Kapitel 6

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Mama hatte mir Geld für das Benzin leihen müssen und ich kam mir schlecht vor so auf sie angewiesen zu sein, obwohl ich Vollzeit arbeitet.

Doro hatte mir auch Probleme gemacht, als ich Urlaub anmeldete. Sie meinte sie wäre auf mich angewiesen und könnte ohne mich den Stall nicht am laufen halten. Eine Lüge. Sie müsste nur mal einen Finger rühren und ich stellte mich schon darauf ein am nächsten Tag zu einem vollkommenen Chaos zurückzukehren.

Innerlich hoffte ich das Vorstellungsgespräch wäre ein Erfolg. Vielleicht kam ich ja so aus dieser schrecklichen Reitschule raus und sollten Roths doch noch einen Job für mich haben, könnte ich ja immer noch überlegen was ich tat.

War ich vorher nicht aufgeregt, änderte sich das schlagartig als ich meine klapprige Schrottkiste auf den ausgewiesenen Gestütsparkplatz lenkte.

Weiße massive Zäune säumten die Einfahrt, dahinter die gefühlt gepflegtesten Weiden, die ich je gesehen hatte. Das große steinerne Schild „Gestüt Speyer" zierte wohl das Familienwappen der von Speyers in Gold, darunter der geschwungene Schriftzug „Gestüt Speyer" ebenfalls in Gold und wie es aussah wohl auch abends beleuchtet.

Ich fühlte mich eingeschüchtert. Alles sah so anders aus als ich es mir vorgestellt hatte. Edler, größer, schicker.

Mit den Augen sucht ich automatisch nach einem der Wegweise, der an einer Laterne angebracht war. Ein Pfeil ging geradeaus „Stallungen und Trainingsanlage". Es juckte mich zwar in den Fingern mir das anzugucken, aber dafür war ich nicht hier. Der nächste Pfeil ging nach halblinks „EU Besamungsstation", da wäre ich wohl auch falsch. Ganz untern dann endlich ein Pfeil ebenfalls nach halblinks „Sekretariat, Pferde- und Turnieranmeldung".

Also stiefelte ich in meinen schicksten Stiefeletten, die Einfahrt weiter runter und bog auf den nächsten Weg links ab. Hoffentlich verlief ich mich nicht. Das Haupthaus stand im Zentrum und ließ so keinen Blick auf die Ställe zu. Die Steinwege wurden immer wieder von gelenkschonenden Sandwegen durchbrochen und von überall hörte man Pferde. Fasziniert blieb ich stehen und sah mich noch etwas weiter um.

Einfach wow! Riesig und so verdammt gut durchdacht!

Ich musste mich zusammenreißen meinen Weg fortsetzten. Sekretariat, reif ich mir in Erinnerung und suchte mit den Augen die massiven weiß gestrichen Gebäude nach Schildern oder ähnlichen Hinweisen ab. Tatsächlich steckte in einem kleinen sehr schicken Blumenbeet, ein mindestens genauso schickes Schild auf dem in großen Lettern „Sekretariat" stand und darunter „Pferde- und Turnieranmeldung. Öffnungszeiten Montags- Freitags 10-16 Uhr" und eine Telefonnummer.

Wo war ich hier nur gelandet? Ich hatte mir das irgendwie umprofessioneller vorgestellt. Warum auch immer. Die Bilder im Internet wurden dem Gestüt ganz klar nicht gerecht.

Meine Hände wurden schwitzig je näher ich der dunkeln Glastür kam und ich streifte sie mir schnell an der Jeans ab, ehe ich die Tür vorsichtig öffnete.

Kühle Luft schlug mir entgegen gepaart mit dem rauschen einer Klimaanlage und dem geschäftigen Klacken einer Tastatur.

Ich musste ein paar mal blinzeln ehe sich meine Auge an das Dämmerlicht gewöhnt hatte.

„Ja?", fragte die Frau am Computer vor mir und hob nicht mal ihren Blick um mich anzusehen. Irgendwie versicherte mich das.

„Äh...", bracht ich zögerlich heraus und fixierte meinen Blick automatisch auf das riesige gerahmte Bild hinter ihr an der Wand.

Sie seufzte und sah von ihrem Bildschirm auf, „Wenn eine Stute zur Besamung herbringen, dann fahren sie bitte direkt zur Station vor. Antonia wird dort die Anmeldung übernehmen"

Des Springreiters Stolz- (2022 Version)Where stories live. Discover now