9. Die Last der Verantwortung [2]

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»Das reicht jetzt!«, fauchte Kilian und trat zwischen Anoushka und Rasputin. »Alle stecken ihre Waffen weg. Augenblicklich!«

Seine Worte zeigten Wirkung. Anoushka ließ ihren Stab sinken. Rasputin öffnete seine Faust. Sie hörten jedoch nicht auf, sich gegenseitig hasserfüllt anzustarren.

»So ein Verhalten kann ich hier nicht tolerieren«, erklärte Kilian zornig. »Ganz davon abgesehen, dass es uns in keiner Weise weiterbringt.«

Rasputin streifte Savannahs Hand ab und erhob sich. Ihre Proteste ignorierend, wandte er sich zum Gehen.

»Wo willst du hin, Rasputin?«, fragte Kilian.

»Mir ist es egal, was mit dieser Stadt passiert«, sagte Rasputin.

»Wir haben eine Abmachung«, erwiderte Kilian.

Rasputin gab ein unechtes Lachen von sich. An der Tür angekommen, blieb er stehen und betrachtete Kilian von oben herab. »Ich hatte eine Abmachung mit Eurem Vater. Falls Ihr es vergessen haben solltet, Euer Vater ist tot.«

»Ich bin mehr als bereit, seine Verpflichtungen fortzuführen«, sagte Kilian.

Doch wieder lachte Rasputin nur. »Ihr? Es tut mir leid, aber wenn ich Euch ansehe, sehe ich keinen Baron. Ihr seid in keinster Weise wie Euer Vater. Daher denke ich nicht, dass Ihr mir nützlich sein könntet. Also verzeiht, wenn ich mich an dieser Stelle entschuldige.« Er deutete eine spöttische Verneigung an und verschwand aus der Tür.

Sein Abgang schien ein Vakuum zu hinterlassen, das sich erst nach einigen Sekunden wieder mit Luft füllte. Alle Anwesenden schienen gleichzeitig auszuatmen.

Emma hatte das Gefühl, jemand hätte ein gewaltiges Gewicht von ihrer Brust entfernt. Den anderen Anwesenden schien es genauso zu ergehen.

»Er tut ja beinahe so, als wären wir auf ihn angewiesen«, bemerkte Nori und krabbelte aus seinem Versteck hinter Miragels Rücken hervor.

Kilian schwieg. Die Worte des Dämons schienen ihn nachdenklich gestimmt zu haben. Emma hätte ihm am Liebsten gesagt, dass es sich nicht lohnte, einen zweiten Gedanken an Rasputin zu verschwenden. Immerhin hatte der Dämon sehr deutlich gemacht, was ihm die Morgenwind bedeutete.

»Es tut mir leid«, stammelte Savannah, fasste ihr Kind und folgte Rasputin. Kamilla und Sebastian eilten ihr nach.

»Was ist mit dem Lichterfest?«, war auf einmal Harrods Stimme zu vernehmen. Der Zwerg war kaum größer als Belle, die neben ihm hockte. »Wenn wir in der Nähe der unteren Welt bleiben, könnte es doch stattfinden, oder?«

»Ja!«, rief Klarissa.

Auch Masumi, Laurent und Lusine sahen interessiert auf.

Emma wusste nicht, was ein Lichterfest war, aber es klang, als wäre es eine willkommene Abwechslung.

»Denkt ihr wirklich, so kurz nach dem Tod des Barons ist der richtige Zeitpunkt für-«, begann Miragel, wurde aber mitten im Satz unterbrochen.

»Natürlich«, sagte Klarissa. »Vater hätte das mit Sicherheit so gewollt.«

»Es wäre eine gute Gelegenheit«, sagte Derrick. »Und es würde uns allen für einen Tag etwas Anderes zu denken geben.«

Kilian verschränkte die Hände auf dem Rücken und schien zu grübeln.

»Bitte, bitte«, flehte Klarissa.

»Ich finde das auch eine ganz tolle Idee«, sagte Laurent. »Es ist schon eine Weile her, dass wir zuletzt mit den Menschen der unteren Welt gefeiert haben.«

Morgenwind - die fliegende Stadt [Buch 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt