Kapitel 35

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Ich rutschte tiefer in den Sessel und wollte mich am liebsten in dem Möbelstück verstecken. Plötzlich war mir dieser „Aussetzer", nennen wir es einfach so, sehr unangenehm. Ich hatte mich hinreißen lassen, gerne hätte ich es auf den Restalkohol geschoben, aber das wäre gelogen.

Frau Dr. Gibbens ließ sich mit einer Tasse Tee, die nach Kamille roch auf dem Stuhl mir gegenüber sinken. Sie hatte neue goldenen Perlen in ihren geflochtenen Zöpfen, einige klingelten leise bei jeder ihrer Bewegungen.

Gutmütig wanderte ihr Blick über mich, wie ich da zusammengesunken in dem Korbstuhl saß und den Blick auf diesen grässlichen orangefarbenen Teppich heftete. Diese Farbkonstellation aus Orange, Grün, Rot und Sonnengelb, wurde nicht schöne je länger man sie betrachtete. Im Gegenteil.

„Willst du mir erzählen was am Wochenende passiert ist?", ihre Stimme klang sanft und mütterlich. Ihre Tasse stellte sie auf einen kleinen Holztisch neben dem dunkelblauen Sofa, auf dem sie es sich bequem gemacht hatte.

Ich schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. Von wollen konnte hier nicht die Rede sein. Lieber wäre ich im Stall und würde meinen Pferden die Ohren vollheulen. Ich hatte aber wohl keine Wahl und würde mich dieser Sache stellen müssen.

„Leonard...", seufzte sie und lächelte mich ganz lieb und beruhigend an. Beruhigend legte sie eine Hand auf meine und rückte dann ihre lilafarbene Cateye Brille zurecht, die sie immer dann trug wenn sie schrieb. „Du musst reden. Nur so können wir dir helfen. Das Thema hatten wir doch schon!"

Ja, das Thema hatten wir und wir hatten dann auch geredet. Aber jetzt fiel es mir wieder sehr schwer. Es war wie eine Blockade im Kopf. Sie stand aufrecht und massiv, mitten drin. Je mehr es in Richtung des Themas ging, desto mehr wollte ich mich verschließen.

„Ich hole Winnie rein. Das hat dir ja schon einmal ganz gut geholfen. Zusammen arbeiten wir gegen diese Barriere an. Okay?"

In einer fließenden Bewegung stand sie auf und ging zurück zur Tür. Mit einem leisen Pfeifen holte sie ihre Hündin Winnie herein, die sofort schwanzwedelnd zu mir herüber rannte.

Ich tauchte meine Hand in ihr dichtes schwarzes Fell und kraulte sie am Rücken. Sofort schmiegte sich der kleine schwarze Hund an mich und blinzelte mich ganz lieb an. Mit ihrer rauen Zunge leckte sie mir über den Handrücken. Beinahe fühlte sich das tröstlich an.

„Wo fangen wir an?", fragte Frau Doktor Gibbens und rückte zum wiederholten Male ihre Brille zurecht. Ihre Beads klingelten dabei wieder leise. Es war beinahe wie bei einem Windspiel.

Die hatte ich als Kind eigentlich immer gemocht. Mama hatte eins in die große Eiche im Garten gehangen, wann es verschwunden war wusste ich nicht. Kurz keimten die Erinnerung an laue Sommerabende in den Sommerferien in mir auf. Was waren das noch für Zeiten gewesen.

Ich zuckte mit den Schultern. Woher sollte ich das wissen? Gut, es war mein Leben über das wir hier redeten. Folglich sollte ich wohl wissen wo wir anzufangen hatten.

Langsam nickte Doktor Gibbens und blinzelte mich wieder vertrauensvoll durch ihre dicken Brillengläser an. „Dann fangen wir damit an, dass du mir von dem Turnier erzählst. Ihr wart doch da, oder?"

„Ja, wir waren da!", hörte ich mich selbst wie mechanisch sagen. Winnie stellte sich auf die Hinterläufe und legte mir die Vorderpfoten an den Unterschenkel. Unsicher blickte ich zu Doktor Gibbens herüber.

„Du kannst sie auf den Schoß nehmen."

Sofort beugte ich mich herunter und hob die kleine Hündin vorsichtig hoch. Kaum hatte ich sie auf meinen Oberschenkeln heruntergelassen, rollte sie sich schon auf meinem Schoß zusammen. Den Kopf bettete sie auf meiner Hand. Mit der anderen kraulte ich sie Gedankenverloren hinter den aufgestellten Ohren.

Des Springreiters Stolz- (2022 Version)Where stories live. Discover now