Kapitel 21 - Feststellung

2.9K 173 2
                                    

Evelyn

Es war mein fünfter Monat hier im Blackwood Rudel und so langsam entwickelte ich mich zu einer wildgewordenen Furie, welche einen Hass auf alles und jeden hatte. Es kam mir vor als würde alles, was ich auch nur ansehe, geschweige denn anfasse in tausend Scherben zerbrechen.

Mein Leben glich mittlerweile einem einzigen Trümmerhaufen und ich bezweifle, dass diese Scherben, welche ich bis hierhin hinterlassen hatte, wieder zueinander finden würden. Ich fühlte mich missverstanden und allein gelassen.

Egal was ich tat. Egal, wie viel Zeit ich mit dem Lernen verbrachte. Egal, wie oft ich geübt habe. Es hatte zu keinem Erfolg geführt. Unabhängig davon, wie viele Nächte ich nicht geschlafen, sondern trainiert hatte. Ich war nicht gesegnet worden. Eine Tatsache, welcher mir schwer bewusst geworden war.

Die letzten Tage, Wochen und Monate hatten mir gezeigt, dass ich nichts Besonderes war, obwohl ich mir das immer gewünscht hatte. Ich wollte doch einfach nur jemanden die Welt bedeuten, doch dann bin ich eine Heilerin geworden. Ich wollte einfach nur eine Energie beherrschen und mein Leben dafür geben, diese vollends zu beherrschen und den anderen zu helfen.

Doch selbst das wurde mir vorenthalten. Ich war eine einsame Omega Wölfin, welche zwar andere heilen konnte, doch nicht in der Lage war, eine dieser Heilenergien zu beherrschen. Im Grunde genommen war ich ein Nichts. Ein Klotz am Bein, welcher es nicht wert war zu leben.

Ich vergrub meinen Kopf zwischen die Knie und versuchte ein Schluchzten zu unterdrücken.

Mein Vater hatte mir zwar von klein auf beigebracht, keine Schwäche zu zeigen und obwohl er anscheinend nichts mehr von mir wissen wollte, war ich versucht diese Worte tief in meinem Herzen zu behalten.
Zumindestens so lange, bis ich wieder alleine war und mich in meinem Zimmer einschließen konnte.

Denn das war der einzige Ort, an dem ich meinen Gefühlen Freiraum geben konnte und sie nicht verdrängen, gar verstecken musste. Hier konnte ich so oft weinen, wie ich wollte. So oft schreien, bis ich keine Stimme mehr hatte und so oft in das Kissen schlagen, bis meine Kraft nachließ.

Dieser Raum war der einzige Platz, an dem ich wirklich ich sein konnte. Wo ich mich nicht verstecken brauchte oder jemand anderen spielen musste. Hier war ich einfach nur Evelyn. Evelyn Lockwood, eine kleine, schwache, alleingelassene Omega Wölfin, welche innerlich gebrochen war.

Ich strich mir die Tränen weg und legte meinen Kopf auf den Knien ab, ehe ich aus dem Fenster blickte und direkt in die Helligkeit des Vollmondes starrte. >Apropos Vollmond.< Meldete sich meine Wölfin nach wochenlangem Schweigen. >Wir waren schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr laufen.<

Ich nickte ihr zu und dachte an das letzte Mal zurück. Es war kurz nach dem Streit mit meinem Vater und die Nacht, bevor ich hierhergekommen bin. Das Ganze war jetzt fünf Monate her. >Vielleicht ist das genau das, was wir jetzt brauchen?< Versuchte sie mich aufzumuntern, weswegen ich mir einen Ruck gab. Ja, vielleicht ist es.

Ich stand also von dem bequemen Bett auf, streckte mich und überlegte, wie ich wohl am besten und vor allem unbemerkt das Haus verlassen könnte. Mein Blick ging zwischen der Tür und dem Fenster hin und her, ehe meine Entscheidung relativ schnell auf das Fenster fiel.

Wer weiß, wie lange Axton diese Nacht arbeitet. Immerhin war es Vollmond, der stärkste Tag für Werwölfe. Heute würden wir so viel Energie haben, wie sonst nie. Ich setzte mich also in Bewegung und öffnete die großen Türen, ehe ich mich an dem Fensterbrett abstützte und über die Kommode auf den Fenstersims sprang. Ich warf einen kurzen Blick nach unten, ehe ich meinen Mut zusammennahm und nach unten sprang.

Glücklicherweise landete ich dank meiner Wolfskräfte mit allen Vieren auf dem Boden, ehe ich mich erhob und mir den Dreck von der Kleidung klopfte. Ich warf einen Blick nach oben und fragte mich bereits jetzt, wie ich je wieder da hochkommen soll, doch das war ein Problem, um welches ich mir später Gedanken machen konnte.

Die Bürde einer Werwölfin zu tragenWhere stories live. Discover now