21. In Ungnade gefallen [2]

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»Der Einsame Emiel hat euch das Leben gerettet«, sagte Karel, nachdem Kamilla und Klarissa gegangen waren, um weitere Vorbereitungen zu treffen. Anscheinend gab es eine Menge zu tun. Emma fragte nicht weiter nach. »Joseph hat ihn gesehen«, fuhr Karel fort. »Der Einsame Emiel hat einen metallverstärkten Bolzen in den Boden geschossen, sodass er sich festhalten konnte. Das hat euch gerettet.«

»Ja. Ich habe ihn auch gesehen«, sagte Emma.

»Wirklich?«, rief Karel und rutschte auf dem Schemel näher heran. »Wie hat er ausgesehen?«

Emma zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Er hat eine Maske getragen.«

»Ich weiß«, meinte Karel nickend. »Das tut er immer.« Ein breites Grinsen trat auf sein Gesicht. »Der Einsame Emiel ist einfach so cool.«

Seine glühende Verehrung brachte Emma zum Lachen. Für Karel musste der Einsame Emiel ein Superheld wie Batman oder Spiderman sein. Sie wurde jedoch schnell wieder ernst. »Was ist eigentlich aus Regenfurt geworden?«

Karels Grinsen verblasste. »Ein Großteil der Stadt ist abgebrannt. Auch die darunter liegenden Lagerräume hat es erwischt.« Er schürzte die Lippen. »Das Feuer muss sowohl ober- als auch unterirdisch ausgebrochen sein. Das sagen jedenfalls Derrick und Miragel.« Er seufzte. »Hätten Klarissa und ich nicht Kontakt zur Morgena aufgenommen und sie um Regen gebeten, wäre wohl noch Schlimmeres passiert.«

»Und wer hat das Feuer gelegt?«, fragte Emma.

»Das wissen wir nicht«, gab Karel zu. »Klar ist nur, dass es in der Zeit passiert sein muss, als ihr versucht habt, Titus aus dem See zu retten.«

Emma schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht fassen, dass das alles geschehen war. Und sie konnte noch viel weniger begreifen, wie Kilian ihr so einfach die Schuld für das Geschehene zuschieben konnte.

»Hat Anoushka eigentlich was über den Megamon herausgefunden?«

»Nein, noch nicht«, antwortete Karel. »Aber sie hat versprochen, uns zu kontaktieren, wenn sie noch etwas herausfindet.«

Emma hob den Kopf, als eine Trennwand zur Seite geschoben wurde.

»Ich bin es«, sagte Derrick. Er hatte sich umgezogen. Zu seiner Lederjacke trug er jetzt einen dunklen Wollschal, Jeans, Chucks und fingerlose Handschuhe. In dem Aufzug wäre er Emma auf der unteren Welt kaum aufgefallen.

»Was hast du vor?«, fragte sie verwundert.

»Nun ...«, seufzte Derrick. »Durch das Feuer ist ein enormer Schaden entstanden. Bevor wir in die oberen Sphären verschwinden können, müssen wir unbedingt unsere Vorräte auffrischen.«

Karel erhob sich vom Schemel neben Emmas Bett. »Hast du noch einmal mit Kilian geredet?«

»Ich habe es versucht«, sagte Derrick, wobei er es sorgsam vermied, Emma direkt anzusehen. »Aber du kennst ihn ja. Dein Bruder ist ein sturer Bock und dazu noch fast genauso stolz wie Rasputin.«

»Es ist schon gut«, mischte sich Emma ein. »Ich kann unmöglich mit euch in die oberen Sphären reisen. Deswegen ist es besser, wenn ich die Morgenwind jetzt verlasse.« Sie erwähnte nicht, wie sehr es sie schmerzte, diese Entscheidung zu treffen.

»Das ist nicht richtig«, murmelte Karel.

»Darum geht es nicht«, erwiderte Emma und schwang die Beine aus dem Bett. »Also«, sagte sie an Derrick gewandt. »Wann geht es los?«

Derrick machte eine einladende Geste. »Jetzt sofort. Kurz und schmerzlos.« Er lächelte, doch sein Lächeln war nicht halb so offen und schelmisch, wie Emma es von ihm gewohnt war.

Morgenwind - die fliegende Stadt [Buch 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt