5. Ein Leben ohne Erinnerungen

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Ich vernahm ein Pipsen neben meinem rechten Ohr in meinem Unterbewusstsein. Es pipste im regelmäßigen Takt immer wieder und immer wieder. Nach einiger Zeit ging mir das etwas auf die Nerven. So langsam kam ich dann wieder zu mir. War ich etwa ohnmächtig gewesen? Ich spürte meine Hände und Füße und fing an, sie zu bewegen. Sie fühlten sich noch etwas taub an. Was war los mit mir? Alles kam mir so komisch vor...

Langsam aber gemäßigt öffnete ich meine Augenlieder. Licht strahlte in meine Augen und ich kniff sie zusammen. Ich brauchte einen Moment um mich an das Licht zu gewöhnen. Dann schwenkte ich meine Augen durch den Raum. Ich war alleine in einem Krankenhauszimmer. Zumindest sah es wie eines aus. Ja, ich war wohl im Krankenhaus. Ich versuchte mich zu erinnern, warum ich hier lag, doch ich wusste es nicht. Ich hatte keine Ahnung, warum ich hier war oder was passiert war. Auch der Versuch, mich daran zu erinnern, ob ich jemals in einem Krankenhaus gelegen habe, ging kläglich schief. Wahrscheinlich war ich einfach nur noch zu benommen, um mich erinnern zu können. Irgendetwas musste ja passiert sein.

Ich hörte, wie die Türklinke runter gedrückt wurde. Mein Blick schnellte zu drei Personen, die in das Zimmer eintraten. Eine Frau trug einen Ärztekittel, also musste sie wohl die Ärztin sein. In ihrer Hand hielt sie ein Klemmbrett mit ein paar Blättern darauf. Sie sah mich mit einem leichten Lächeln an, sagte jedoch nichts. Ich fing an, die zwei anderen Frauen zu mustern. Die Frau, die auf mich zu kam, hatte Tränen in den Augen. Sie hatte dunkel braune Haare und ein nettes Gesicht. Ich konnte ihr Alter schlecht schätzen, doch ich wusste, dass sie viel älter war als ich. Sie könnte meine Mutter sein. Vorsichtig setzte sie sich auf meine Bettkante und lächelte mich leicht an. Ich versuchte nett zurück zu lächeln, obwohl ich nicht wusste, wer sie war. Ihre eine Hand führte sie in mein Gesicht. Langsam strich sie mir über meine eine Wange. Ihre Berührungen waren leicht und mit Gefühl. Wer war sie und was wollte sie hier?
„Ich bin so froh, dass du endlich wach bist", sagte sie überglücklich. Sie nahm ihre Hand wieder zurück, als noch eine Träne aus ihrem Auge purzelte. Leicht wischte sie sie sich weg. Warum weinte sie? Weinte sie wegen mir? Aber wer war sie nur?
Meine Stirn legte sich leicht in Falten. Was ging hier nur vor sich? Ich war leicht verwirrt.
Die Ärztin schien das zu merken und fragte etwas besorgt: „Ist alles in Ordnung, Mrs. Gomez?"
Ich schaute zu ihr hin. Meine Gedanken schlugen Purzelbäume. Mrs. Gomez? Hatte sie etwa mich gemeint? Hieß ich Gomez mit Nachnamen? Ich versuchte nachzudenken wie ich hieß. Ich wusste es nicht.
„Meinen Sie mich?", fragte ich immer noch benommen und unsicher. Meine Stirn legte sich kurzerhand in Falten.
Die Ärztin sah mich verwirrt an und nickte. „Ja...ich meinte Sie...nicht ihre Mutter. Sie liegen hier und nicht sie." Sie deutete leicht auf die Frau, die an meinem Bett saß. Mein Blick galt nun ihr. Die Frau sollte meine Mutter sein? Konnte das wirklich sein? Sah sie mir denn wirklich ähnlich? Ich hatte keine Ahnung, wie ich selber aussah.
„Meine Mutter?", brachte ich flüsternd heraus und starrte die Frau unsicher an.
Alle drei Frauen zuckten erschrocken zusammen. In ihren Gesichtern spiegelte sich Angst wieder. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Warum reagierten sie so? Meine Gedanken und Gefühle überschlugen sich in Windeseile. Irgendetwas stimmte hier nicht.

„Selly, jetzt mach doch keine Witze", versuchte die Frau, die meine Mutter sein sollte, die Situation wieder zu entspannen. „Alles ist gut. Ich bin doch bei dir!" Sie nahm eine meiner Hände und drückte sie feste. Ihre Hand war warm und weich. Die Frau sah mich immer noch an und versuchte ein Lächeln in ihr Gesicht zu bringen.
„Sie ist bestimmt nur noch benommen von dem Unfall", vermutet das Mädchen, das neben der Ärztin stand. Sie hatte braunes langes Haar und sah wirklich hübsch aus. Ihr Blick war fast der selbe wie von der Ärztin. Beide sahen so verwirrt wie ich aus.
„Unfall?", fragte ich dann. „Welcher Unfall?"

Einen kurzen Moment sagte keiner etwas.
Dann fragte mich die Ärztin erneut: „Mrs. Gomez, ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?"
Ich antwortete nicht. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war so verwirrt.
„Wissen Sie wo sie hier sind?", wollte sie dann wissen.
Ich nickte leicht. „Dies ist ein Krankenhaus, richtig?"
Die Ärztin nickte. „Ja, genau. Und wo genau? Welcher Ort?"
Ich dachte nach. Ich wusste nichts, rein gar nichts. Also zuckte ich mit den Schultern.
„Sie sind in Kalifornien, sagt Ihnen das etwas?", wollte die Ärztin wissen.
Wieder dachte ich nach. Kalifornien? War das nicht ein Staat in den USA? Ich war mir nicht sicher, doch ich nickte leicht. Ich atmete leicht und versuchte mich zu beherrschen.
„Okay", sagte die Ärztin und atmete aus. „Wissen Sie denn, wer sie sind? Wie Sie heißen?"
„Gomez", brachte ich heraus. Das hatte ich mir merken können.
„Und was ist mit ihrem Vornahmen?", harkte die Ärztin nach.
Ich schluckte und zuckte mit den Schultern. Ich wusste es wirklich nicht.
„Du weißt nicht, wie du heißt?", fragte die Frau neben mir erschrocken und zuckte zusammen. Ihr Blick wandte sich an die Ärztin. „Was ist los mit ihr? Warum kann sie sich nicht daran erinnern? Sie hat doch nicht ihr Gedächtnis verloren, oder?"
„Ich weiß es nicht", gestand sie auch etwas geschockt. Dann wandte sie sich wieder zu mir und fragte: „Kannst du dich an irgendetwas erinnern? Weißt du, wann du geboren wurdest? Wer diese Damen hier sind? Oder wo du wohnst oder was für einen Beruf du hast?"

Fragen über Fragen. Ich kramte tief in meinem Kopf und in meinen Gedanken herum. Ich wusste nichts, rein gar nichts. Ich konnte mich an nichts erinnern! Mein Kopf war leer!

Verzweifelt sah ich die Ärztin an und schüttelte meinen Kopf. „Keine Ahnung."
„Das ist gar nicht gut", murmelte die Ärztin und atmete schneller.
Beide Frauen sahen sie schockiert an. Die Situation wurde immer brenzliger.
„Was ist nicht gut?", wollte das Mädchen wissen dann wissen. „Was ist los?"
„Ich bin gleich wieder da", sagte sie Ärztin und schwang sich aus dem Zimmer hinaus.

Die Frau, die meine Mutter sein sollte, sah mich wieder an. Immer mehr Tränen fielen aus ihren Augen und liefen ihr Gesicht runter. Sie schniefte und versuchte, die Tränen zurück zu halten. Irgendwie tat sie mir leid. Ich konnte mich an nichts erinnern und sie schien jemand zu sein, den ich liebte...oder? Ich meine, sie war anscheinend meine Mutter, oder?

„Du weißt wirklich nicht, wer wir sind?", wollte sie ein zweites Mal wissen.
Ich schüttelte leicht meinen Kopf. „Tut mir leid."
„Oh, meine arme kleine Selena", wimmerte sie und atmete sehr flach. Sie putzte sich die Nase mit einem frischen Taschentuch. Ich konnte mich nicht in sie hinein versetzen, also wusste ich auch nicht, was sie fühlte. Sie schien wirklich sehr aufgelöst zu sein.

Selena, ging es mir dann durch den Kopf. So hieß ich also. Eigentlich ein schöner Name, wenn ich mal so darüber nachdenke. Selena. Selena Gomez. Wirklich schön. Gute Wahl.

„Ich bin deine Mum", sagte die Dame dann zu mir. „Mandy. Und ich liebe dich über alles! Du bist meine älteste Tochter und bis vor einem Jahr noch meine Einzige."
Ich hatte also ein kleines Geschwisterkind? Wie süß! Ich liebte Kinder...oder?
Mandy gab mir einen Kuss auf meine Stirn. Dabei traf eine Träne mein Gesicht.
„Und das ist eine deiner besten Freundinnen, Vanessa", erklärte sie mir dann und deutet auf das Mädchen. Ich sah wie das Mädchen mich leicht anlächelte. Vanessa. Auch ein schöner Name. Gab es nur so schöne Namen auf der Welt?
Ich lächelte sie leicht an, als das Mädchen mich ansah.
„Vanessa Hudgens heiß sie", erläuterte meine Mutter weiter. „Sie ist auch Sängerin und Schauspielerin wie du. Ihr beide seit sehr berühmt und beliebt auf der Welt."

Meine Gedanken und Gefühle überschlugen sich. Sängerin? Schauspielerin? Wie ich? War das wirklich wahr? Das war mein Beruf? Ein kalter Schauer lief mir über meinen Rücken. Das konnte echt nicht wahr sein!

„Ich bin berühmt?", fragte ich ungläubig und auch etwas schockiert. Ich konnte mich an nichts erinnern und soll jetzt auch noch auf der Bühne stehen oder Filme drehen? Das konnte doch alles nicht wahr sein! Dies bewahrheitete sich, als meine Mutter anfing zu nicken.
„Mandy, vielleicht...", brachte sich Vanessa ein, doch Mandy redete einfach weiter: „Du bist ein Teenieidol von tausenden von Mädchen auf der ganzen Welt."
„Ich bin weltweit berühmt?", fragte ich ungläubig.
Mandy nickte. „Ja, das bist du. Tausende von Mädchen wollen so sein wie du."
Ich bekam eine Schnappatmung. Ich konnte das alles einfach nicht fassen. Meine Augen schlossen sich für einen kurzen Augenblick bevor ich meine Mutter wieder ansah.
„Warum bin ich hier?", wollte ich dann wissen. „Was war passiert?"
„Du bist von der Bühne gefallen und mit dem Kopf auf den Boden geschlagen. Du hattest eine schwere Gehirnerschütterung. Ich hätte nie gedacht..."
Wieder liefen ihr Tränen aus ihren Augen. Ich konnte ahnen, was sie sagen wollte.

Unerwartet wurde die Tür aufgerissen und ein ganzes Ärzteteam betrat den Raum.
Mandy, Vanessa und ich sahen gespannt zu ihnen hin.
„Selena Gomez hat eine sehr schwere Gehirnerschütterung und Gehirnblutungen erlitten", erklärte die eine Ärztin. „Wir dachten, dass wir alles wieder in Ordnung bringen könnten, jedoch...an dem Gedächtnisverlust können wir leider nichts machen. Wir können nur hoffen, dass die Erinnerungen nach und nach wieder kommen. Garantieren können wir jedoch nichts."
Ich hielt den Atem an. Gedächtnisverlust? Unheilbar? OMG! Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Nur durch diesen dummen Unfall habe ich mein Gedächtnis verloren?
„Kann man da wirklich nichts dran machen?", fragte Vanessa verzweifelt nach. Ich konnte genau sehen, wie viele Sorgen sie sich machte. Wie schienen echt gute Freundinnen zu sein.
Die Ärzte schüttelten die Köpfe. „Man kann nur hoffen, dass die Erinnerungen doch irgendwann mal nach und nach wiederkommen. Behandeln können wir da rein gar nichts."
Ich atmete tief ein und aus. So musste ich also jetzt weiter leben? So war mein Leben jetzt? Ich sollte ohne eine winzige Erinnerung weiter leben? Wie sollte das denn bitte schön funktionieren? Vor allem weil ich auch noch Selena Gomez, ein Teenieidol, war. Wie sollte ich bloß wieder in mein Leben finden? Tausend Fragezeichen befanden sich in meinem Kopf. Ich wusste nichts. Ich hatte keine Ahnung, was ich als nächstes machen sollte.

Without one less MemoryWhere stories live. Discover now