Kapitel 20

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P.o.V. Mexi

Seine Lippen waren an meiner Wange und berührten sie so hauchzart, dass ich im ersten Moment dachte, es mir eingebildet zu haben. Gerade so konnte ich ein Stöhnen unterdrücken. Fuck ich glaube ich träume. Meine Kehle war trocken und mein Herz schlug mindestens drei Takte zu schnell. Das Kribbeln in meinem Bauch war jetzt nicht mehr zu verleugnen. Da fühlte ich seine Lippen ganz nah an meinem Ohr, er flüsterte etwas, das ich zunächst nicht verstand, bis er es wiederholte: „Ich hole uns was Neues zu trinken, bin sofort zurück." Damit ließ er mich vorsichtig los und verschwand Richtung Theke. Das Hochgefühl von eben versiegte langsam, aber ein Gefühl von Glück, wie ich es selten gespürt hatte, trat fast sofort an diese Stelle. Völlig überfordert stolperte ich zurück an unseren Tisch und setzte mich zu Lisa. Diese lächelte mich freundlich an und lehnte sich näher zu mir, damit ich verstand, was sie sagte: „Na, das war aber nh kurze Tanzsession." „Es ist sehr warm hier," verteidigte ich mich und versuchte mein Herz ein bisschen zu beruhigen. „Faule Ausreden," zog sie mich auf, „ihr hattet nur keinen Bock mehr." Es erleichterte mich etwas, das scheinbar niemand am Tisch die Situation beobachtet hatte. Eigentlich konnte man im Club keine Privatsphäre erwarten, aber fremde Leute hatten wesentlich weniger Meinung als meine Freunde.

Irgendwie machte ich mir Sorgen, was theoretisch hirnrissig war, da Rezo erst 15 Minuten weg war, allerdings war das ziemlich lange, um Getränke zu besorgen. Also entschuldigte ich mich aufs Klo und schlängelte mich, mehr oder weniger geschickt, durch die Menge. Vorne auf der Theke saß Sebastian und machte anscheinend Pause nach seinem letzten Set. „Hey, kommst du mich besuchen," fragte er grinsend. „So in etwa," meinte ich und ließ meinen Blick am Tresen entlangschweifen, „eigentlich suche ich Rezo."

„Den hab ich nicht gesehen, aber um fair zu sein, sitze ich hier erst seit zwei Minuten. Kann ich dich stattdessen von einem Getränk überzeugen?"

„Getränke überzeugen mich immer." Kurz danach begab ich mich mit einer mysteriösen Flüssigkeit im Glas zu den Toiletten, um dort zu suchen.

Allerdings traf ich nur Ju, der ordentlich durch die Gegend schwankte: „Eyyyy Mexi, was geeeeht?" „Ich such Rezo." Daraufhin drehte er einmal den Kopf in jede Richtung, tastete seine Taschen ab und öffnete seine Hemdtasche um laut „Hallo Rezo" reinzurufen. Mit traurigem Blick schloss er die Tasche wieder: „Ich hab ihn leider nicht gefunden." Da ich mir bei der Aktion schon sehr das Lachen verkneifen musste, bedankte ich mich schnell und warf noch einen Blick in den Toilettenvorraum, bevor ich zu unserem Tisch zurückkehrte.

Irgendwie machte ich mir langsam doch ziemlich Sorgen, weshalb ich als nächstes die Tür zum Balkon öffnete und nach draußen trat. Das Blut gefror mir in den Adern und mein Herz sank ganz tief in die Magengrube. Wenn ich gewusst hätte, was ihn so lange aufgehalten hatte, wäre ich besser am Tisch geblieben. Rezo stand gegen eine hübsche Blondine gelehnt und bearbeitete ihren Mund. Das Glas fiel mir aus der Hand und zerschellte zu meinen Füßen in tausend Scherben. Der Krach schreckte die Beiden auf und ließ besonders das Mädchen hart zusammenzucken.

Mein Blick strahlte scheinbar pure Verachtung aus, denn sie starrte mich geschockt an und verschwand in Schlangenlinien zurück nach drinnen. Mir schossen hunderte Gedanken durch den Kopf, darunter dutzende Beleidigungen. Mittlerweile hatte er sich aus seiner Starre von der Wand gelöst und stand etwa drei Meter von mir entfernt: „Hei Mexi, was los?"

„Was los ist? Was los ist?! Willst du mich verarschen?!" eigentlich wollte ich nicht schreien. Eigentlich. Was hatte ich mir überhaupt gedacht? Nur weil er mich auf der Tanzfläche mehr als eindeutig angemacht hatte? Weil er mich vor seiner Haustür geküsst hatte, woran er sich nicht zu erinnern schien? Rezo war hetero und trotzdem hatte ich Idiot mich in ihn verliebt. Ich wurde bereits oft genug von Typen und auch von Frauen verarscht, das hier schmerzte jedoch mehr. Die Wut kochte in mir hoch und sein unschuldig wirkender Blick ließ mein Blut jetzt brühend heiß durch meinen Körper pumpen.

„Theoretisch bin ich ja der Idiot, weil ich dachte, dass du was für mich übrig hast, aber ich hatte trotzdem ein bisschen mehr Anstand von dir erwartet."

Von ihm kam weiterhin kein Ton, doch bevor ich meiner Wut noch mehr freien Lauf lassen konnte, schwang die Tür erneut auf und Lisa, sowie Jasmin und Ju fielen mir beinah vor die Füße. Die Mädels wirkten besorgt, aber man merkte ihnen den Alkohol massiv an. Dagegen war der Promillestand von Ju wie weggeblasen und er schoss enttäuschte Blicke zu Rezo. Jasmin schaute zwischen uns hin und her und schien langsam zu realisieren, was gerade passiert war. Lediglich Lisa erweckte den Eindruck völlig ahnungslos zu sein: „Leute, was ist denn hier los?"

Bevor ich in der Lage war etwas zu antworten, meldete sich Ju zu Wort, dessen Stimme nüchtern klang: „Rezo hat sich scheinbar ein wenig mit Maya vergnügt."

Maya. Bei dem Namen klingelte eine unschöne Erinnerung in meinem Kopf. Mein Blick wanderte zurück zu dem Blauhaarigen, der einen undeutbaren Ausdruck im Gesicht hatte: „Was ist denn hier das Problem?"

Da brannte mir endgültig die Sicherung durch: „Das Problem ist, dass ich dir auch nur ein Fünkchen Vertrauen geschenkt habe. Das Problem ist, dass mich eben auf der Tanzfläche hart angemacht hast. Das Problem ist, dass ich mir verdammt nochmal Hoffnungen gemacht hab, weil- ich weiß auch nicht- du mich vor deiner Haustür geküsst hast am Samstag. Das Problem ist, dass du dich da nicht mehr dran erinnern kannst. Das Problem ist, dass du trotzdem grade mit dieser Schlampe rumgemacht hast. Das verfickte Problem ist, dass ich Gefühle für dich habe und mein Herz grade unfassbar weh tut. Das Problem ist, dass ich mich in dich verliebt hab, obwohl du hetero bist man."

Blue •rezofyWhere stories live. Discover now