Kapitel 9

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Der goldene Käfig war nach wie vor verschlossen. Die Wohnzimmertür war mein einziger Weg mich von der Außenwelt abzuschirmen.

Ich konnte niemandem wirklich in die Augen sehen.

Hätte es geklappt, wären sie wohl Wochen lang traurig gewesen und hätten mich dann verdräng, meine Existenz quasi ausradiert.

Jetzt aber waren sie wütend enttäuscht und zutiefst verletzt. Man sah es ihnen an und ich machte mir vorwürfe. Vorwürfe dass es nicht geklappt hatte, dass ich auch dafür einfach zu blöd gewesen war.

Ehe mein Gedankenkreis sich zu einer selbstkreierten Schlinge um meinen Hals verwandeln konnte, stopfte ich mir die Kopfhörer in die Ohren und versuchte mich einfach nur auf die Musik zu konzentrieren.

Musik half mir zumindest etwas diese ganze schieße zu verdrängen, die sich vor mir aufräumte und unüberwindbar schien.

Müsste ich eine Bestandsliste aufnehmen klänge sie wohl so:

- Immer noch ein angebrochenes Schlüsselbein, bis zur Physio kein reiten möglich

- Turniere wollte ich lieber erstmal nicht mehr reiten, den Ruf als Lachnummer würde ich noch etwas mit mir rumtragen müssen

-Freundin, korrigiere Ex-Freundin liegt jetzt in den Armen meines größten Rivalen

Der letzte Punkt war eindeutig der schlimmste. Ich hatte vorher nie realisiert wie sehr ich von Klara abhängig war, rein emotional betrachtet. Vielleicht weil ich immer eher der unscheinbare Typ gewesen war. Ich hatte mir nie viel aus Geld und dem Gestüt gemacht. Es war für mich normal gewesen. Für Klara eine neue faszinierende Welt voller Glitzer, großer Events und Gesehenwerdens.

Vielleicht hätte mir das damals zudenken geben sollen, aber auch jetzt fiel es mir schwer zu akzeptieren, dass Klara vielleicht mehr diesen Lebensstil, als mich geliebt hatte.

Ich konnte mir das einfach nicht vorstellen, zumal sie mir auch geschrieben hatte, als sie wohl von meinem Selbstmordversuch gehört hatte. Sie hatte wissen wollen wie es mir ging. Nicht mehr nicht weniger. Ich redete mir trotzdem ein, dass sie nur fragte weil ihr noch etwas an mir lag und nicht weil es sich so gehörte.

Wieder stiegen mir bei dem Gedanken Tränen in die Augen. „Weil es sich so gehört" war eine scheiß Begründung! Das war dasselbe wie „Das haben wir schon Jahrzehnte so gemacht, damit hören wir jetzt nicht auf!" Das war doch einfach nicht fair!

Eigentlich müsste ich wütend sein auf Klara und vor allem auf Kai, dem es wahrscheinlich auch noch freute mich so verletzte zu haben. Ich konnte mir sein hämisches Grinsen beinahe schon vorstellen. Das musste diesem Arschloch doch richtig Freude gemacht haben zu hören, dass ich mich erst zum Gespött im Internet gemacht hatte und dann auch noch an einem Suizid gescheitert war. Es würde mich auch nicht wundern, wenn er oder einer seiner Freunde dieses Video hochgestellt hatten. Das würde zu ihnen passen.

Quentin meinte das zumindest auch. Seit ich hier im goldenen Käfig festsaß hatte es ihn erst einmal her verschlagen. Man merkte ihm an, dass er nicht ganz wusste mit mir umzugehen. Die Situation war unangenehm gewesen und wir waren beide froh, als er wieder an die Arbeit musste. Helena wäre mir beinahe lieber gewesen.

Ich von Helli manchmal etwas einfühlsamer und dadurch angenehmer wenn es einem wirklich nicht gut ging. Mama sagte gestern sie habe noch mir gefragt. Trotzdem hatte ich sie noch nicht wieder zu Gesicht bekommen und fühlte mich beinahe verraten. Wahrscheinlich verbracht sie auch nur gerne Zeit mit mir wenn Quentin bei mir war.

Bitter schnaubte ich auf. Setzten wir also den Freundezähler wieder auf Null! Außer ihnen hatte ich niemanden und das war mir vorher auch nie wirklich bewusste gewesen.

Des Springreiters Stolz- (2022 Version)Where stories live. Discover now