| 25 | 𝐀𝐥𝐞𝐜

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Mit flauem Gefühl im Magen fuhr ich nach Hause. Das neue Hauptquartier war wirklich schön und auch viel besser als das Alte. Aber dennoch konnte ich die Party nicht richtig genießen. Der Gedanke, dass Conner uns das wirklich angetan haben soll, ging nicht in meinen Kopf rein.

Meine Freunde hatten von meinem Unwohlsein nichts mitbekommen und das war auch gut so. Sie hatten sich stattdessen eher auf Miles und den Racheplan konzentriert, der mir solches Unwohlsein bereitet. Das konnte doch nicht gut ausgehen. Die Serpens würden zu hundert Prozent zurückschlagen, das wusste doch sogar Jackson. Aber dennoch siegte der Durst nach Rache über die Vernunft. Auf der anderen Seite konnte ich ihn verstehen, wir brauchten nach dem Schlag wieder Geld.

Tief in meinen Gedanken, bemerkte ich die Kreuzung gar nicht und somit auch nicht den weißen PKW, der von rechts kam. Erschrocken fuhr ich mit dem Kopf in dessen Richtung und zog die Bremsen so hart wie ich konnte ran, bis das ABS wirkte. Gerade noch rechtzeitig und mit schwankenden Bewegungen entging ich dem Zusammenprall und verhinderte damit den Unfall.

Zittrig atmete ich aus und versuchte mich wieder zu entspannen, was mir nur schwer gelang. Bis nach Hause waren es noch knapp zehn Minuten. Die vielen bunten Lichter ignorierte ich. Schon viel zu oft war ich an ihnen vorbeigefahren, jetzt hatten sie keine Bedeutung mehr. Auch die Werbeplakate interessierten mich nicht und die Menschen hier noch weniger. Es war wie jede andere Nacht.

Als ich von weiten das gelbliche Haus sah, zog sich mein Magen zusammen. Als kleines Kind hatte ich mich immer auf Zuhause gefreut und hatte ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern. Doch seitdem hatte sich viel verändert. Meine Eltern versuchten immer mal wieder Kontakt aufzubauen, gaben es aber mit der Zeit auf. Jetzt war es keine Familie mehr, wir wohnten einfach nur zusammen. Jeder erfüllte seine Pflichten, ich eher weniger.

Langsam fuhr ich in Richtung Einfahrt und versuchte es ein wenig hinauszuzögern. Klar, ich hätte noch eine Weile bei der Halle bleiben können, doch dort fühlte ich mich noch unwohler. Was komisch war, denn ich verbrachte eigentlich gerne Zeit mit meinen Freunden, doch seit Jackson, das mit der Rache verkündet hatte, wollte ich einfach nur noch weg.

Das Profil meines Vorderreifens berührte schon die Einfahrt und mit so wenig Gas wie möglich fuhr ich auf das Grundstück. Ich hätte auch einfach wieder umdrehen und bei einem Freund übernachten können, aber im Moment wollte ich eher meine Ruhe.

Ich hielt vor dem silbernen Garagentor an und stellte meine weiße Maschine auf den Seitenständer. Dann öffnete ich das Tor und fuhr mein Motorrad hinein. Als es sicher stand, machte ich das Licht an, um meinen Helm ablegen zu können. Und da stand sie. Die schwarze Honda neben meiner Triumph. Ein schlichter, roter Aufkleber an der Verkleidung und schwarze Felgen machten sie komplett. Aber wenn sie hier war, hieß das auch, das er hier war. Sonst freute ich mich, wenn er zu Besuch kam, doch heute hätte er ruhig wegbleiben können.

Ich seufzte und legte meinen weißen Integralhelm neben seinen dunklen Vollhelm. Dann schloss ich die Garage, machte das Licht aus und öffnete die Tür, mit der man von der Garage direkt ins Haus kam. Da es schon spät war, machte ich das Licht nicht an, sondern zog leise meine Schuhe und Jacke aus, um niemanden zu wecken. Ich wollte mich gerade umdrehen, als ich mit jemanden zusammenstieß.

„Wow, pass auf Kleiner", vernahm ich die leise Stimme meines großen Bruders.

„Tut mir leid, kann ich ja nix für, wenn du dich im Dunkeln an mich ranschleichst", flüsterte ich zischend zurück.

Er lachte ganz leise auf. Ein Geräusch, was ich schon lange nicht mehr von ihm gehört hatte. „Ich schleich nicht, du bist einfach nur unaufmerksam." Er machte eine kurze Pause. „Außerdem kann ich ja nicht wissen, dass du mitten in der Nacht im Flur stehst."

„Hm." Ich sah auf dem Boden, unsicher was ich sagen sollte. Wir sprachen in letzter Zeit nicht oft miteinander.

„Wo warst du überhaupt?" Seine Stimme hatte nun einen ernsteren Unterton und mein Kopf schnellte nach oben.

„Das geht dich nichts an", sprach ich mit noch immer gedämpfter Stimme und so etwas wie Sorge oder Reue blitzte in seinen Augen auf.

Er seufzte laut und wollte eine Hand auf meine Schulter legen, die ich jedoch abschüttelte. „Bitte Alec, ich mach mir nur Sorgen um dich."

Ich lachte sarkastisch, nicht darauf bedacht, dass unsere Eltern schon schliefen. „Du besorgt? Um mich? Damals hat es dich auch einen Dreck gekümmert, als Blake auf mich geschossen hat!" Wütend sah ich ihn an.

„Was hätte ich denn machen sollen?", wollte er verzweifelt wissen und irgendwie erschöpft wissen.

„Vielleicht zu deinem Bruder, statt zu deiner Gang halten? Familie war dir doch immer so wichtig!" Mit einem Handzeichen signalisierte er mir, meine Lautstärke zu senken, was ich dann auch tat. Unsere Eltern durften davon nie im Leben etwas mitbekommen.

„Du hast damals auch nicht zu mir gehalten, sondern bist der Hydra beigetreten. Also erzähl du mir nichts von Familie", entgegnete er kalt und die Verachtung in seinen Augen versetzte mir ein Stich ins Herz. „Außerdem musst du doch am besten wissen, dass die Gang über der Familie steht." Zwar war unser Verhältnis zueinander mehr als kompliziert, aber er war immer noch mein Bruder. Eine Tatsache, die ich oft ignorierte. „Du hast dich damals gegen mich entschieden, also werfe mir nicht vor, wenn die Serpens bei mir an erster Stelle stehen."

Er wandte sich ab, ohne sich noch einmal umzudrehen oder noch ein Wort zu sagen.

„Gute Nacht, Conner", sagte ich ihm leise hinterher, doch er hatte es wahrscheinlich nicht gehört. Oder er ignorierte mich einfach. Schwer atmete ich aus, senkte meinen Blick etwas und ging ebenfalls in mein Zimmer. Ich wollte einfach nur noch ins Bett.

Es war schon kompliziert genug, wenn man in einer Gang war und die Eltern davon nichts mitbekommen durften. Aber wenn der eigene Bruder in der rivalisierenden Gang war, war Streit vorprogrammiert. Das Anstrengendste war jedoch, dass keiner die ganze Wahrheit kannte. Die Hydra durfte nichts von Conner und meiner Verwandtschaft wissen und meine Eltern durften nichts von der Hydra wissen. Vielleicht war das auch das Einzige, was uns noch verband. wir hüteten beide ein Geheimnis und konnten uns nicht einmal gegenseitig etwas anvertrauen.

RIDERS ~ Burn For ThisWhere stories live. Discover now