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Keishin Ukai

Mit dem Pfiff ertönte das Startzeichen. Beide Mannschaften schienen wie ausgewechselt und sahen sich kampflustig in die Augen. Sakusa Kiyoomi, das Ass der gegnerischen Mannschaft vor dem ich einen Heiden Respekt hatte, begann mit dem Aufschlag. Er warf den Ball nach oben und sprang. Bei seinem Schlag stoppte mir der Atem. Er verdrehte sein Handgelenk beim Zusammentreffen mit dem Ball so, dass ich schon Angst hatte er würde es sich auskugeln. Der Ball schien sich in der Luft die ganze Zeit um sich selbst zu drehen und als er auf die Arme unseres Liberos traf prallte er in einem fast rechten Winkel nach links von ihm ab. Ich musste schlucken. Was war das denn?

„Den nächsten bekommst du!" rief Daichi Nishinoya zu, der fassungslos auf seine Arme sah, dann aber grinste. Er sagte irgendetwas zu seinem Kapitän bevor er sich wieder aufstellte und es weiterging. Leider wurde Sakusa nicht schlechter sondern immer besser. Zu der unnatürlichen Drehung seines Aufschlages gesellte sich nun auch noch eine nicht zu unterschätzende Kraft, die unserer Mannschaft gehörig zu schaffen machte. Ich raufte mir die Haare. Wenn W/N jetzt da gewesen wäre, hätten wir uns vielleicht gemeinsam auf die Schnelle eine Strategie überlegen können, aber sie saß nun einmal zu Hause, da konnte man nichts machen. Alleine erschien es mir doch ein wenig aus der Luft gegriffen sich einen Plan gegen ein Ass der TOP-3 zu schmieden. (A/N: @Sensei-Ro: danke noch einmal für die tolle Idee. Sie wird auf jeden Fall ihren Platz finden. Ich hoffe ich bekomm das nach deinen Vorstellungen hin)
Meine einzige Hoffnung war jetzt unser Libero, der den Ball fast schon raubtierhaft fokussierte und sich immer besser an die Drehung anpasste. Leider war ich mir nicht sicher, ob auch der beste Libero überhaupt so einen Aufschlag annehmen konnte. Was würde wohl passieren wenn sie erst einmal mit angreifen anfingen? Inzwischen stand es schon 6:0 für die Itachiyama, ein ganz schlechter Zwischenstand. Fieberhaft verfolgte ich das Spielgeschehen, aber an Sakusa fiel mir einfach keine Schwäche auf. Nach dem 9:0 war seine Aufschlagsserie durch einen Ball der glücklicherweise im Aus landete endlich vorüber und Asahi stellte sich hinter die Linie. Er ging auf Nummer sicher und gab den Gegnern damit leider eine sehr schöne Vorlage, die sie für einen Punkt nutzten. Dieser Zuspieler war also auch noch ein Supertalent. Wie sollten wir gegen diese Mannschaft nur ankommen? Ich bemerkte die hoffnungsvollen Blicke meines Teams, die nur förmlich nach einer Strategie schrien, aber heute war ich tatsächlich zum ersten Mal komplett machtlos.

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Y/N N/N

Auch wenn mein Kopf schmerzte analysierte ich jeder einzelne Bewegung der Mannschaften. Ich lag auf dem Rücken in meinem Bett, hatte den Laptop auf dem Schoß und sah mir unser Spiel im Livestream an. Unser Trainer hatte nicht einmal versucht etwas gegen Sakusa Kiyoomi zu unternehmen, was ich einerseits auch verstand und andererseits ein wenig feige fand. Ich musste schon zugeben, dass Sakusa erst in offiziellen Spielen richtig aus sich herauskam und verdammt gut war. Seine Kraft kam keineswegs an meine oder Ushijimas heran, aber diese Drehung war mörderisch. Das Annehmen eines solchen Balles hatten die Jungs noch nie zuvor trainieren können und sie wurden nun wortwörtlich ins eiskalte Wasser geschmissen. Ich hätte diese Bälle selbst nie im Leben annehmen können. Nicht umsonst war ich eine Angreiferin und kein Libero, aber mit der geeigneten Strategie würde alles funktionieren. Das Gute daran, dass ich zuhause saß war, dass ich nicht so sehr ins Spiel involviert war und mich beim zusehen einfach entspannen konnte. Das hieß natürlich nicht, dass ich nicht aufgeregt war und nicht wollte dass sie gewannen, aber in der Halle zu sitzen war dann noch einmal ein ganz anderes Gefühl. Merkwürdigerweise hatte ich immer noch keine Zweifel an unserem Sieg als es bereits 10:0 für die Gegner stand.

In mir reifte so langsam eine Idee heran, wie man Sakusa ausschalten konnte und das ließ mich kalt bleiben. Ich würde einmal sehen ob ich nach dem ersten Satz mit Ukai in Kontakt kommen konnte um ihnen meine Plan mitzuteilen. Ich schätzte mal ich würde ihn einfach so anrufen. Vielleicht würde er ein wenig überrascht sein, aber als volle Co-Trainerin war es mir nicht verboten ihn während eines Spiels anzurufen. Ich beobachtete den Spielverlauf weiterhin und arbeitete meine Strategie vollkommen aus. Ich wollte dass sich ein weiterer Annehmer direkt neben Nishinoya platzierte. Wenn dann der Ball wieder einmal in diesem rechten Winkel nach links oder rechts abprallte, hätten wir immerhin einmal den Ballbesitz. Diese Aufstellung wäre für den Aufschlag, sowohl für Sakusas Spikes sehr nützlich. Ich hatte mitgezählt: über die Hälfte der Punkte der Itachiyama ging auf sein Konto, der Rest war mehr oder weniger aus unseren Fehlern oder Spikes des Mittelblockers entstanden. Meiner Meinung nach waren Sakusa und sein Zuspieler Iizuna die beiden besten des Teams. Der Zuspieler hatte gutes Talent, welches zwar lange nicht an Kageyama heranreichte, aber doch erstaunlich war und über Sakusa selbst musste man ja gar nicht erst debattieren. Wer es konnte der konnte es einfach. Nicht umsonst war er der einzige Zweitklässler, der sich in den TOP drei eines ganzen Landes befand. Gut, er war nur ein Jahr älter als ich aber das war eine reife Leistung. Wenn ich ihn mit mir vergleichen müsste würde ich behaupten dass ich ein klein wenig besser spielte wenn ich wirklich einen auf Ernst machte. Mit meinen Sprüngen war ich ihm auf jeden Fall weit voraus und auch die kräftigen Schläge mit rechts sowohl wie auch links beherrschte ich deutlich besser, aber diese fiese Drehung war eine sehr gute und starke Waffe, die zumindest die fehlende Schlagkraft wegmachte. Mit seinen drei Meter fünfundvierzig Sprunghöhe kam er zwar auch hoch, aber von meinen über vier Metern war er noch weit entfernt. Allerdings kam er mir schon sehr nahe und ein Spiel gegen die jeweils anderen wäre sicherlich interessant gewesen, aber das war uns nicht gegönnt.

Ich fand es toll dass meine Mannschaft sich heute einmal allein gegen ein solches Topteam beweisen durfte. Sie sollten am Ende nicht das Gefühl haben nur wegen mir so weit gekommen zu sein, denn das war falsch. Leider mussten sie aber heute, wenn sie es dann anderen da draußen zeigen wollten, gewinnen und gerade sah es damit eher schlecht aus: 17:10 und Sakusa war wieder mit dem Aufschlag an der Reihe. Zum Glück waren wir eine sehr optimistisch eingestellte Mannschaft und ließen uns nicht von solchen Typen herunter ziehen. In mir zog sich alles zusammen als ich sah wie machtlos meine Jungs gegen diesen Lockenkopf waren, der einen Punkt nach dem anderen erzielte. Ungeduldig wartete ich das Ende dieses wirklich miesen ersten Satzes ab. 25:10. Autsch! Das tat wirklich weh, aber ohne Strategie würde der nächste Satz auch nicht besser werden. Entschieden griff ich nach meinem Handy welches auf dem Nachttisch lag und wählte die Nummer unseres Trainers.

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Yuu Nishinoya

Oh Gott, das war ja mal ein Satz gewesen. Am Anfang hatten unsere Gegner mich ganz schön dumm angesehen, dass ich heute schon wieder mitspielte wenn ich gestern noch auf dem Feld umgekippt war, doch sie hatten sich daran gewöhnt und es uns verdammt schwer gemacht. Das sah man unglücklicherweise auch an unserem Spielstand. Mit 25:10 den ersten Satz im Halbfinale zu verlieren ähnelte einer Blamage, die es in sich hatte. Als wir auf unseren Trainer zutrabten hofften wir auf eine Strategie, sonst würden wir gleich einpacken können. Ukai stand mit bedröppelter Miene am Spielfeldrand. Ich zog den Kopf ein. Das war wohl eher ein schlechtes Zeichen.

„Also ihr habt gut gespielt, aber ein großes Problem am Hals. Sakusa Kiyoomi ist nicht umsonst ein Ass der TOP drei, daher ist es auch nicht weiter verwunderlich dass ihr seine Spikes nicht annehmen konntet und..." sein Handy unterbrach ihn. Fluchend zog unser Trainer das kleine Gerät aus seiner Tasche. Wer konnte das sein? Fast alle mit denen wir Kontakt hatten wussten dass wir gerade ein wichtiges Spiel hatten und würden uns dabei niemals stören. Als unser Trainer auf das Display blickte erhellte sich sein Gesicht schlagartig und er begann zu grinsen. Was war denn jetzt los? War das etwas seine heimliche Freundin. Unser Trainer stellte das Handy auf laut.

„Nishinoya bleibt auf seiner Position, Asahi und Daichi stellen sich je einen Meter versetzt von ihm hin, nehmen die an Nishinoyas Armen abgeprallten Bälle an und spielen sie weiter zu einem Angreifer. Noch Fragen?" ertönte W/Ns vergnügte Stimme aus dem Hörer. Ich erstarrte.

Das verschwundene Ass || HaikyuuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt