Glück

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Am nächsten Morgen erwachte sie zeitig, schließlich war sie diesmal nüchtern zu Bett gegangen. Ihre gute Laune wurde jedoch in der Sekunde getrübt, in der sie versuchte aufzustehen. Sie hatte es mit dem gestrigen Training wohl dezent übertrieben. Ihre schmerzenden Muskeln spannten bei jeder Bewegung und ihr Körper war mit Hämatomen übersät, was sie bei einem prüfenden Blick in den Badezimmerspiegel feststellte.
Obwohl es ihr widerstrebte, zog sie sich an und flocht ihre langen Haare in einen enganliegenden Zopf. Das Training war notwendig und ausruhen könnte sie sich immer noch, wenn sie wieder alleine war.

Kurze Zeit später begab sie sich in den Flur. Ob Law wohl schon aufgestanden war? Möglichst geräuscharm öffnete sie seine Zimmertür und sah, dass er noch immer schlief. Ein schelmisches Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht. Wie würde er sich wohl fühlen, wenn sie einfach in seinem Zimmer stünde, wenn er aufwachte? Vorsichtig schloss sie die Tür hinter sich, bevor sie sich umdrehte um ihren Plan durchzuführen. Doch plötzlich war das Bett leer.
Majikku war noch immer perplex, als sie unerwartet seine raue Stimme direkt neben ihrem Ohr vernahm.
„Kann ich dir irgendwie behilflich sein?"
Vor Schreck entwich ihr ein spitzer Schrei, während sie nach vorne sprang.
Law war unbemerkt wie ein Schatten hinter ihr aufgetaucht.

Jetzt stand er in seinem Raum, leicht bekleidet und ohne seine charakteristische Mütze. Seine Haare waren wild durcheinander und vom Kissen hatte er leichte Abdrücke an seiner linken Wange. Er gähnte. „Gib mir ein paar Minuten. Wir treffen uns beim Frühstück." Mit diesen Worten verschwand er in seinem Bad und nach ein paar Augenblicken kam das Gesagte auch in Majikkus Hirn an. Auf dem Weg zum Frühstück musste sie aber doch wieder lächeln.
Der gefährliche Trafalgar Law war ein Morgenmuffel.

~

In den folgenden zwei Wochen trainierten die beiden täglich und Majikku wurde immer sicherer im Umgang mit ihren Kräften. Und sie wurde schneller. Law hatte gleich zu Beginn bemerkt, dass ihre Geschwindigkeit deutlich ausbaufähiger war als ihre reine Körperkraft. Da bewegte sie sich eher auf einem ähnlichen Level wie die Navigatorin des Strohhutes. Darüber hinaus kämpfte sie klug, teilte ihre Kräfte ein und legte sich Taktiken zurecht. Wenn sie noch etwas mehr trainierte konnte sie in Zukunft wohl problemlos auf sich Acht geben. Bei dem Gedanken daran beschlich ihn ein ungutes Gefühl, was er gekonnt ausblendete.

Auch er hatte seine Fähigkeiten trainiert und insbesondere seine Ausdauer deutlich verbessert. Allein das permanente Aufrechterhalten des Rooms und das Herumwirbeln der Gesteinsbrocken für Majikku strengten ihn an. Aber seit ein paar Tagen übten sich die beiden auch im Nahkampf, was ihm noch mehr abverlangte. Gewohnter Weise zerschnitt er seine Gegner oder nutzte andere Kräfte im Schwerkampf, die jedoch schwere oder dauerhafte Verletzungen hervorriefen, was er bei Majikku vermied. Es ging um die reine Klingenführung und er musste sich eingestehen, dass sie hervorragten mit ihrem Dolch umgehen konnte.

Beim letzten Angriff des Tages versuchte die Blauhaarige immer Law in seinem Room anzugreifen, was jedes Mal kläglich misslang. Jetzt war es wieder so weit und Majikku stand etwa zwanzig Meter von ihm entfernt. Sie schien sich zu sammeln, bevor sie auf ihn losstürmte. ‚Ein direkter Angriff?', dachte Law, ‚dann bekomme ich mein Abendessen heute wohl früher.' Mit einer kleinen Bewegung seines Zeigefingers schleuderte er die Gesteinsbrocken in ihre Richtung. Sie würde ihnen ausweichen und dann wieder auf ihn zu rennen, woraufhin sie mit einer erneuten Ladung Dreck im Gesicht zu Boden gehen würde.
Seine Mundwinkel hoben sich bereits bei dem Gedanken an seinen bevorstehenden Sieg.

Majikku hatte sich einen vagen Plan zurecht gelegt, an deren Umsetzung sie selbst zweifelte. Als die ersten Steine in ihre Richtung flogen, widerstand sie dem Drang zum Ausweichen und beschwor ihren flüssigen Kampfgefährten. Es war vielleicht ein Eimer voll, zu mehr war sie am Ende des Tages nicht mehr imstande. So schnell es ging, befahl sie dem Wasser sie zu umkreisen und zerschnitt letztendlich damit die Gesteinsbrocken.

Staub und Krümel flogen in Laws Richtung und raubten ihm die Sicht. Er wartete bis Majikku rechts oder links davon auftauchen würde, aber das tat sie nicht. Er hatte sie doch nicht etwa voll erwischt? Im nächsten Wimpernschlag erkannte er seinen Fehler und sah sie gerade direkt aus der Staubwolke in seine Richtung stürmen. Er war überrascht und hätte fast nicht mehr rechtzeitig reagieren können, aber als sie nur noch einen Meter von ihm entfernt war, beendete er den Kampf.
„Shambles", hörte sie den gutaussehenden Mann sagen, bevor sie wieder auf der anderen Seite des Rooms auftauchte. Statt ihrer selbst landete ein kleiner Stein direkt vor Laws Füßen. Sie seufzte. Und sie dachte, dass sie ganz nah dran gewesen wäre.

Auf dem Rückweg liefen die beiden entspannt nebeneinander her, Law lehnte sein Schwert lässig gegen seine Schulter und Majikku hatte die Arme hinter ihrem Kopf verschränkt. Als sich direkt vor ihnen ein üppiger Sonnenuntergang zeigte, konnte Majikku endlich das Gefühl identifizieren, dass sich in den letzten Tagen ganz langsam eingeschlichen hatte. Es war Glück. Majikku war glücklich. Vielleicht das erste Mal in ihrem Leben. Seit sie ein kleines Kind war hatte sie Grausamkeit und Hass erfahren und dann war sie geflüchtet. Stets mit der Angst im Nacken. Jetzt wurde es ihr schlagartig bewusst. Sie hatte aufgehört sich permanent umzuschauen und die Umgebung auf mögliche Verfolger abzuscannen. Sie konnte jeden Moment unbekümmert genießen, denn niemand würde ihr nach dem Leben trachten, solange sie in Begleitung des Chirurgs des Todes war. Und sie musste sich auch nicht um seine Sicherheit sorgen, er konnte schließlich hervorragend auf sich selbst aufpassen.

Schnell wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Doch Law hatte ihre kleine Bewegung wahrgenommen.
„Ist alles in Ordnung?", fragte er, wobei seine Stimme sanfter klang als sonst.
„Natürlich. Mir ist nur gerade aufgefallen, dass meine Kleidung ziemlich mitgenommen aussieht und mir das nötige Kleingeld fehlt, um mir neue zu holen", im Geiste lobte sie sich für diesen Einfall selbst. Außerdem war es wahr. An mehreren Stellen zierten Risse den Stoff, ein Ärmel ihrer Jacke war gänzlich abgerissen und einige Flecken ließen sich nicht mehr herauswaschen. Sie sah wirklich mitgenommen aus.

Law seufzte. Majikku war quasi mittellos bei den Strohhüten aufgetaucht und er zahlte seitdem sowohl für ihre Unterkunft als auch für ihr Essen. Auf dieser Insel gab es jedoch nur einen einzigen Job, dem sie hätte nachgehen können und das würde er unter keinen Umständen zulassen. Allein der Gedanke daran, wie ein anderer Mann sie berührte, ließ sein Blut kochen. Und das ärgerte ihn noch mehr, denn eigentlich sollte es ihm egal sein.

Als sie auf ihr Abendessen warteten verfielen sie in eine lockere Plauderei, wie so oft in den letzten Tagen. Eigentlich war der Kapitän der Heart-Piraten nicht so der Typ dafür, aber mit der Blauhaarigen fand er die Unterhaltungen immer irgendwie amüsant. Und gerade jetzt fiel ihm etwas ein, was er schon längst hatte fragen wollen.
„Woher nimmst du eigentlich immer dieses goldene Messer? Ich sehe es dich nie tragen und bei der Kleidung wüsste ich nicht, wo du es verstecken könntest", dabei ließ er seine Augen über ihren Körper streifen und stellte fest, dass sie recht hatte. Sie sah wirklich mitgenommen aus. Und sie war definierter geworden. Als er wieder in ihr Gesicht schaute, bemerkte er einen Rotschimmer auf ihren Wangen und verstand nicht, dass sein intensiver Blick der Grund dafür gewesen war.
Majikku schluckte schwer bevor sie antwortete.

„Ich schlage einen Deal vor: du leihst mir Geld für anständige neue Klamotten und im Gegenzug verrate ich dir den Trick mit dem Dolch."
Law machte ein übertrieben nachdenkliches Gesicht, als würde ihm die Trennung von den paar Berry tatsächlich schwer fallen.
„Bitte?", setzte Majikku jetzt nach und klimperte mit ihren leuchtend blauen Augen.
„Versucht du mich gerade zu bezirzen?", Law musste lächeln. Er konnte den Deal sowieso nicht ausschlagen. Viel zu sehr interessierte ihn die Sache mit der Waffe.
„Ich würde eher sagen, ich versuche dich umzustimmen. Wenn ich dich bezirzen wollte, gäbe es da andere und durchaus wirksamere Möglichkeiten, weißt du?", Majikku zwinkerte ihm frech zu.
Als er sich vorstellte, was sie damit wohl meinen könnte, beschleunigte sich sein Herzschlag. Diese Frau lockte ihn immer wieder aus der Reserve, hatte es schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen getan und es gefiel ihm. Aber er musste wirklich aufpassen, dass er diesen Dingen nicht zu viel Beachtung schenkte.
„Na schön, wir haben einen Deal.", antwortete er gespielt gelangweilt und ignorierte somit einfach was sie zuvor gesagt hatte

Dir gehört mein Herz - [Law x Oc]Where stories live. Discover now