31. Die Zukunft der Morgenwind [1]

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Emma schnappte verzweifelt nach Luft. Der Druck in ihrem Kopf und der Schmerz in ihrer Brust wurden unerträglich. Sie sah schwarze Flecken. Die Welt um sie herum faserte aus, wie ein verlaufendes Aquarellgemälde.

Doch kurz bevor sie endgültig das Bewusstsein verlieren konnte, zerplatzte plötzlich das Fenster und Scherben regneten auf den Diwan und die zwei Megamon herab. In ihrer eingeschränkten Wahrnehmung sah der scharfkantige Glas-Regen aus wie ein winterliches Schneegestöber. Fasziniert beobachtete sie, wie sich die Prinzessin mit den Flocken durch das kaputte Fenster schwang, noch im Sprung ihr Schwert zog und damit den Tentakel kappte, der Emma in der Luft hielt.

Emma plumpste zu Boden und der Druck auf ihrer Brust ließ nach, sodass sie gierig Luft einsaugen konnte. Röchelnd warf sie sich herum, während die Prinzessin auf dem Boden abrollte, sofort wieder auf die Beine kam und ihre Klinge mit der falschen Klarissa kreuzte. Kreischend und funkensprühend fraß sich Stahl in Stahl.

Der Klarissa-Megamon fasste Karels Schwert mit beiden Händen, um Druck auf die Klinge der Prinzessin aufzubauen. Die Prinzessin konterte mit einem Ausfallschritt, der den Megamon aus dem Gleichgewicht brachte, wechselte die Schwerthand und setzte zu einem weiteren Angriff an, doch die falsche Klarissa wehrte die Attacke ab. Erneut kreischten die Schwerter, als sie in der Luft aufeinander trafen. Diesmal jedoch nur kurz.

Im schnellen Wechsel von Ausfällen und Paraden jagten sich die echte Prinzessin und die falsche Klarissa durch den Raum, hinter dem Diwan entlang und über das Bett. Die weichen Decken brachten die Prinzessin aus dem Gleichgewicht. Sie taumelte und fing sich einen Schwertstreich ein, der ihren Ärmel aufriss und sich in die darunterliegende Haut fraß. Schnell riss sie ihre Waffe hoch, um das Schwert des Megamon wegzustoßen. Die Wucht der unerwarteten Abwehrbewegung ließ die falsche Klarissa schwanken. Die Prinzessin nutzte diese Gelegenheit und versetzte ihr einen Tritt vor die Brust, der sie vom Bett beförderte. Sie setzte ihr nach, doch ihr Angriff verfehlte sein Ziel, denn der Megamon rollte sich zur Seite und kam mit einem Satz wieder auf die Beine.

»Ich hätte dich längst töten sollen«, zischte die falsche Klarissa, während ihre Schwerter ein weiteres Mal aufeinander trafen.

»Du konntest es nicht«, erwiderte die Prinzessin. »Du hast es zu sehr genossen, zu wissen, dass ich noch existiere und dir zusehe, wie du mein Leben lebst.«

Sie machte einen Schritt rückwärts, doch diesmal fiel die falsche Klarissa nicht auf die Finte herein. Damit schien die Prinzessin aber auch gar nicht gerechnet zu haben. Sie schlug Karels Waffe zur Seite, drehte sich ein und rammte der falschen Klarissa ihren Ellenbogen ins Gesicht. Der Megamon stolperte über Karel, der noch immer regungslos am Boden lag, und stürzte in eines der Bücherregale.

»Du bist schwach geworden«, tönte die Prinzessin. »Die Zeit hat auch dich nicht unbeschadet gelassen. Und dann haben dir die Hexe, die Fee und der Dämon den Rest gegeben.«

»Ich bin noch lange nicht besiegt«, grollte der Klarissa-Megamon, stieß sich vom Regal ab und wischte sich die übelriechende, grünliche Flüssigkeit aus dem Gesicht, die aus seiner Nase quoll.

Die Prinzessin ließ ihr Schwert sinken. »Du wirst den Untergang der Morgenwind nicht mehr erleben.«

Der Megamon bemerkte ihre Blöße, grinste und zeigte dabei seine zahlreichen Haifischzähne. »Dann sind wir ja schon zu zweit!«

Emma wollte eine Warnung schreien, doch die Tentakel des Prinzessinnen-Megamon hielten sie noch immer so fest umklammert, dass sie nur Röcheln und Keuchen konnte.

Die falsche Klarissa setzte zum Angriff an, aber die Prinzessin machte keine Anstalten, sich zu verteidigen. Für einen kurzen Moment glaubte Emma schon, zu sehen, wie sich Karels Schwert in ihren Körper grub, doch dann trat Kamilla durch die Tür, schwang den Schneidenden über ihrem Kopf und zerteilte die falsche Klarissa von der Schulter bis zur Hüfte.

Morgenwind - die fliegende Stadt [Buch 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt