KAPITEL 49

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- G E O R G E -
Sonntag, 00:13 Uhr

Ich hörte plötzlich Schritte die durch unseren dunklen Flur hallten, meine anderen beiden Geschwister und ich sahen uns kurz verstehend an bevor ich den Namen meines Bruders rief. Es konnte nämlich nur er sein, weil um die späte Uhrzeit sollten normalerweise keine Security Männer mehr durch unsere Wohnung laufen und unser Vater war glaube ich noch am Arbeiten oder selber schon längst im Bett, ich war mir nicht ganz sicher.

Karl's Gestalt tauchte keine Sekunde später ihm Türrahmen auf und sah uns mit hochgezogenen Augenbrauen an. Wir mussten nämlich vorhin nachhause laufen, da mein Bruder einfach mit dem Auto abgehauen war und es war nicht gerade angenehm mit einem angeschossen Bein, vier verdammte Kilometer zu laufen.

"Wo zum Teufel warst du?", begrüßte ich ihn ohne zu zögern und rückte mein Bein zu recht, das ich wieder einmal auf einen der Stühle hoch gelegt hatte, weil es sich so unglaublich schwer anfühlte.

"Hallo erst mal, schön euch auch wieder zu sehen", antwortete er und kam mit langsamen Schritten ins Esszimmer rein gelaufen und hockte sich neben Alex auf einen der Stühle. Mit einem klappern legte er seinen Autoschlüssel auf dem Tisch vor sich ab und lehnte sich dann seufzend zurück, als wäre sein Abend so anstrengend gewesen.

"Das kannst du dir sparen. Ich bin mit einem angeschossenem Bein, vier Kilometer nachhause gelaufen", sprach ich meinen Gedanken nun laut aus und motzte ihn an. Meine Augenbrauen zogen sich wütend zusammen und ich umfasste meinen Oberschenkel kurzerhand und bohrte meine Fingernägel in meine Haut um die Schmerzen in meinem Schienbein zu lindern, weil ich mich zuvor etwas nach vorne gelehnt hatte und nun ein stechender Schmerz durch mein gesamtes Bein Schoß.

"Ich war bei Nick und den anderen drein", erwiderte er daraufhin entspannt, zog seine dunkle Jacke aus und hängte sie über die Stuhllehne hinter sich. Tina und ich widmeten uns einen verwirrten Blick. Nick? Was hatte er mit dem zu tun?

Dann kam mir plötzlich so ein Gedanke.

"Sag mir nicht, dass du dich ständig mit Nick triffst?", fragte ich einfach drauf los und hoffte so sehr, dass ich mit meiner Vermutung falsch liegen würde. Erwartungsvoll blickte ich ihn an und biss mir nervös auf meine Unterlippe, als er mir nicht zu antworten schien.
Karl räusperte sich daraufhin nur und kratzte sich erwischt am Hinterkopf. Ich fuhr mir stöhnend durchs Gesicht, das war Antwort genug. Deshalb hatte er so komisch reagiert als ich ihm erzählt hatte, dass Clay und Nick Geschwister waren.

"Ist das dein ernst?", fragte Tina grinsend, doch ich fand es alles andere als zum freuen, ich fand es um ehrlich zu sein mehr als schlimm. Das kann er doch jetzt nicht ernst meinen, niemals im Leben.

Clay war nämlich in dieser Situation mein größtes Problem, ich hatte ihn vorhin total abgeschoben und wenn Karl sich jetzt auch öfter mit Nick treffen würde, könnte das bedeuten, dass ich den Lockenkopf dann auch wieder häufiger sehen müsste und das würde ich nicht übers Herz bringen. Denn ich weiß es war falsch von mir, ihn zu küssen und ihm dazu noch Hoffnungen zu machen, doch ich konnte nicht anders. Er hatte mir die Chance gegeben ihn einmal zu küssen, weshalb ich sie mir schließlich genommen hatte. Denn wenn er das nicht gesagt hätte, wäre es nie dazu gekommen. Ich wollte wenigstens einmal wissen, wie es sich anfühlte Clay's Lippen auf meinen zu haben, einmal noch diese Gefühle haben die er immer in mir ausgelöst hatte, doch es konnte nicht mehr zwischen uns geben. Besser gesagt es durfte nicht mehr zwischen uns geben.
Klar, ich hatte den Kuss mehr als nur genossen. Es war so ein unbeschreibliches Gefühl, dass man es gar nicht beschreiben könnte. Wenn ich es könnte würde ich es jederzeit wieder spüren wollen, immer wieder bis ich genug davon habe. Nein, ich könnte niemals genug davon haben.

Aber mein Vater würde mich killen.

Inzwischen konnte ich auch echt nicht mehr leugnen, dass ich nicht vielleicht ein kleines bisschen auf den blonden Lockenkopf stand und das machte die Situation noch mal um einiges schwieriger.

"Ich hab etwas heraus gefunden", riss mich Karl aus meinen Gedanken wieder zurück in die Gegenwart und ich wurde daraufhin hellhörig.

"Dein Freund Clay ist auch in einer kriminellen Schiene. Genauso wie Nick, Corpse und Luke", fing er an zu erzählen als wäre es das normalster der Welt und ich riss meine Augen geschockt auf. Verarscht der uns gerade?

Mein Freund Clay.

Ich realisierte erst nach ein paar Sekunden was er da gerade eigentlich von sich gegeben hatte, ebenso Tina und Alex.

"Was?", fragte ich ihn daraufhin geschockt, dass könnte niemals im Leben stimmen. Clay war doch viel zu unschuldig so etwas übers Herz zubringen. Also so wie ich ihn bisher kennengelernt hatte, aber vielleicht verhielt er sich gegenüber anderen Leuten anders, nicht so wie bei mir.

"Ich hab mich mit ihnen unterhalten. Ihr kennt doch sicher den Fall mit Herrn Gruber oder jetzt neu, Herrn Huber?", fragte er uns aufgeregt und wir nickten alle drei eifrig, wer weiß denn davon inzwischen nicht Bescheid?

"Sie sind an beiden Fällen schuld", setzte er nun hinterher und mir fiel meine Kinnlade hinunter. Niemals im Leben.

"Niemals im Leben", stotterte Tina meine Gedanken laut aus und sah genauso geschockt aus wie Alex und ich. Corpse und Luke sahen schon eher so aus, wie zwei - keine Ahnung wie sagt man da am besten Geiselnehmer? Aber Clay und Nick doch nicht. Ihr verhalten war manchmal einfach kindisch, also nicht das ich es schlimm finden würde. Clay machte das einfach nochmal attraktiver, aber trotzdem. Ich hätte ihnen das niemals im Leben zugetraut.

Karl nickte, verzog dann ein wenig den Mund, so als würde er noch etwas sagen wollen, aber hielt sich selber davon ab und lehnte sich stattdessen auf dem Tisch vor sich ab.

"Was hast du ihnen erzählt?", fragte ich nun und legte meinen Kopf fragend schief. Es könnte mir keiner erzählen das er nicht seine Klappe gehalten hatte. Mein Bruder presste anfangs die Lippen aufeinander, aber fing dann ohne Pausen an zu erzählen.

"Clay weiß, dass er dich angeschossen hat und das wir Läden und Banken ausrauben", er kniff die Augen ängstlich zusammen, da er scheinbar Panik hatte wie wir reagieren würden. Verdammte scheiße.

Meine Stirn ließ ich mit einem poltern wie einen schweren Sack auf den Tisch fallen und atmete hörbar aus.

"Karl!", nörgelte ich, das kann doch ehrlich nicht sein ernst sein.

"Ich musste es ihnen sagen. Ich kam aus der Sache nicht mehr raus", versuchte er sich raus zu reden, doch das brachte absolut nichts.

"Sie könnten uns eh nicht erpressen, wir haben auch was gegen sie in der Hand", nahm Alex meinen Bruder in Schutz. Es ging ums Prinzip, ich hatte immer so arg aufgepasst, Clay ja nichts zu erzählen und jetzt erfahr ich, dass er und seine Freunde Bescheid wissen. Super gemacht.

Kiss me once Where stories live. Discover now