Kapitel 19

176 8 9
                                    

"Jango?", fragte Mara irritiert und schlüpfte aus ihren ausgelatschten Chucks, die sie wohl mehr liebte als ihre Stiefeletten in denen ich sie am ersten Tag gesehen hatte.

Ich seufzte und presste die Lippen für einen Moment fest zusammen. Diese Sache hatte keiner gut weggesteckt. Weder Helena, noch mein Vater. Gerade die beiden waren seitdem fast schon paranoid. Ich wusste nicht wie oft ich seitdem von meinem Zimmerfenster aus beobachtet hatte, wie Helena Abends nochmal in den Stall gehuscht war um zu checken, ob auch ja alles zu war.

"Vor rund zwei Monaten hatten wir hier auf der Anlage einen schweren Unfall, bei dem ein Pferd über ein angelehntes Gatter springen wollte und sich schwer verletzt hat", gab ich ihr widerwillig die Antwort. Das war nun wirklich kein leichtes Thema. "Was dachtest du denn warum wir einen neuen Pfleger gesucht haben. Jango sollte nie alleine auf der Weide bleiben, weil er nie gerne alleine irgendwo war."

Mara's Mundwinkel verzogen sich sofort nach unten und ihre blauen Augen nahmen einen mitfühlenden Ausdruck an. "Oh, das klingt echt alles andere als gut!"

Ich zuckte mit den Schultern. Wenn ich ehrlich war fühlte ich wieder mal nichts. Laut Internet wohl normal bei Depressionen. Wobei ich es doch etwas überdramtisch fand mich selbst mit Depressionen zu diagnostizieren, aber um eine fachliche Meinung zu bekommen müsste ich mit Frau Doktor Gibbens reden und das konnte ich momentan noch nicht.

"Ich habe Hunger!", teilte ich Mara noch einmal mit. Für mich hatte sich das Thema um Jango damit für heute. An einem anderen Tag könnte wir bestimmt nochmal genauer über den Unfall sprechen, aber jetzt hatte ich keine Lust.

"Gibt nur Nudeln, deine Mutter ist schon zurück im Stall und reitet gerade, glaube ich, Iris", teilte Papa uns aus der Küche mit und ich hörte Geschirr klappern.

"Das ist doch alles in Ordnung", strahlte Mara, wobei ich mir sicher war dass sie das auch gesagt hätte, hätte Papa verkündet es gäbe gerösteten Riesengrashüpfer. Sie schien wie jemand, der es sich nicht mit dem Chef verscherzen wollte.

"Wirklich nur Nudeln?", hakte ich daher nach und hoffte auf zumindest Pesto oder sowas und am besten Omas Basilikumpesto von dem wir unter garantier noch mindestens fünf Gläser im Vorrat stehen hatten, da Oma immer zu viel einkochte, einmachte und was wusste ich nicht alles. Sie hatte die Nachkriegsjahre sehr Präsent mitbekommen und daher erwartete sie beinahe immer einer Invasion, besonders mit steigendem Alter. Selbst ihr Altenheim, in dem sie eine kleine Wohnung bewohnte, bekam sie nicht vom einkochen abgehalten. Sobald die Frau Erdbeeren bekam, gab es Marmelade, die sie großzügig an uns weitergab und es auch nicht sein lassen konnte mir bei jedem Besuch nicht mindestens eine Packung Kekse aufs Auge zu drücken. Da fiel mir nur wieder ein wie lange ich sie schon nicht mehr besucht hatte und dass ich vielleicht, sollte das alles vorbei sein, mal bei ihr vorbeischauen sollte.

"Parmesan und Pesto stehen noch auf dem Tisch. Kannst du dich vielleicht mal bei deiner Oma durchsetzten dass wir weder Apfelmus, noch Marmelade noch Pesto brauchen. Wir müssen hier nun wirklich keine Armee durchfüttern." Papa hörte man das Schmunzeln deutlich an.

Mara musste kichern. "Das kenne ich von meiner Oma auch. Die Generation hat eben noch Teile vom Krieg mitbekommen. Das sitzt tief. Sie meinen es ja nur gut."

Laut Omas Heimleitung galten ihre Einkochaktionen nicht dem Allgemeinwohl, sondern waren zu unterbinden. Daher war sie wohl auch vor wenigen Wochen unter Hinzunahme eines Weihnachtsgeschenks, das wir alle schon vergessen hatten dazu übergangen Pesto herzustellen. Beschweren konnte ich mich zumindest nicht, auch wenn mir ein Blech ihres Apfelkuchens auch recht wäre.

"Naja, bei Zehn Gläsern jedes Jahr von allem frage ich mich immer wer das alles essen soll. Fünf Gläser von ihrem Pesto haben wir schon an die Belegschaft abgegeben, gestorben ist daran noch keiner, also glaube ich es muss gut sein", witzelte Papa. So ein typischer Dadjoke.

Des Springreiters Stolz- (2022 Version)Where stories live. Discover now