Rückblick: Wendy Light

54 2 0
                                    


Wendy spürte die Gicht an ihren Wangen. Sie hatte ihr Vorhaben vielleicht nicht komplett durchdacht und war ein wenig übereifrig mit dem Speeder nach Midgar aufgebrochen.
Nachdem sie vom ‚Jade' aus den Chirurg des Todes gesehen hatte, waren ihr nur wenige Szenarien eingefallen, in denen sein offensives Erscheinen in der Diamantstadt sinnhaft wäre. Und nachdem sie länger darüber nachgedacht und schließlich an der Promenade Ablenkung gesucht hatte, war es ihr aufgefallen. Bis zum Horizont hatte sie kein einziges Schiff mehr entdeckt. Das war äußerst ungewöhnlich, schließlich überwachte Kaido die Handelswege akribisch, um Überfälle zu verhindern. Einem flüchtigen Gedankengang folgend hatte sie sich dann einen schnellen Speeder am Hafen gemietet und war Richtung Midgar aufgebrochen. Als Tochter eines Goldschmiedes wusste sie schließlich um das dreckige Geheimnis der Frühlingsinsel.
Denn wenn etwas im Busch war, würde es sich dort abspielen. Und sollte sie zuerst herausfinden, was es war, könnte sie diese Information womöglich als Eintrittskarte in ihr neues Leben nutzen.

Ihr schulterlanges braunes Haar schlug ihr ins Gesicht, als plötzlich starke Windböen über die Wellen fegten. Sie hatte Midgar fast erreicht. Vor ihr trieben Trümmer eines Holzschiffes im Wasser, die sie wegen der herrschenden Dunkelheit erst viel zu spät bemerkt hatte. Sie ließ ihren Blick über die Insel schweifen als mehrere Blitze gleichzeitig auf dieser einschlugen. An der Nordseite schien sich etwas zusammenzubrauen.
Unter größter Anstrengung riss sie das Ruder herum und schoss der Küste entlang über die immer höher werdenden Wellen. Es dauerte nicht lange, bis ihr der Atem stockte.
Vorm sternenklaren Nachhimmel wandte sich ein riesiger schwarzer Drache mit glühenden roten Augen. Er schien die Angst selbst zu verkörpern und ihr Innerstes aufzuwühlen. Jede Faser von Wendys Körper schrie nach Flucht und doch näherte sie sich der Szenerie. Dann erblickte sie ihn. Trafalgar Law schoss auf einer Art Fontäne in die Höhe und attackierte den Drachen. Ihren Blick fest gen Himmel gerichtet, übersah sie jedoch die an der Küste treibenden Schiffe und kollidierte ungebremst mit dem ersten.

Reflexartig kämpfte sie sich zurück an die Oberfläche und atmete stoßweise. Das Wasser war kalt und schwarz in dieser Nacht. Sie rettete sich an die Küste und versuchte fieberhaft alle Eindrücke zu verarbeiten. Vor ihr erstreckte sich ein Meer aus Leichen. Krieger, teilweise abstoßend verdreht oder verstümmelt, deren dunkles Blut den Boden befeuchtete und im Mondlicht glänzte. Was war hier nur geschehen? War sie womöglich schon zu spät? Panisch rannte sie den Strand entlang über die leblosen Körper bis ein Geräusch sie daran erinnerte, ihren Blick zu heben. Eine riesige bläuliche Kugel erstreckte sich über den Himmel und darin schwebte die dunkle Kreatur ebenso wie der Chirurg des Todes. Er war in Unmengen an Wasser gehüllt und bekämpfte die Bestie präzise mit seinem Schwert, wobei er innerhalb des gefärbten Raumes scheinbar alles nach Belieben manipulieren konnte. Das waren also seine berühmten Teufelskräfte. Und das Befehligen des Wassers waren die der Frau. Natürlich! Auf Zenshima war diese Ozeania bei ihm gewesen. Aber wo war sie jetzt?

Wendy folgte gespannt dem Kampf der Giganten über ihrem Kopf. Lediglich die wiederkehrenden Blitze erhellten den Himmel, sodass sie nur stückweise an Informationen kam. Aber das was sie sah, reichte ihr völlig aus. Und einige Minuten später fielen Teile des schuppigen Körpers auf den Boden herab, bestätigten, was Wendy schon längst verstanden hatte: Trafalgar Law hatte diese Kreatur besiegt.
Noch bevor der Kopf der Bestie auf dem blutigen Boden einschlug, war Wendy bereits mehrere hundert Meter entfernt. Sie rannte. Die Ostseite der Insel war ihr Ziel, denn dort befand sich die Arbeiterstätte. Das was sie soeben beobachtet hatte, würde die Presse mit Sicherheit interessieren. Das war vielleicht ihre einmalige Chance in den Journalismus!
Und obwohl sie bereits ihre eigene Galle schmeckte und ihre Beine sie nicht mehr zu tragen vermochten, rannte Wendy immer weiter, bis sie schließlich die erste Unterkunft erreichte und direkt deren Teleschnecke vom Tresen riss.


Sie telefonierte völlig atemlos mit mehreren Vertretern der Weltwirtschaftszeitung, die ihr auf verschiedensten Wegen versuchten die hochkarätigen Informationen zu entlocken, bevor sie sie an den nächsten Mitarbeiter weiterleiteten. Wendy wollte ihren Namen im Artikel finden und dafür musste sie mit jemandem sprechen, der die entsprechenden Befugnisse hatte. Vorher würde sie nichts preisgeben.
Erst nach einer halben Ewigkeit hatte sie eine ältere Dame mit einer rauen Stimme in der Leitung. Joan Rounza. Wendy kannte sie von ihren Auftritten im Fernsehen und wusste, dass sie jede Woche über die Titelseite der Zeitung entschied. ‚Jetzt oder nie', dachte Wendy, als sie alles Gesehene aus sich heraussprudeln lies.

„Interessant." Das war das einzige was Joan dazu sagte.
„I-ich will nur erwähnt werden im Artikel. Bitte. Seit ich ein Kind bin träume ich davon, Journalistin zu werden. Bitte Frau Rounza!!", verzweifelt spürte Wendy ihre Chancen von Minute zu Minute verblassen.
„Mhm.", offensichtlich zog ihre Gesprächspartnerin am anderen Ende entspannt an einer Zigarette.
„Deine Schilderungen passen nicht zu denen von Morgans..."
‚Morgans? Das war der Präsident der Zeitung. War er etwa auch hier?', die Brünette sah sich fragend um.
„...aber ich habe da so eine Vermutung woran das liegen könnte."

Joan strich sich ihr kurzes graues Haar hinters Ohr. So so, da hatte sich Morgans also mit den Piraten zusammengetan, um absichtlich falsche Informationen zu streuen. Der Zoan-Frucht-Nutzer hatte ihr bereits am Mittag einen fertigen Artikel über den Kampf gegen Kaido auf Midgar vorgelegt, welcher unverändert die morgige Titelseite zieren sollte. Von der sprechenden Möwe wusste man eben, dass er sämtliche Informationen dreifach überprüfte. Aber demnach war Monkey D. Ruffy derjenige, der den Kaiser stürzte und somit als neuer ausgerufen werden sollte. Und nun kam dieses Mädchen, das in seine Dummheit so absolut glaubwürdig war. Sie benannte den Chirurg des Todes als Kaidos Herausforderer und letztendlich überlegenen Gegner. Was für einen Grund könnte es geben, dies verheimlichen zu wollen?

Langsam sog sie den Rauch in ihre Lungen. In Morgans Bericht fehlte diese Ozeania komplett, aber anscheinend hatte sie doch irgendetwas mit dieser Sache zu tun. Wahrscheinlich gehört sie zu Trafalgar Law. Und das war etwas, dass die Marine ebenso wie ihre bürgerlichen Leser gleichermaßen interessieren dürfte. Ebenso wie die Ausgabe mit den neuen Kopfgeldern nach der Schlacht auf der Schwarzmarktinsel würde diese Titelstory die Verkaufszahlen explodieren lassen. Soetwas interessierte die Menschen nun mal. Mit einem schiefen Grinsen drückte Joan ihre Zigarette auf ihrem Schreibtisch aus. Langweilig würde es in nächster Zeit wohl nicht werden.

„Ähm... Mrs. Rounza?", fragte Wendy unsicher, schließlich hatte sie seit über fünf Minuten kein Geräusch mehr aus der Teleschnecke vernommen.
„Du bist eingestellt, ganz unten in der Hierarchie. Komm zur Hauptstelle und hol deinen Kram ab. Und...wie war dein Name doch gleich?"
„W-Wendy. Mein Name ist Wendy Light."
*clack* Joan beendete das Gespräch und wählte sofort eine andere Nummer.
„Ja, Ma'am?"
„Haltet sofort die Pressen an. Wir drucken eine neue Titelseite."

Dir gehört mein Herz - [Law x Oc]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt