Kapitel 22

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P.o.V. Rezo

Mies war kein Ausdruck dafür, wie ich mich fühlte. Miserabel und erbärmlich traf das Ganze schon eher oder einfach scheiße. Mein Handy hatte seit gestern vollkommen stillgestanden, keine privaten Nachrichten, kein Wort im Gruppenchat. Niemals hätte ich gedacht, dass Ju Recht haben könnte und ich Mexi Hoffnungen machte. In der Retrospektive war das allerdings Schwachsinn. Und dieser Kuss... in dem Moment, als ich Mexi dort stehen sah, blitzte es klar in meinem Kopf auf. Mexi, der weinend vor meiner Tür stand und wie überfordert ich war, ich war total besoffen verdammt. Eine Entschuldigung war das jedoch trotzdem nicht. Ich hatte ihn geküsst, es war kein Versehen gewesen, es war nicht von ihm ausgegangen, ich hatte ihn zu mir gezogen und geküsst. Fest schlug ich mir die Hand gegen die Stirn und stöhnte auf: „Ich bin so ein Idiot!"

„Da muss ich dir ausnahmsweise mal Recht geben," im Rahmen der Wohnzimmertür tauchte Ju auf, düster dreinblickend.

„Bist du hier, um mir einen Vortrag zu halten? Dann leg los, ich will mir danach weiter selbst Vorwürfe machen."

„Dafür bin ich her gekommen ja, aber es ist schön zu sehen, dass du einsiehst, dass du Scheiße gebaut hast."

„Ja verdammt, das weiß ich. Dieser Junge macht mich verrückt. Erst haben wir so einen beschissenen Start, dann werden wir Freunde und jetzt das."

„Hast du etwas anderes erwartet? Hast du mal richtig hingesehen? Hast du euch beiden mal zugesehen?"

„Was meinst du?"

„Rezo, du hattest mal gesagt, dass Mexis Augen immer strahlen und leuchten, wenn du ihn siehst."

„Ja hab ich, aber was hat das damit zu tun?"

„Das tun sie nur, wenn er dich anschaut. Und dann müsstest du mal sehen, wie er dich ansieht."

„Wie sieht er mich denn an," ich hatte das Gefühl, dass wir hier um den heißen Brei herumredeten.

„Sag mir nicht, dass dir das nicht aufgefallen ist. Mexi ist nicht wirklich gut darin seine Gefühle zu verstecken. Seine ganze Weise wie er mit dir umgeht, er fühlt sich sicher bei dir, er vertraut dir und vor allem empfindet er etwas für dich."

„Naja, ich schätze das Vertrauen hab ich jetzt ziemlich zerstört."

„Da magst du Recht haben, aber hast du ihm gestern richtig zugehört?"

„Du meinst, ob ich gehört habe, dass er sich in mich verliebt hat? Um ihn zu zitieren: Das Problem ist, dass ich mich in dich verliebt hab, obwohl du hetero bist man? Der Satz hat sich quasi in mein Gehirn gebrannt."

„Genau," mehr sagte er nicht und es machte mich fertig, dass er so wenig dazu sagte.

„Okay ich hab Mist gebaut, das weiß ich, das musst du mir nicht sagen. Ich hab ihn geküsst und es dann einfach vergessen, ich hab ihn auf der Tanzfläche angemacht und das war ziemlich leichtsinnig von mir. Wie hätte ich erwarten sollen, dass er sich in mich verliebt, verdammt? Sag nicht, ich hab's dir ja gesagt, das bringt mich jetzt nicht weiter."

„Die Frage, die du dir jetzt stellen musst, ist, warum dein betrunkenes Gehirn dachte, dass es eine gute Idee ist ihn zu küssen und dann im Club anzutanzen. Von meinem Platz aus, konnte ich klar sehen, dass all das von dir ausgegangen ist und kein bisschen von ihm. Die Küsse auf seine Wange und wie du dich an ihn gedrückt hast, der Moment, als Mexi beschlossen hat sich fallen zu lassen und auf dich eingegangen ist. Danach musst du dich fragen, wieso du dachtest es sei eine gute Idee nach alldem mit Maya auf dem Balkon rumzumachen."

„Ich weiß es doch nicht man. Als er vor meiner Tür aufgetaucht ist, das war- schlimm, ich konnte ihn nicht beruhigen, ich war überfordert und wenn ich sonst Leute beruhige, sind das heulende Tussis, also hab ich das gemacht, was ich immer mache- „

„Mexi ist aber keine von deinen besoffenen Schlampen!"

„Das weiß ich verdammt. Er war so hilflos und ich wusste nicht, was ich tun sollte, es ist einfach passiert."

„Schön, darüber kannst du dir ja noch in Ruhe allein Gedanken machen. Kommen wir zu der netten Szene auf der Tanzfläche, erläutere mir mal deinen Gedankengang."

„Die Stimmung war gut und dieses Lied man, das macht mich immer verrückt. Er stand so nah bei mir und ich hab ihn einfach zu mir gezogen, weil es in dem Moment in meinem Kopf der einzig logische Schritt war. Das Outfit, das er anhatte und der Pegel von uns allen, das hat sich alles richtig angefühlt."

„Merkst du eigentlich, was du da von dir gibst, oder muss ich dir alles buchstabieren?"

„Was genau meinst du?"

„Du hast gerade eben gesagt, dass du sein Outfit geil fandest und es sich alles richtig angefühlt hat. Du kannst dich selbst gerne noch länger belügen, aber mich kannst du nicht verarschen. Genau diese Gedanken beweisen es und vielleicht kommst du bald an den Punkt, an dem du es auch endlich begreifst."

„Was denn man?! Was zur Hölle soll das sein?"

„Rezo du bist nicht hetero, warst du wahrscheinlich noch nie. Dein Hirn zeigt dir andauernd, dass du mehr für ihn übrig hast, als nur Freundschaft und du hast es jetzt so lange konsequent ignoriert, bis es zu spät war."

„Das ist doch Bullshit, ich will nichts von Mexi!"

„Jede deiner Taten schreit aber etwas anderes und das kannst du nicht leugnen."

„Womöglich hab ich es von Anfang an etwas übertrieben, aber ich will nichts von ihm."

„Dann erzähl mir bitte mal, woran du denkst, wenn du seinen Namen hörst."

„Wieso das?"

„Machs bitte einfach."

„Von mir aus. Zuerst natürlich an seine Augen, vor allem an dem Tag, wo ich in der Stadt gegen ihn gerannt bin. Dann an sein Lachen, wenn ich einen dämlichen Witz gemacht hab oder er einfach glücklich ist. Der Tag, an dem wir dein Auto eingesaut haben und Lasertag gespielt haben. Wie niedlich er aussieht, wenn er auf meiner Couch schläft und an die Bilder in seinem Flur, wo er noch klein war. Wie er gestern Abend angezogen war, weil er sowas noch nie anhatte und- naja- dann daran, wie er dastand und mich angeschrien hat. Das macht mich am meisten fertig..."

„Gut, dann lasse ich dich mit diesen Gedanken jetzt mal alleine. Meine Arbeit hier ist getan. Wir sehen uns morgen." Damit verschwand er und ließ mich auf der Couch zurück.

Was meinte er damit? Was sollte mir das jetzt sagen? Mein ganzes Leben war ich nur mit Mädchen und Frauen zusammen gewesen, das würde sich jetzt doch nicht ändern, nur wegen einer Person. Oder?

Blue •rezofyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt