{ 76 } EPIC

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Keishin Ukai

So hatte ich unsere Co-Trainerin im gesamten letzten halben Jahr noch nicht erlebt und den Gegnern schwante vermutlich übles. Als der Schiedsrichter pfiff, war meine Kollegin sofort bei der Sache und überwachte jeden kleinsten Spielzug akribisch. Dann kam ihre Chance. Kageyama bekam einen wunderschönen Pass von Tanaka und reagierte auf W/N, die am linken Ende des Feldes die Hand hob. Sie nahm Anlauf, sammelte ihre Kraft in den Beinen und hob ab. Unsere Gegner rissen entsetzt die Augen auf, als das junge Mädchen ohne weiteres über die Blocker hinwegsprang und den Ball vor sich rotieren hatte. Sie holte aus und feuerte den Ball mitten ins Zentrum des Feldes. Wenn sich eine Person dazwischen gestellt hätte, hätte diese wahrscheinlich sofort ins Krankenzimmer gedurft. Sanft und mit engelsgleicher Miene landete unser Joker auf dem Boden und musterte die Gegner, deren Münder offen standen, abschätzig.

„Merkt euch eines: unterschätzt Eure Gegner nicht bevor ihr sie habt wirklich spielen gesehen." Das Publikum jubelte bei dieser Kampfansage und die Kamomedai löste sich aus ihrer Starre. Besonders Hoshiumi schien sie es angetan zu haben, denn das Ass musterte die mit sichtbar großem Interesse und der Blocker, der sie vorhin hatte verletzen wollen, schien ebenfalls ein wenig geschockt zu sein. Erwartungsvoll rieb ich mir die Hände.

Das war nur der Anfang meine liebe Kamomedai.

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Hirugami

Entsetzt sah ich auf das Mädchen, welches sich angeregt mit ihren Mitspielern unterhielt. Dass jemand so hoch springen konnte, der so klein war, fand ich tatsächlich bewundernswert. Trotzdem gönnte ich es ihr nicht. Das Mädchen hatte sich einfach in unser Spiel eingemischt, obwohl unsere Gegner die Karasuno und kein Sprungtalent war. Wegen ihr stand es jetzt 16:13. Dann hatte sie Aufschlag. Schon beim Anlauf bemerkte ich, dass dieser etwas ganz besonderes werden würde. N/N sprintete auf die begrenzende Linie zu und schleuderte den Ball mit einer solchen Wucht über das Netz, sodass jedem der jetzt noch gute Laune gehabt hatte das Lachen verging. Wollte sie uns umbringen? Das war ein Mörderaufschlag vom Feinsten. Woher konnte sie den? Verdammt wer war sie? Schon wenig später knallte der nächste Ball neben mir auf. Endlich verstand ich wovor mich ihre Teamkollegen vorher gewarnt hatten. Diese Bälle waren unmenschlich stark und unaufhaltsam. Sie schlug ohne Rücksicht auf jegliche Verluste und erlaubte sich dabei keinen einzigen ach so kleinen Fehler. Mit wachsender Ratlosigkeit ließ ich die Bälle neben mir aufdonnern und musste dabei immer wieder in das verbissene Gesicht der Verursacherin sehen. Als unser Libero dann doch endlich den sechsten ihrer Aufschläge annahm - es stand 22:13 - hielt er sich mit zusammengebissenen Zähnen den Arm und bedeutete uns einfach weiter zuspielen, während er seinen Arm auf der Bank kühlte. Ich schluckte. Kanbayashi war eigentlich sehr hart im nehmen und durch Bälle von Miya Atsumu und Ushijima Wakatoshi so einiges gewöhnt, doch wenn er jetzt schon starke Schmerzen bei der Annahme verspürte würden wir diese Bälle niemals stoppen können. Immerhin machte Korai den nächsten Punkt für uns, sodass wir in Punkto Aufschläge erst einmal durchatmen konnten. Die Spikes der Unbekannten waren leider auch verdammt gut und führten selbst mich an meine Grenzen. Wieso spielte das Mädchen nicht in der Nationalmannschaft, sondern bei fremden Oberschule in Japan? Die hätte locker sonst wo hin gehen können und uns den Sieg der Nationalen überlassen können. Später müsste ich sie mal darauf ansprechen, aber jetzt galt es wieder volle Konzentration zu bewahren. Verbissen versuchte ich Ball für Ball der Nummer sechzehn abzublocken, scheiterte aber an ihrer Höhe. Dann kam meine Chance: der Ball wurde zu niedrig zugespielt und ich konnte einen Hauch von Verwirrung in den Augen meiner Gegnerin erkennen. Das musste ich ausnutzen. Die Höhe des Balles war kein Problem für mich, so klein war ich dann doch nicht. N/N holte aus. Schnell spannte ich meine Arme an. Das war mein Killblock. Ich wollte das Mädchen gerade schon herausfordernd ansehen, als ich einen stichartigen Schmerz an den Handgelenken und kurz darauf etwas an meinen Händen herunter laufen bemerkte. Fassungslos bemerkte ich dass es Blut war und der Ball in unserem Feld auf und ab hüpfte. Schmerzverzerrt beobachtete ich meine Finger, die bei jeder noch so kleinen Bewegung schmerzten. Verdammt! Ich hatte doch gesehen, dass sie kräftig zuschlug, wie hatte ich mich dem in den Weg stellen können.

"Alles gut?" fragte Korai mich besorgt als ich mir ein Tape um die Verletzung wickelte.

„Ja." knirschte ich und zischte vor Schmerzen. Ich konnte ihr nicht böse sein. Das Mädchen hatte nicht absichtlich gegen meine Finger sondern nur mit dem Gedanken den Ball irgendwie auf die andere Feldseite zu bekommen, gehandelt. Im Gegensatz zu mir vorhin. Ein wenig leid tat mir das gegnerische Ass ja schon, aber irgendwie war er ja auch selbst daran schuld gewesen, ach verdammt. Jetzt hatte ich den Salat. Die letzten beiden Sätze müsste ich als Hauptblocker wohl mit einer verletzten Hand ertragen.

„Sicher dass du mitspielen möchtest?" fragte mich unser zweiterTrainer.

„Natürlich." Schnell fixierte ich das Tape und wackelte zur Bestätigung mit den Fingern.

„Sehen sie?" Dass mir dabei ein starkes Ziehen durch den gesamten Körper stach mussten sie ja nicht unbedingt wissen. Jetzt musste ich auf dem Feld bleiben und dem Mädchen das hier heimzahlen. Ich stellte mich wieder auf und das Spiel ging weiter. Nicht mehr lange dann hätten sie gewonnen. Es stand bereits 23:13. Peinlich. Korai hatte jetzt den Aufschlag. Innerlich betete ich dafür, dass er jetzt einmal so gut drauf sein würde wie im Training und tatsächlich wurde meine Bitte erhört. Korai schlug und schlug, fast fester als Ushijima Wakatoshi und der Libero bekam keinen einzigen der ersten fünf Stück. Normalerweise wäre die Annahme für ihn sicherlich kein Problem gewesen, aber Korai zielte immer genau auf die Ecke wo Nishinoya Yuu gerade nicht stand, weshalb der Libero Ball um Ball und verpasste. Der Kapitän war nicht in der Lage einen solch guten Aufschlag unseres Asses anzunehmen. Das Mädchen stand die ganze Zeit vorne und schien zu warten, bis ihre Teamkameraden es endlich auf die Reihe bekamen, stellte sich aber dann nach dem 23:19 selbst nach hinten links und nahm den Ball an, der direkt auf sie zugeflogen kam. Was konnte sie noch alles? Libero, Angreifer, Mittelblocker, Kapitän, Ass und als Zuspieler war sie, wie ich gehört hatte, ebenfalls tätig. Ein All-Rounder der Sonderklasse. Das Leben war schon ungerecht. Einen Punkt der Gegner später waren sie am Satzball. Ich fluchte. Daraus das Spiel vorschnell für uns zu entscheiden wurde also nichts. Jetzt aufzuholen? Unmöglich. Nur noch einen Ehrenpunkt wollte ich machen. Als Kageyama Tobio der Zuspieler den Ball bekam, sah ich N/N aus dem Augenwinkel schon im Minustempo lossprinten. Beherrschte sie wie der Knirps etwa auch noch diesen gefährlichen Aufsteiger? In Millisekunden entschied ich mich auf Gut Glück vor dem Mädchen hochzuspringen und beglückwünschte mich wenig später zu dieser Entscheidung. Für den Zuspieler war es zu spät gewesen die Richtung seines überaus schnellen Zuspiels zu ändern und er übergab den Ball mit schuldbewusster Miene an das Mädchen. Jetzt würde ich sie endlich blocken! Bei diesem Tempo hatte sie keine Zeit zum Ausholen. Zum Ausholen nicht, aber für etwas anderes schon...

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Hey! Ich hoffe ich hab die Spielbeschreibung ordentlich hinbekomme. Wie hat euch das Kapitel gefallen? Danke für eure ganzen Votes und Kommentare bei vergangenen Kapiteln, das bedeutet mir wirklich viel. <3

Das verschwundene Ass || HaikyuuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt