11. Alte Feinde und neue Methoden

695 37 2
                                    

Entgeistert starre ich ihn an. Mein Vater? Woher sollte dieser über Morros Vergangenheit Bescheid wissen? Und wieso sollte ich ihm glauben und Morro nicht?

Offenbar ist mir die Verwirrung anzusehen, denn Morro seufzt.

„Du fragst dich bestimmt, warum ich meine, du würdest ihm glauben und mir nicht. Nun ja, das wüsstest du, wenn du das Ende meiner Geschichte kennen würdest."

„A-aber mein Vater ist in der Verfluchten Welt! Er kann mir nichts erzählen."

„Dein Vater ist – ach ja, er hat sich für euch geopfert. Das hatte ich komplett vergessen."

Dann lächelt er. „Aber zufällig bin ich zu dem einzigen Ort in ganz Ninjago unterwegs, an dem man eine Seele aus der Verfluchten Welt befreien kann, ohne eine im Gegenzug hinein zu schicken."

Fassungslos starre ich ihn an. Ist das wirklich wahr?

„U-und du willst meinen Vater befreien?"

„NEIN."

Seine Stimme klingt schneidend.

„Ich finde er hat das mehr als verdient, nach allem was er getan hat..."

„Aber er stand doch unter dem Bann des Schlangenmeisters, als er Ninjago bedroht hat!"

„Ich rede nicht davon, was er NINJAGO angetan hat. Ich rede davon, was er MIR angetan hat."

Ich reiße die Augen auf. „D-u hast, er hat...was hat er denn getan?"

Morro wendet sich ab. „Wie gesagt, das wirst du mir nicht glauben. Und ich hab keine Lust auch noch als Lügner bezeichnet zu werden."

Ich senke den Kopf. „Dann befrei ihn."

„Niemals."

„Was hast du dann vor, an diesem Ort?"

„Es ist ein See. Der See der Geister, der vom ersten Spinjitzu-Meister erschaffen wurde. Und ich hatte vor, jemanden zu befreien, der mir helfen kann."

„Sag mir, was mein Vater getan hat, bitte. Ich verspreche, ich glaube es dir. Vielleicht verstehe ich dann ja, warum du ihn so zu hassen scheinst. Noch mehr als Wu."

Er sieht mich nicht an und hat die Hände vor der Brust verschränkt. Ich glaube er zittert sogar, ob vor Anspannung oder Kummer kann ich nicht sagen.

„Nein. Ich sag es dir nicht."

Ich schweige und überlege mir ein neues Argument.

„Aber vielleicht sollte ich deinen Vater wirklich befreien."

Überrascht zuckt mein Kopf hoch. „Wirklich? Aber warum? Ich dachte du hasst ihn so sehr...?"

„Das tue ich auch. Aber ich kann es nicht ausstehen, wenn andere Leue meine Arbeit machen. Ich will mich an ihm rächen, das stimmt schon, aber ich will es auf meine Weise tun. Einfach nur zu wissen, dass er in der Verfluchten Welt vor sich hin vegetiert ist mir nicht genug."

Ich weiß nicht, ob es angebracht ist, mich zu freuen, da Morro meinen Vater ja ganz offenbar umbringen will, aber ich tue es trotzdem.

Vielleicht kann ich ihn dann ja ein letztes Mal sehen?

„A-also befreist du ihn?"

„Ich weiß noch nicht. Ich überlege es mir. Wir haben noch etwa eine Flugstunde bis zum See und dann werden wir sehen."

Naja, eine Hoffnung bleibt. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob sie nicht doch enttäuscht wird.

Eine Stunde Flug ist schnell vergangen und Morro steht in meinem Körper vor dem Eingang einer Höhle. Er hat mir erneut einen Bildschirm und Lautsprecher erschaffen, damit ich sehen und hören kann, was draußen vor sich geht.

„Ist der See da drin?", frage ich.

„Ja. Aber ab hier muss man aufpassen. Es lauern sicher jede Menge Fallen in der Dunkelheit."

Eine Weile geht Morro schweigend durch den dunklen Gang. Keine Falle stellt sich ihm in den Weg.

Er hat eine kleine Taschenlampe aus seinem Umhang gezogen und sie eingeschaltet. Sie spendet gerade so viel Licht, dass man die Umrisse der im Dunkeln lauernden Gegenstände erkennen kann.

Doch dann ist der Gang plötzlich zu Ende. Eine Tür die über und über mit altertümlichen Symbolen beschrieben ist, kommt zum Vorschein.

Eine Weile betrachtet Morro die Symbole schweigend, dann erinnert er sich offenbar daran, dass es mich auch noch gibt.

„Dort steht nur, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Der See der Geister ist hier irgendwo."

„Ich weiß. Ich kann alte Sprache lesen."

Überrascht sieht er mich an. „Im Ernst? Woher?"

„Hab sie mir selbst beigebracht. Als ich noch im Internat gelebt habe, hatte man ja nichts Besseres zu tun..."

Anerkennendes Nicken seinerseits. „Na dann muss ich zumindest nicht übersetzen..."

Ich grinse, aber das sieht er nicht mehr. Er ist offenbar auf der Suche nach einem Mechanismus, um die Tür zu öffnen.

Als er eines der Zeichen berührt, gibt dieses nach. Die Tür schiebt sich auf und Morro leuchtet vorsichtig mit der Taschenlampe hinein. Sieht so aus als ob der Gang weiter gehen würde.

Doch als er ihn betritt, schießt plötzlich etwas haarscharf an seinem Gesicht vorbei. Eine Falle!

Schnell setzt Morro seine Windkräfte ein um einen Schild aus Luft um uns herum zu erzeugen. Die Pfeile, die aus den Wänden kommen, dringen nicht hindurch.

Als die Passage mit den Pfeilen vorbei ist, lässt er den Windschild verschwinden.

„Das war knapp...", meine ich.

„Ja."

Eine Weile gehen wir wieder schweigend, beziehungsweise geht er und ich schaue zu. Dann tritt er wohl aus Versehen auf einen lockeren Stein.

Der ganze Fußboden bricht zusammen, bis auf ein paar einzelne Steinblöcke, an einem dieser kann Morro sich gerade noch festhalten.

Er zieht sich hoch und springt gekonnt, seine Windkräfte einsetzend, von einem Stein zum nächsten.

Als er am anderen Ende angekommen ist und keine Steinblöcke mehr fehlen, seufzt er auf.

„Geschafft", sagt er.

„Ja. Gut gemacht." Das letzte kann ich mir nicht verkneifen.

Er zuckt nur mit den Schultern. „Ich hoffe es kommen keine weiteren Fallen..."

Morro läuft noch eine halbe Stunde durch den Gang, bis dieser in eine kleine Höhle mündet. Und vor uns in der Höhle liegt ein kleiner See, von dem ein bläuliches Leuchten ausgeht.

Ich starre das Bild, das sich mir bietet an.

„D-das ist so wunderschön..."

„Ja", ist alles, was Morro sagt.

„Aber was machst du jetzt?", frage ich. Wird er wirklich meinen Vater befreien? Und werde ich jemals erfahren, wie er ein Geist geworden ist?

The Girl who never falls and the Ghost who never feelsWhere stories live. Discover now