25. Der Untergang der Morgenwind

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Als der Regen nachließ und sie sich im Untergrund der Morgenwind wiederfanden, sah zunächst alles ganz normal aus. Die rostigen Metallwände, der vergitterte Boden, die Spuren von Feuchtigkeit, Moos und Schimmel. Das alles kannte Emma noch von ihrer ersten Reise zur Morgenwind.

Noch bevor einer von ihnen den Mut aufbrachte, auszusteigen, klopfte es plötzlich gegen das Beifahrerfenster. Zunächst war niemand zu sehen, dann erkannte Emma das obere Ende von Harrods Kappe. Sofort streckte Derrick die Hand aus und öffnete die Tür. Nacheinander stiegen sie aus dem Wagen.

»Ihr lebt!«, rief Harrod. Er hatte sich mit einem Schraubenschlüssel und einer Art Elektroschocker bewaffnet. Völlig entgeistert musterte er jeden von ihnen, als könnte er nicht glauben, was seine Augen sahen. »Wo ist Herr Kilian?«

»Er wird nachkommen«, antwortete Derrick und musste sich am Autodach festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

»Was ist hier passiert?«, stellte Kamilla die Frage, die ihnen allen auf der Seele lastete.

Harrods Schultern sanken herab. »Zuerst waren es die Megamon«, erklärte er mit heiserer Stimme. »Sie sind ganz plötzlich über die Stadt hergefallen. Dann kamen die Vogelmenschen.« Er erschauderte bei der Erinnerung. »Sie haben sich aus dem Himmel auf alles gestürzt, das sich bewegt, und jeden getötet, den sie erwischen konnten.«

»Und wie ist die aktuelle Lage?«, fragte Derrick.

Harrod räusperte sich. »Die Megamon haben einen Teil des Untergrunds eingenommen. Einigen Bewohnern ist es gelungen, sich im zentralen Schutzraum einzuschließen. Soweit ich weiß, haben es die Megamon noch nicht geschafft, die Schutztüren aufzubrechen. Dafür haben sie den Hof der Morgena erobert.«

»Verdammt«, knurrte Derrick.

»Dann müssen wir ihn befreien«, sagte Hilde und sah sich nach einer Waffe um.

»Was ist mit Karel und Klarissa?«, fragte Kamilla.

»Ach ja«, machte Harrod und räusperte sich erneut. »Ich habe gehört, sie hätten sich zusammen mit Miragel im Schloss verbarrikadiert.«

»Und die Prinzessin?«

Harrod zuckte mit den Schultern.

»Joseph und die Kinder?«, fragte Laurent. Er war ganz bleich im Gesicht.

»Joseph hat bis zuletzt die Geschütze bedient, um die Geflügelten abzuwehren. Es heißt, Jonas wäre den Geflügelten entkommen, aber niemand weiß, wo er im Moment ist. Finka und Penny müssen bei Miragel im Schloss sein.«

»Savannah und Camio?«, wollte Emma wissen. Ihre eigene Stimme klang fremd in ihren Ohren. Sie konnte nicht fassen, dass das alles wirklich geschah.

»Das weiß ich nicht«, antwortete Harrod. Für einen Moment sah er so aus, als wollte er losheulen, dann hatte er sich wieder im Griff. »Ich weiß nur, dass Masumi und Belle noch immer das Theater verteidigen. Von Sebastian, Lusine und Nori habe ich seit dem Beginn des Angriffs nichts mehr gehört.«

Im Anschluss an seine Worte war es für einige Sekunden sehr still. Jeder schien einen Moment zu benötigen, um sich mit der neuen Realität anzufreunden.

»Gut«, sagte Derrick schließlich. »Wir müssen den Hof der Morgena befreien. Dann können wir eine Flucht einleiten.«

»Das wird nicht leicht sein«, entgegnete Harrod. »Außerdem glaube ich kaum, dass wir vor den Geflügelten fliehen können. Sie kommen einfach aus dem Nichts und können uns vermutlich überallhin verfolgen.«

»Während wir den Hof der Morgena befreien, werden unsere Freunde an der Oberfläche sterben«, pflichtete Hilde ihm bei. »Und ohne den Schneidenden, ohne Anoushka und Rasputin haben wir keine wirksame Waffe gegen die Megamon.«

Morgenwind - die fliegende Stadt [Buch 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt