Kapitel 53

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P.o.V. Mexi

Die Kontrolle war gut gelaufen. Meine Rippen heilten gut und meine Fäden waren schon vor einer Woche gezogen worden, allerdings hatte ich immer noch einen Gips am Arm, den ich erst in circa drei Wochen loswerden würde. Rezo hatte darauf bestanden, dass ich bis dahin bei ihm wohnen würde und ich hatte nach einer kleinen Diskussion zugestimmt.

Manchmal, wenn er neben mir saß und mit mir sprach, konnte ich es irgendwie immer noch nicht fassen, dass wir zusammen waren. Obwohl das hier seine erste nicht heterosexuelle Beziehung ist, geht er erstaunlich ruhig damit um. Von der komischen ungewohnten Stimmung, die ich erwartet hatte, war ihm nichts anzumerken. Zwar konnte ich nicht in seinen Kopf schauen, aber er schien nicht unsicher zu sein, was mich beeindruckte. Anfangs hatte ich viel länger gebraucht, um meine Sexualität zu entdecken und schlussendlich zu akzeptieren. In den letzten Jahren hatte ich nur noch Beziehungen zu Männern, bis auf den One Night Stand mit der Brünetten letztes Jahr, würde mich allerdings trotzdem als bisexuell bezeichnen, da ich Frauen ebenfalls anziehend fand.

„Mexi, alles klar bei dir?" seine weiche Stimme schnippte mich mit einem Mal aus meinen Gedanken und ich blickte in sein grinsendes Gesicht.

„Natürlich, ich bin froh, dass ich endlich wieder nach Hause kann," meine Gedankengänge hatten mich völlig gefangen genommen, sodass ich seine Ankunft am Krankenhaus gar nicht bemerkt hatte.

„Und ich erst," er legte einen Arm um meine Taille und zog mich zu einem Kuss heran, „na komm, ich hab mir extra Jus Wagen ausgeliehen."

Auf dem Weg zum Auto ließ er mich nicht los und verschränkte meine Finger mit seinen. Das war das erste Mal, dass wir in der Öffentlichkeit Händchen hielten und eigentlich sollte ich mich innerlich nicht wie ein kleines Mädchen fühlen. Diese einfache Geste ließ in meinem Bauch Schmetterlinge fliegen und Blut in meine Wangen schießen. Von der Seite betrachtete ich sein Gesicht und wunderte mich wie viel sich doch in ein paar Monaten ändern konnte. Am Anfang war er ein totaler Idiot gewesen, hatte nicht viel von Gefühlen gehalten und sich vor allen verschlossen. Heute lief dieser wunderbare Mann neben mir her, hielt wie selbstverständlich meine Hand und summte ein Lied, dass ich nicht kannte.

„Was ist los, warum starrst du mich so an?"

„Ich musste nur gerade über etwas nachdenken."

„Verrätst du mir worüber?"

„Später vielleicht," ein freches Grinsen schlich sich auf meine Lippen und wir gingen die letzten Meter in angenehmer Stille.

Rezo hatte in der Tiefgarage seines Hauses geparkt, die ich heute zum ersten Mal sah, da wir sonst nie mit dem Auto hier angekommen waren. Eigentlich wollte ich beim Ausladen meines Gepäcks helfen, jedoch scheuchte er mich weg und hob beide Koffer alleine aus dem Kofferraum. Die kleine Reisetasche ließ er mich dann doch tragen und ein kurze Zeit später waren wir in seinem Stockwerk angekommen.

„Wie geht es eigentlich Jana?" Rezo hatte sich ihrer angenommen, nachdem sie gegen ihre Schwester ausgesagt hatte und kümmerte sich nun darum, dass sie Hilfe bekam.

„Ihre erste Therapiestunde lief gut und sie ist zuversichtlich, dass es ihr in ein paar Monaten besser gehen wird."

„Das ist schön, sag mir Bescheid, wenn du etwas von ihr hörst."

Anfangs war mir Jana etwas suspekt gewesen und ich hatte sie nicht richtig einordnen können. Vor allem nachdem sie ihrer Schwester alles über unsere Unterhaltung im Club erzählt hatte. Als mir Rezo jedoch erzählt hatte, was sie wegen ihr durchgemacht hatte, tat sie mir sehr leid und ich hatte Rezo gebeten sich ihr ein wenig anzunehmen und ihr zu helfen.

„Du musst leider ganz kurz hier warten, ich sage dir, wenn du reinkommen kannst," geheimniskrämerisch zwinkerte er mir zu und lehnte die Haustür vor mir nur an. Ein seltsam vertrauter Geruch drang durch den Spalt und ließ mich lächeln. Die Mühe, die er sich gab, war zum dahinschmelzen und es war all das hundert Male wert gewesen.

Seine Stimme rief mich von etwas weiter entfernt zu sich und ich schlüpfte in die halbdunkle Wohnung, stellte meine Tasche zu den Koffern im Flur und betrat das Wohnzimmer. Wieder einmal hatte er sich übertroffen, auf dem Tisch stand ein Essen für uns beide, dass köstlich aussah und im Fernsehen lief bereits das Intro meiner Lieblingsserie. Es brannten Kerzen und eine brandneue Kuscheldecke lag, für uns bereit, auf der Couch. Eigentlich gab ich es ungern zu, aber ich stand total auf so kitschigen Kram, es bedeutete mir so unendlich viel, dass er sich solche Gedanken wegen mir machte. 

„Das ist so süß von dir, das wäre doch gar nicht nötig gewesen," versuchte ich meine Verlegenheit zu überspielen, scheiterte allerdings kläglich.

„Nach dem ganzen Mist der letzten Wochen, haben wir das beide bitter nötig," mit einer einladenden Handbewegung bat er mich zur Couch und ich ließ mich dankbar auf das weiche Polster sinken. Er wuselte um mich herum, belud meinen Teller mit dem Essen und schenkte mir Wein in mein Glas, der etwas zu teuer für den Supermarkt aussah.

„Im Übrigen habe ich mir gedacht, dass wir unseren geplanten Wochenendtrip antreten, wenn du deinen Gips los bist und deine Rippen wieder anständig verheilt sind."

„Wieso, planst du etwas besonderes solange wir da sind, wozu ich beide Arme bräuchte," fragte ich scherzhaft, während ich mit einer Hand versuchte mein veganes Steak zu schneiden.

„Du meinst außer zum Essen," witzelte er und nahm mir das Messer ab, „aber ja allerdings, ich plane da etwas."

„Gib mir einen Tipp," bettelte ich. Das Warten auf Überraschungen hatte ich noch nie gut draufgehabt, seit ich ein kleines Kind und das Prinzip mir bekannt war.

„Kommt gar nicht in Frage, du musst schon geduldig warten befürchte ich," schmetterte er meine Bitte ab und verschluckte sich fast an seinen Kartoffeln, als er meinen Schmollmund sah.

„Das ist gemein, es sind noch drei Wochen bis dahin. Ich sterbe vor Aufregung, wenn du es mir nicht sagst."

Seine Miene wurde plötzlich ernster und zuerst hatte ich Angst etwas Falsches gesagt zu haben, bis sich ein breites dreckiges Grinsen über sein Gesicht zog. „Naja, wenn du so unbedingt darauf bestehst, dann bleibt mir wohl keine andere Wahl."

Er beugte sich weit zu mir herüber, streifte meine Wange sanft mit seinen Lippen und stoppte an meinem Ohr. Der leichte Lufthauch, den er in mein Ohr blies, ließ mich erschaudern und die Worte, die aus seinem Mund kamen, brachten mich beinah um den Verstand. Verdammt wie lange könnten drei Wochen schon sein.

Blue •rezofyWhere stories live. Discover now