Kapitel 10

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Ich fühlte mich immer noch reichlich unwohl mit der Situation. Ein kleiner Junge wäre mir deutlich lieber gewesen und ich wusste auch gar ehrlich nicht was meine Rolle in dieser Geschichte war. Wäre der junge Mann nicht deutlich besser in fachlichen Händen aufgehoben? Ich wusste vielleicht wie man mit Kindern umging, aber was ich mir ihm anfangen sollte wusste ich bei bestem Willen nicht.

Ich lächelte meinen neuen Chef noch einmal kurz an, dann folgte ich seinem Sohn in den Flur. Ich hatte irgendwie das Gefühl dass wir und draußen besser unterhalten und eine Übereinkunft treffen könnten, als wenn wir quasi vor der Nase seiner Eltern sitzen würden.

Das Gutshaus war zwar schön anzusehen, aber es wirkte eher wie ein goldener Käfig in den man ihn nach was auch immer passiert war eingesperrt hatte. Er tat mir leid.

Es war ihm deutlich anzusehen, dass er an etwas zu knapsen hatte. Ich konnte mir vorstellen, dass Leonard von Speyer eigentlich ein hübscher junger Mann war und wahrscheinlich auch mal ein nettes Lächeln gehabt hatte. Das musste aber Vergangenheit gewesen sein.

Ich musterte ihn als ich hinter ihm aus der schweren Haustür trat.

Seine Haltung wirkte ablehnend und als ob er sich am liebsten von allem und jedem schützen wollen würde. Sein Kiefer wirkte angespannt und seine braunen Augen matt, von dicken Augenringen gezeichnet. Er schien von mir gestresst zu sein und irgendetwas in sich hinein zu fressen.

Tief atmete er durch und sah sich auf dem Hof um.

„Irgendein Ort an dem wir uns gut unterhalten können?", fragte ich vorsichtig.

Er zuckte mit den Schultern „Hier hast du nirgendwo ruhe, also such dir was aus!"

Toll wie sollte ich mir etwas aussuchen, wenn ich mich hier nicht auskannte. Der Typ war ja mal lustig.

Die Bank am Springplatz fand ich eigentlich ganz nett und etwas Sonne konnte uns beiden nicht Schaden.

So nickte ich also und schob mich an ihm vorbei um die Führung zu übernehmen. Tatsächlich lief er mir widerwillig nach, was wohl auch daran liegen könnte, dass seine Mutter uns von einem der Fenster aus beobachtete.

Ich genoss dieses beinahe paradiesische Wetter und die Ruhe, die hier im Vergleich zur Reitschule herrschte. Der Baum unter dem wir saßen wog sich sachte im Wind und man konnte einige der Bereiter bei ihrer Arbeit mit den Pferden beobachten. Besonders einer von ihnen auf einem großen Schimmel sah immer wieder auffällig zu uns herüber.

„Was machst du eigentlich hier?", fragte Leo nach einer Weile. Er klang eher unfreundlich dabei und als würde er sich wirklich fragen was seine Eltern sich zur Hölle dabei gedacht hatten.

Ich versuchte freundlich zu bleiben auch wenn sein Ton mir gegenüber, nicht etwas nervte. „Ich bin eigentlich Pferdepflegerin, habe aber auch als Opair gearbeitet", versuchte ich ihm irgendwie meine Qualifikation zu erklären.

Er schnaubte auf. „Toll. Da setzten mir meine Eltern jetzt allen ernstes eine Pferdepflegerin vor die Nase, die mal Kinder gebabysittet hat. Was soll ich davon jetzt bloß halten?"

Ich konnte seine Zweifel ja verstehen. Ich hätte sie wohl auch gehabt an seiner Stelle. Aber sein abwertender Ton nervte mich trotzdem!

„Du kannst dich trotzdem normal mit mir unterhalten", brachte ich bemüht freundlich vor. Ich hoffte er fühlt sich davon nicht angegriffen.

„Wo haben sie dich ausgegraben?", ignorierte er meinen Einwand einfach und blickte mich weiterhin von oben herab an.

Herr von und zu, war wohl wirklich ein Herr von und zu und die wenigen Freunde wunderten mich ehrlich nicht mehr.

Des Springreiters Stolz- (2022 Version)Where stories live. Discover now