| 69 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Jackson sah mich an, als hätte er einen Geist gesehen. Ganz offensichtlich war er von dem Vorschlag, oder eher von dieser Forderung, nicht begeistert.

„Was?! Das kommt nicht in Frage!", bestimmte er überzeugt. „Blake würde unsere momentane Situation doch nur ausnutzen!"

Müde ließ ich den Kopf hängen. Es war definitiv keine leichte Sache Jackson zu überzeugen, aber mein Ehrgeiz war groß. „Er plant aber mit Sicherheit schon Gegenangriffe, weil du ihn damals beschuldigt hast! Außerdem will er mich nach wie vor töten, wegen der Aktion mit den Kunden. Das Ganze hat doch keinen Sinn mehr und Zayn will euch beide zerstören, da wäre es doch nur klug, wenn ihr euch verbünden würdet."

„Er würde nie zustimmen!", hielt er dagegen und nahm seinen Arm von meiner Schulter, um aufzustehen.

„Aber Conner hat zugestimmt! Er ist auch gegen Zayn und er war es auch, der damit angefangen hat. Auf ihn wird Blake hören", erklärte ich. „Und wenn nicht, dann wäre es vielleicht Zeit für einen neuen Alpha bei den Serpens", fügte ich leiser hinzu.

Jackson riss die Augen auf. „Du meinst?"

„Jap." Ich zuckte mit den Schultern. „Conner macht doch eh alles und die Gang respektiert ihn. Es würden sicherlich viele zu ihm halten, wenn er die Führung übernimmt oder seine eigene Gang gründet."

Mein Gegenüber kniff die Augen zusammen. „Woher weißt du, wie Conner dazu steht?"

„Also..." Wütend biss ich mir auf die Zunge.

War ja klar, dass er das wissen wollte! Und ich war zu blöd, um meine Worte mal kurz zu überdenken. Die Verwandtschaft zwischen Alec und Conner hatte uns in diesem Thema sehr geholfen, nur durfte davon niemand wissen. Und außerdem befürchtete ich, dass Jackson endgültig die Fassung verlieren würde, wenn das nun auch noch rauskäme.

„Miles?", fragte Jackson nach.

„Ja, also... es könnte sein, dass ich eventuell-"

Jackson unterbrach mich sauer. „Lüg du mich jetzt bloß nicht auch noch an! Wenigstens bei dir dachte ich, du würdest mir die Wahrheit sagen!", fauchte er und sein verletzter Blick ging mir durch Mark und Bein.

„Tut mir leid", entgegnete ich schuldbewusst. „Es ist nur so, dass du durch Nero heute schon genug gelitten hast."

Der Schwarzhaarige rang sich ein schiefes Lächeln ab. „Glaubst du wirklich, dass nach Neros Verrat es noch eine Sache gibt, die mich mehr schocken könnte?"

„Nein, aber ich hab mein Versprechen gegeben, nichts zu sagen", rechtfertigte ich mich. Ich wollte Alec nicht so hintergehen. Doch auf der einen Seite hatte ich einen sehr guten Draht zu Jackson und ich wollte mir nicht zu viel erlauben. Das war auch der Grund, weswegen ich dann doch einknickte und erklärte, „Conner ist Alecs älterer Bruder."

Innerlich machte ich mich schon auf den Wutausbruch des Alphas bereit, doch dieser sah mich nur aus leeren Augen an. „Danke für deine Ehrlichkeit."

Wie?! „Aber-"

„Ich hab's schon immer geahnt. Allein die Tatsache, wie sie sich immer verhalten haben", lachte er bitter und irgendwie gefiel mir dieses Verhalten noch weniger. Er wirkte so hoffnungslos wie er da so in der Dunkelheit vor mir stand und mich mit diesen Augen fixierte. „Was erwarte ich auch schon von ihm? War klar, dass sie es für sich behalten. Genauso wie du die Verwandtschaft zu deinem Onkel geheim gehalten hast."

Die Richtung, in der das Gespräch verlief, gefiel mir gar nicht. „Jackson, ich-"

„Nein, sei einfach still, Miles!", unterbrach er mich wieder fauchend. „Wie konnte ich auch so naiv sein?! Vertrauen gibt es in diesem Business nicht! Das war schon von Anfang an klar!"

Jetzt wurde mir auch klar, was er meinte. Der Vertrauensbruch wurde durch Alec und Conner nicht gerade besser und irgendwie projizierte er das nun auf mich. „Jacks", sagte ich daher mit Nachdruck in der Stimme. „Du kannst vertrauen! Du kannst mir vertrauen!"

Doch meine Worte brachten nicht viel, seine Anspannung wurde stärker und er vergrößerte den Abstand zu mir.

Also stand ich kurz entschlossen auf, schaltete erfolgreich mein Gehirn aus und umarmte ihn einfach. Mit Nero hatte er auch seine Familie verloren und ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, allein zu sein, denn das kannte ich nur zu gut und es war schrecklich.

Zwar verkrampfte er etwas, doch kurz darauf krallte er sich förmlich an mich. So, als habe er Angst mich wieder zu verlieren. Dabei drückte er so fest zu, dass ich schon Sorge um meine Rippen hatte, doch die waren offenbar hart im Nehmen.

Der Bewegungsmelder war inzwischen ausgegangen und so sah ich absolut nichts mehr. Ich spürte nur Jacksons Körper an meinem, wie er mich verzweifelt an sich drückte und die Nässe auf meiner Schulter. Sein stilles Weinen hatte ich gar nicht mitbekommen und wie von selbst glitt meine Hand zu seinen extrem kurzen Haaren und verweilte anschließend im Nacken. Seine Wärme tat mir gut, da die Kälte sich langsam in mir ausgebreitet hatte.

Wir sagten nichts, wir brauchten keine Worte zum Verständigen.

Stattdessen genossen wir den Moment. Ich war nicht länger allein und Jackson auch nicht. Wir beide hatten dieses Jahr geliebte Menschen verloren und vielleicht war auch genau Das der Grund, weswegen wir so gut miteinander klarkamen.

„Danke, Miles", flüsterte er irgendwann, ohne mich loszulassen.

Ich lächelte. „Kein Ding, danke ebenfalls." Danach wand ich mich aus der Klammerumarmung, was gar nicht so einfach war. Grinsend kam mir plötzlich ein Gedanke. „Ich sag's auch niemanden weiter, versprochen."

Da lachte nun auch er. „So, wie beim Rennen?"

„So, wie beim Rennen, will ja nicht, dass dein Image leidet", kicherte ich. „Aber jetzt sollte ich wirklich nach Hause, sonst erfrier ich hier noch."

Der Alpha nickte und zusammen liefen wir zur Hintertür der Halle zurück. Das war ohne Licht nur nicht so einfach und auch die Sterne über uns waren nicht hell genug. Und es musste natürlich so kommen, wie es kommen musste und ich stolperte über meine eigenen Beine, wodurch mir ein unmenschlicher Laut entkam. Anstatt mir zu helfen, lachte mich mein Nebenmann nur aus!

„Du Arsch! Lach nicht, hilf mir wenigstens", forderte ich.

„Kann nicht", entgegnete er. „Ich seh dich immerhin nicht, aber dein Schrei war Beweis genug. Ich hab's quasi bildlich im Kopf, wie es dich hin klatscht, du Null", tadelte er fast schon zärtlich und half mir am Ende doch auf, indem er mich unter den Armen packte und einfach vor sich hinhaltend zur Tür trug.

Dort setzte er mich ab und während wir nach vorne zu den Bikes liefen, fragte ich „Wie hast du dich wegen Blake entschieden?"

„Ach Miles", quengelte er. Doch dann seufzte er und sah lächelnd zu mir herüber. „Ich hab wohl keine andere Wahl, oder?"

„Nein, hast du nicht", antwortete ich glücklich und zusammen fuhren wir nach Hause. Dieses Mal sogar ohne ein Rennen. Seine bessere Laune gefiel mir.

Rein freundschaftlich und nicht mit adrenalingefüllten Gedanken fuhren wir über den Asphalt, bis sich unsere Wege in San Diego trennten.

RIDERS ~ Burn For ThisWhere stories live. Discover now