Kapitel 8

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P.o.V. Mexi

Gegen halb 10 hatte ich Rezos Wohnung verlassen und mich auf den Weg zu mir gemacht. Meine Gedanken fuhren noch ein bisschen Karussell und ich bekam nichts so richtig zu fassen. Er war gestern auf meiner Schulter eingeschlafen und hatte dabei ziemlich erledigt und auch sehr niedlich ausgesehen. Heute Morgen allerdings hatten mich Schreie aufgeweckt und ich hatte mit seiner, zugegeben sehr hübschen, Ex-Freundin Bekanntschaft gemacht. Mir hatten so viele Fragen auf der Zunge gebrannt, aber ich hatte die Situation nicht noch schlimmer machen wollen. Und dann hatte ich tatsächlich seine Hand genommen, um ihn zu beruhigen. Ich verdammter Idiot, am liebsten würde ich mir selbst eine Backpfeife geben. Es war nicht die beste Idee, sich wie ein verliebter Trottel zu benehmen, wenn der andere nicht nur nicht interessiert war, sondern auch noch hetero. Außerdem wollte ich doch gar nichts von ihm, er war trotz allem ein ziemlicher Arsch, auch wenn er sich mir gegenüber die allergrößte Mühe gab, nett zu sein.

Beinah wäre ich an meiner Haustür vorbeigelaufen. Hektisch kramte ich den Schlüssel aus der Tasche und betrat den Hausflur, es roch nach einer Mischung aus nassem Hund und Kaffee. Zum Glück musste ich nur in den ersten Stock. Es war weiterhin rekordverdächtig heiß und in meinem Flur angekommen entledigte ich mich direkt meines Shirts und der Schuhe. Das Festnetztelefon leuchtete rot und ich drückte darauf, um die Mailbox abzuhören.

„Sie haben eine neue Nachricht. Nachricht eins, gestern um 21:27: ‚Hey Mexi, hier ist Tim, scheinbar bist du nicht zuhause, meld dich mal, sobald du da bist. Tschau.' Nachricht Ende."

Tims seltsame Angewohnheit war es, immer zuerst auf dem Festnetz anzurufen und es dann meistens auf dem Handy gar nicht zu versuchen. Seufzend nahm ich den Hörer von der Station und wählte seine Nummer.

„Mexi, was geht?"

„Hei Tim, kam gerade nach Hause, was wolltest du gestern?"

„Ich wollte rumkommen zum Zocken, du hast doch Urlaub, oder?"

„Ja klar, du kannst auch jetzt kommen, hab bis heute Mittag nichts mehr vor.?

„Ja geil, dann bin ich gleich da."

Es knackte in der Leitung und das Gespräch war beendet. Mit etwas Glück fragte er mich nicht zum gestrigen Abend aus. Tim mochte Rezo nicht. Er hielt ihn für ziemlich arrogant und selbstverliebt, außerdem hatte ich mich dummerweise bei ihm über Rezo aufgeregt. Sicherlich wäre er nicht begeistert, wenn er erfuhr, wo ich gestern war und wo ich heute wieder hingehen würde.

Wenig überraschend, hatte er es nicht vergessen und fragte mich aus, sobald er über die Türschwelle getreten war: „Na, wo warst du denn gestern Abend? Ist es eine Sie oder ein Er oder keins von beidem? Sieht- die Person gut aus?" Bevor er mit noch mehr Fragen um sich werfen konnte, stoppte ich ihn und hielt ihm den Mund zu: „Beruhig dich Tim, komm erstmal rein und setz dich." Ruckzuck kickte er die Schuhe von den Füßen und verschwand im Wohnzimmer. Lachend folgte ich ihm und erblickte ihn dann gespannt wartend auf der Couch.

„Erzähl mir alles!" forderte er stützte den Kopf auf seine Hände.

„Da gibt es nichts zu erzählen," bremste ich seine Euphorie, „ich hab nur bei nem Freund geschlafen."

„Also ist es ein er," scheinbar hatte er den Anfang meines Satzes einfach überhört.

„Nein, ich hab nur dort übernachtet und es lief absolut 0,0."

Enttäuscht ließ er die Schultern sinken: „Schade, ich hatte schon Hoffnung, dass der kleine Mexi endlich mal jemanden gefunden hat."

„Hey, ich bin gar nicht so klein und außerdem bezweifle ich, dass du dich darüber gefreut hättest."

Jetzt wurde er misstrauisch: „Wieso das? Kenn ich ihn? Sag mir nicht es ist der Idiot aus dem Club, wie hieß er noch- Reno?"

Here we go.

„Er heißt Rezo und er ist kein Idiot."

„AHA! Du warst also bei ihm."

Mist.

„Jaa, aber wir haben nur einen Film geschaut und ich hab auf der Couch gepennt." Den Rest des Tages umschiffte ich großzügig und setzte eine Unschuldsmiene auf.

„Man Mexi, du verknallst dich immer in die größten Deppen. Was willst du denn mit dem, der ist doch sowieso straight wie ein fucking Lineal."

„Ich bin weder verknallt, noch will ich was von ihm. Wie du schon sagst: Er ist straight."

„Weil du dich nur in die Idioten verliebst, die nichts von dir wollen, dich ausnutzen oder die nicht mal bi sind. Wie oft müssen wir das noch zusammen durchmachen, bis zu du dir endlich jemand vernünftigen suchst?"

„Hei, ich steh nicht auf ihn, verliebt bin ich schonmal gar nicht, ich finde ich nicht mal besonders attraktiv," okay das letzte war gelogen, aber das musste Tim ja nicht wissen.

Er musterte mich skeptisch: „Und da bist du dir ganz sicher, ja?"

„Absolut. Er hat sich bei mir entschuldigt und wir verstehen uns ganz gut, mehr ist da nicht."

„Gut, dann will ich dir mal glauben. Können wir jetzt zocken?"

„Wäre es nach mir gegangen, hätten wir schon vor 5 Minuten anfangen können."

Völlig abgehetzt bog ich um den letzten Häuserblock in die Vereinsstraße. Während ich mit Tim Rocket League gespielt hatte, war die Zeit so schnell vergangen, dass ich um erst um halb fünf wieder auf meine Uhr sah. Schnell hatte ich Tim aus der Wohnung komplimentiert, mit der Ausrede, dass ich den Besuch meiner Eltern völlig vergessen hatte und noch aufräumen müsste. Das Outfit, welches ich in der Eile zusammengeworfen hatte, ließ zu wünschen übrig, aber das konnte ich jetzt auch nicht mehr ändern. Als ich Rezo anrufen wollte, um Bescheid zu geben, dass ich etwas später kam, war mir eingefallen, dass ich seine Nummer überhaupt nicht hatte. Also war ich wie der letzte Depp den ganzen Weg von mir zu ihm gerannt und kam nun endlich keuchend und schnaufend am Haus an. Selbst auf dem Weg die Treppen nach oben schaffte ich es nicht mich zu beruhigen und hörte mich an, wie ein sterbendes Walross. Im offenen Türrahmen stand Rezo mit zwei vollen Gläsern in der Hand. Er reichte mir eins davon und grinste: „Na, bereit für heute Abend?"

Fuck, vielleicht hatte ich Tim doch angelogen.

Blue •rezofyWhere stories live. Discover now