24. General Orel Erelis [2]

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»Laurent?«, hauchte Emma.

»Emma!«, rief Kamilla und rannte auf ihren hohen Schuhen über die Straße.

Emma war noch immer wie gelähmt vor Entsetzen. Benommen richtete sie sich auf und näherte sich dem Leichnam des Geflügelten. Sofort fiel ihr auf, dass die Zeichnung auf seinem Gefieder von weißer Farbe war- und nicht hellrot wie die des Generals.

»Das ist er nicht«, keuchte sie.

Kamilla fasste sie an der Schulter. »Von wem redest du?«

»Vom General«, murmelte Emma. »Orel Erelis.«

»Der General der Kaiserlichen Armee?«, fragte Kamilla.

Emma nickte. »Ja, genau der.«

Kamilla drehte sie an den Schultern herum, sodass sie ihr in die Augen sehen musste. »Du hast den General gesehen?«

»Wir haben kurz geredet«, antwortete Emma leise.

»Und du bist dir sicher, dass er sich Orel Erelis genannt hat?«

»Ganz sicher.« Emma blickte sich noch einmal nach dem Toten um. »Doch das ist er nicht.« Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie sich Derrick und Hilde aus einer Seitenstraße schleppten. »Derrick!« Sie machte sich von Kamilla los und stolperte zu ihm. »Bist du verletzt?«

»Dieser Dämon hat mir den Knöchel gebrochen«, sagte Derrick, während er sich schwer auf Hildes Schultern stützte. Trotz dieser furchtbaren Neuigkeit lächelte er. »Ich wusste, dass du wiederkommen würdest.«

»Wo ist Kilian?«, fragte Emma.

Derricks Miene verfinsterte sich. »Er hat die Megamon weggelockt, um uns die Flucht zu ermöglichen.«

Emma schüttelte den Kopf. »Ich muss ihn finden.«

»Nein!«, rief Derrick und streckte die Hand aus, um sie festzuhalten. »Wir brauchen dich!«

»Wofür?«, fragte Emma verwirrt.

Derrick fasste in seine Hosentasche und zückte einen Fahrzeugschlüssel. Dann schielte er in den Himmel, der noch immer von zuckenden Blitzen erhellt wurde. »Du musst uns da rauf bringen. Mit meiner Verletzung kann ich unmöglich fahren.«

»Kannst du dieses Gefährt bedienen?«, wollte Hilde mit Blick auf den Mustang wissen.

Emma hielt inne. Der Moment war gekommen. Der Moment der Entscheidung. Noch vor wenigen Minuten hatte sie geglaubt, sich niemals entscheiden zu können. Niemals zu wissen, was sie wollte. Doch jetzt, da der Zeitpunkt gekommen war, sprach ihr Herz eine ganz deutliche Sprache.

Sie streckte sich und schnappte Derrick den Schlüssel aus der Hand. »Natürlich kann ich fahren.«



*



Nachdem sich Kamilla, Hilde und Laurent auf die Rückbank gequetscht und Derrick auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatten, schwang sich Emma hinter das Steuer des Sportwagens und startete den Motor. Etwas unbeholfen lenkte sie den Mustang aus der Parklücke. Dann fuhr sie im Slalom um die Autos herum, die von ihren Besitzern mitten auf der Straße zurückgelassen worden waren.

»Megamon!«, rief Kamilla auf einmal und beugte sich zwischen den Sitzen hindurch. Mit ausgestrecktem Arm deutete sie auf eine dunkle Limousine, die am Straßenrand parkte und über acht Reifen und mehr als zehn Scheinwerfer verfügte. Emma wich dem Fahrzeug aus und gab Gas. Sie konnte jedoch im Rückspiegel sehen, dass die Limousine ihre Verfolgung aufnahm. Dabei blinkte sie wie eine Discokugel.

Morgenwind - die fliegende Stadt [Buch 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt