meine, hat er nicht selbst gesagt, dass es nichts gibt, dass ich beherrsche und er nicht?

Blödsinn, das könnte genauso gut gelogen sein, sage ich mir. Und selbst wenn er mich besiegt, was macht es schon? Dann bin ich eben nicht ganz unbesiegbar, na und?

Wenn er mich tatsächlich besiegt, gibt es doch jemanden, der meine Liste erfüllt.

Ich zucke zusammen. NEIEMALS!! Er erfüllt meine Liste nicht. Er ist ein böser Geist, der mich in Besitz genommen hat. Er KANN die Liste nicht erfüllen. Das ist UNMÖGLICH!

Naja, okay, er hat die Kräfte eines Elementarmeisters und dazu noch die Geisterkräfte, und ja, insgeheim macht es mir großen Spaß, mich mit ihm zu unterhalten.

Über das Aussehen brauche ich gar nicht erst anzufangen.

Und selbst wenn ich ihn dafür hasse, dass er es ausgesprochen hat, aber er hatte recht. In Wirklichkeit bin ich da um einiges kritischer als ich zugegeben habe.

Plötzlich habe ich Angst. Nein, nicht davor, dass Morro mir wehtun oder meinen Körper womöglich nie wieder verlassen könnte.

Nein, ich habe einzig und allein Angst davor, dass er mich besiegt.

Denn dann wäre endgültig bewiesen, dass ich falsch lag, was die Unmöglichkeit der Liste angeht.

Und dazu hätte ich dann ein riesiges Problem. Denn ich konnte nicht mit Morro – oder doch?