Kapitel 45

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P.o.V. Rezo

Nachdem Ju und Jasmin unsere Sachen vorbeigebracht hatten, darunter der kleine Koffer von Mexi, verabschiedeten sie sich. Jasmin drückte mich fest an sich und flüsterte mir zu, dass sie morgen früh wiederkommen würde und ich auch etwas schlafen solle. Ju umarmte mich nach ihr und sagte nicht ganz so leise, dass er mir in den Arsch treten würde, wenn ich nicht mindestens ein paar Stunden schlafen würde. Dann war ich mit ihm alleine.

Zur Nachtruhe kam eine Schwester zu mir und erkundigte sich, ob ich noch etwas brauchen würde, aber ich verneinte und bedankte mich bei ihr. Kurze Zeit später stand sie mit einem Kaffee und einer zusätzlichen Decke in der Tür und meinte dann, dass ich das hier wohl doch ganz gut gebrauchen könnte. Also trank ich den Kaffee und zog die Decke über meine Schultern.

„Guten Morgen," eine sanfte Stimme weckte mich und ich sah in die Augen von Jasmin, die circa einen Meter vor mir stand. Hinter ihr erkannte ich zwei weitere Personen, die augenscheinlich Mexis Eltern waren. Meine Glieder waren steif, ich war neben dem Bett auf dem Stuhl eingeschlafen, hielt allerdings immer noch Mexis Hand fest in meiner.

„Guten Morgen," augenblicklich richtete ich mich etwas auf und streckte meine Beine aus. Dann ließ ich vorsichtig seine Hand los, was sich irgendwie so anfühlte, als würde ich ihn alleine lassen, obwohl das nicht stimmte. Nachdem ich die Decke von meinen Schultern genommen und über die Lehne gehängt hatte, gab ich Jasmin eine feste Umarmung, die sie sofort erwiderte. Anschließend atmete ich einmal tief durch und stellte mich seinen Eltern, die mittlerweile am Bett standen und ihren Sohn betrachteten.

„Ich wünschte wir hätten uns unter schöneren Umständen kennenlernen können, aber da wir nun leider alle hier sind, werde ich die Gelegenheit nutzen und ich mich anständig vorstellen. Mein Name ist Rezo und ihr Sohn und ich führen seit geraumer Zeit eine Beziehung."

„Es ist sehr schön dich kennenzulernen, trotz der Umstände," seine Mutter schloss mich in ihre Arme und gab mir ein Küsschen auf die Wange.

Sein Vater musterte mich einen kurzen Moment, gab mir dann jedoch auch eine kurze, aber herzliche Umarmung: „Es freut uns sehr dich endlich kennenzulernen."

Das war besser gelaufen, als ich dachte. Die letzten Eltern, denen ich mich hatte vorstellen müssen, waren die von Julia gewesen. Leider waren sie von unserer Beziehung damals nicht ganz so überzeugt gewesen und hatten Angst ich würde ihnen ihre Tochter wegnehmen wollen. 

Da hörte ich Mexis Mutter ihr Wort an Jasmin richten: „Du hattest Recht, ihr sieht wirklich sehr gut aus und höflich ist er auch noch."

Das brachte mich zum Lächeln und die Worte seines Vaters erzeugten in mir den ersten Funken Wärme seit gestern Morgen: „Ach selbst, wenn er aussehen würde wie ein Pferd, solange er unseren Sohn glücklich macht, interessiert mich das nicht."

„Wir gehen mal ein bisschen spazieren und lassen euch ein bisschen Zeit alleine mit ihm, sagt uns bitte Bescheid, sobald der Arzt kommt, ich wollte mich noch nach etwas erkundigen."

Damit wurde ich von ihr aus dem Zimmer gezogen und den Gang entlang zum Aufzug. Während wir warteten, stieß sie mich mit dem Ellenbogen an: „Sie scheinen dich zu mögen."

„Das kannst du wahrscheinlich besser beurteilen als ich, aber mein erstes Gefühl war auch recht gut."

„Sie haben bis jetzt selten so herzlich bei Partnern von Mexi reagiert."

„Das beruhigt mich, ich hatte ziemlich Angst davor, dass sie mich vielleicht gar nicht mögen."

„Du sorgst dafür, dass er lacht und hast die ganze Nacht an seinem Bett geschlafen, weil er dir so wichtig ist. Sei froh, das sie dir nicht direkt um den Hals gefallen sind."

Darüber musste ich ein bisschen schmunzeln, bis sich die Türen des Aufzugs öffneten und Toni uns entgegenkam, bepackt mit zwei Büchern und einer kleinen Topfpflanze.

„Hey Leute, was wollt ihr denn am Aufzug?"

„Seine Eltern sind da und wir wollten kurz ein bisschen spazieren gehen."

„Oh dann wartete kurz auf mich, ich komme mit."

Prompt war er an uns vorbei und den Gang entlang in Richtung des Zimmers von Mexi. Bis jetzt hatte ich mich noch nicht so viel mit ihm unterhalten, aber er schien sehr nett zu sein und ich hatte kein Problem damit ihn besser kennenzulernen. Also warteten wir noch zwei Minuten bis er, diesmal ohne Bücher und Pflanze, wieder auftauchte. 

Da kam der Arzt, der auch gestern mehrfach in Mexis Zimmer gewesen war, an uns vorbei und Jasmin hielt ihn auf.

„Ach hallo Doktor Konstatin, ich hätte eine kurze Frage an sie."

„Ja natürlich, wie kann ich ihnen helfen?"

„Wäre es möglich, dass sie Zimmer 408 einen kurzen Besuch abstatten und die Eltern unseres Freundes über den momentan der Dinge aufklären könnten. Wir machen uns alle sehr große Sorgen und ich weiß, dass sie mit uns nicht über Einzelheiten sprechen können."

„Genau dorthin wollte ich gerade. Machen sie sich keine Gedanken, bis jetzt sehen alle Tests gut aus, aber die Eltern des Patienten werden ihnen das dann gleich noch näher erklären können."

„Vielen Dank."

„Keine Ursache." Der Mann in weißem Kittel lief in die gleiche Richtung, aus der Toni eben gekommen war und betrat kurze Zeit später das Zimmer in dem Mexi lag. 

Erleichtert atmete ich auf und legte meinen Kopf in den Nacken.

„Siehst du, ich hab dir doch gesagt, dass es ihm bald besser geht."

„Ja, aber eine medizinische Meinung war mir da doch etwas mehr wert."

„Gemein, aber verständlich."

„Okay los geht's, ich hab richtig Hunger und unten gibt es ein Café." Toni drückte den Knopf für den Aufzug und die Türen öffneten sich.

Die Sonne und frische Luft draußen, hatten mir richtig gut getan. Allmählich merkte man den kühleren Wind und die ersten Anzeichen des Herbstes. Oben angekommen betraten wir das Zimmer leise und trafen auf seine Eltern, die links und rechts des Bettes saßen.

„Da seid ihr ja wieder, der Arzt war vorhin hier."

„Ja, wir hatten ihn bereits auf dem Gang getroffen und gebeten, dass er euch doch schnellstmöglich auf den neusten Stand bringt."

„Die Tests sehen alle gut aus und sie konnten keinen Hirnschaden feststellen. In zwei Stunden wollen sie schon die Aufwachphase einleiten."

Überglücklich fielen wir drei uns in die Arme. Diese Nachricht war eine der besten, die ich in meinem Leben jemals bekommen hatte. Tränen der Freude liefen mir über die Wangen und der hochhausgroße Stein, der seit gestern auf meinem Herzen gelegen hatte, fiel endlich herunter. Er würde aufwachen. Er würde nach Hause kommen. Zu mir.

Blue •rezofyWhere stories live. Discover now