Kapitel 15 - Nicht viel zu erzählen

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Evelyn

Die letzten Tage vergingen schneller als gedacht, sodass ich heute endlich mit meiner Ausbildung anfangen konnte. Ich hatte mich zwar bereits in den letzten sechs Jahren ausgiebig darüber informiert, was mich erwarten wird und was alles auf mich zukommt.

Doch mit jemanden darüber zu sprechen und von ihm zu lernen, der das gleiche Schicksal teilt, wie du ist nochmal etwas völlig anderes.

Mir wurde mitgeteilt, dass ich den Großteil meiner Unterrichtsstunden im Rudelhaus verbringen werde, weswegen ich auch gerade auf dem Weg dorthin war. Verantwortungsvoll und organisiert, wie ich war, hatte ich noch eine halbe Stunde Zeit bis es endlich losgehen würde.

Bis dahin las ich noch etwas und bildete mich dementsprechend weiter. Nach ungefähr zwanzig Minuten kam eine ältere, kräftige Frau herein. Sie hatte dunkles, lockiges Haar das ihr bis zur Schulter reichte.

Ihre Haut war Schokoladenfarben, ähnlich wie ihre Augen. Dazu trug sie einen grünen Kimono-artigen Mantel, mit einer gleichfarbigen Hose. Alles in allem schien sie eine alternativ veranlagte Person zu sein, doch wer war ich schon, dass ich mich beschwerte.

Im Grunde genommen war ich selbst nicht besser. Ich kombinierte die Farben miteinander als gäbe es kein Morgen mehr, doch letztendlich hatte ich einfach nur keine Lust und sah keinen Sinn darin, mir zu überlegen, was zusammenpasst oder eben nicht.

„Ohh, du bist ja schon da." Sie blieb leicht entsetzt und verdattert in der Tür stehen, ehe sie die Brille auf ihrer Nase zurechtrückte und auf ihre Uhr blickte. „Bin ich zu spät?" Ich musste augenblicklich lächeln.

„Nein, alles gut. Ich wollte nur einfach nicht zu spät kommen und war deswegen schon ein bisschen früher da." Sie sah immer noch leicht irritiert aus, ehe sie sich mir gegenüber an den Tisch setzte.

„Nun gut, meckern will ich nicht und schon gar nicht bei solch einer guten Eigenschaft." Sie breitete  ihre Sachen auf dem Tisch aus, ehe sie sich wieder mir zuwandte. „Ach herrje, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Grace und ich bin die Heilerin des Blackwood-Rudels. Zu mindestens noch."

Sie lachte leicht und sah mich gespannt an. „Aber da du ja jetzt hier bist, kann ich endlich in meinen wohlverdienten Ruhestand gehen." In ihrem Gesicht machte sich eine gewisse Ruhe und Zufriedenheit breit, weswegen sich mein Herz plötzlich innerlich zusammenzog.

Ich musste immer wieder daran denken, dass ich unfreiwillig hierhergebracht und zu all dem gezwungen wurde. Doch jetzt und hier vor Grace zu sitzen, verdeutlichte mir, dass es meine Aufgabe war ihren Posten zu übernehmen.

Ich wurde von einem Gefühl erfasst, welches mir zurief, dass ich genau hier sein sollte. Als wäre es so von der Mondgöttin geplant worden, damit ich mich endlich mit dem Gedanken anfreundete.

„Schön dich kennenzulernen, Grace. Ich bin Evelyn. Evelyn Lockwood." Ich hielt ihr die Hand entgegen, welche sie zärtlich ergriff. „Ein wunderbarer Name. Ja, ganz toll und vor allem passend!" Sie strahlte mich an und nickte mit dem Kopf.

„Das hat bereits Arden gesagt." Ich lächelte verlegen und legte meine Hand in den Nacken. „Na, wenn das mal kein Zeichen ist, ich weiß ja nicht." Ihre Aura und Mentalität strahlten vom ersten Moment direkt auf mich ab, weswegen ich ebenfalls anfangen musste zu lächeln.

Dieser Frau würde man niemals böse sein können. Sie hatte wahrscheinlich immer gute Laune und konnte andere mit ihrer positiven Art anstecken. „So Schätzchen, ich kenne es ja selber und weiß, dass niemand am ersten Tag wirklich aufnahmefähig ist. Zumeist der Aufregung zu schulden, deswegen .."

Die Bürde einer Werwölfin zu tragenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt