Kapitel 3

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Müde blinzelte ich in die tief stehende Sonne, die mir unverhohlen ins Gesicht schien. Sie schien, als wäre nichts. Sie schien, als wäre die Welt in Ordnung, brannte auf den Springplatz runter, an dessen Rand ich auf einer Bank saß. Meinen Arm trug ich in einer Schlinge, der Sturz war doch nicht so glimpflich gewesen wie ich erst dachte. Eine leichte Fraktur in der Schulter. Nichts was einem Weltuntergang gleich kam und in wenigen Wochen auch wieder Geschichte war.

Das, was keine Geschichte war und wohl auch nicht so schnell werden würde, war das Video von dem Sturz. Irgendjemand hatte ihn gefilmt und bei Instagram hochgeladen, mich darin sogar getagt, dann hatte die erste von diesen Viralen Pferdecontentseiten das Video gepostet. Wieder war ich getagt worden und es hatte nur so gemeine und gehässige Kommentare gehagelt.

„Wenn er so gut reitet, hätte er das wissen müssen",

„Das Pferd wird ganz klar schlecht behandelt, sonst hätte es das nicht gemacht",

„Will einfach nicht springen! Es dann auf einem Turnier zu reiten ist dann einfach nur missbrauch!",

„Selten so gelacht! Was ein Depp und der soll gut reiten",

„Das kann ich mit 11 besser!"

Und das waren nur die Harmlosen. Mein Instagram hatte nicht still gestanden. Mitleid gab es von keiner Seite. Ich wurde hingestellt wie der letzte Idiot und Pferdequäler. Aber so war die Instagramcommunity anscheinend. Wenn man nicht nur, mit Halsring, lachend, über ein Lavendelfeld galoppierte und Kunststücke mit seinem Pferd machte, hatte man plötzlich eine Armee von 13-jährigen Pferdemädchen gegen sich, die meinten, sie wüssten besser, wie du dein Pferd zu reiten hast.

Als wäre das nicht genug und hätte nicht schon für genug Stress in der Familie gesorgt, da natürlich auch das Gestüt unter Feuer gestanden hatte, bis meine Mutter die Seiten auf Instagram und Facebook kurzzeitig offline genommen hatte, war Klara wirklich weg.

Sie hatte sich an dem Tag einfach umgedreht und war gegangen. Ich hatte verwirrt vor dem Transporter gestanden und erst mal nicht verstanden, was passiert war. Alleine, wenn ich schon daran zurückdachte, wie sie gegangen war, drehte sich mir der Magen wieder um und ich wollte mich am liebsten einfach irgendwo einschließen bis alles vorbei war.

Das schlimmste war auch noch, dass ich keinen Tag später erfahren hatte, mit wem sie mich betrogen hatte und das war wohl der härteste Schlag ins Gesicht gewesen, den man sich nur vorstellen konnte. Kai Matchzek war jetzt ihr neuer Freund.

Sie hatte zumindest noch dran gedacht, alle Bilder von uns von ihrem Instagramprofil zu löschen, bevor sie ein Bild von sich und Kai postete. Kurz darauf war ich dann geblockt und heulte mir gefühlt die Augen aus dem Kopf.

Ich legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Es war doch alles scheiße! Warum hatte alles so kommen müssen? Warum war das Universum so gegen mich? Was hatte ich der Welt getan, dass ich genau das verdient hatte?

„Leo!", riss Quentin mich aus meinen Gedanken. Langsam hob ich den Kopf. Er war mit seinem Berittpferd am Zaun stehen bleiben und blinzelte mich besorgt an, „Hör auf damit dich so fertig zu machen! Man kann deinen Kopf fast schon explodieren sehen!".

Ich verzog das Gesicht. Er sagte das so leicht!

Quentin hatte einen gewissen Ruf hier. Die Mädchen prügelten sich beinahe schon um ihn, während er eine nach der Anderen abblitzen ließ. Er sah aber auch aus wie der Fleisch gewordene Traum jedes Teeniemädchens, dem aber auch die ein oder andere Hausfrau hinterher schmachten würde. Dazu kam noch sein verdammtes Charisma, mit dem er jeden immer so einwickeln konnte, dass er auch wirklich alles bekam. Sein Lächeln war immer eine Spur zu charmant und die Sprüche lagen ihm lose auf der Zunge.

Des Springreiters Stolz- (2022 Version)Where stories live. Discover now