| 28 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

156 22 16
                                    

Endlich war ich Zuhause. Der Verkehr war einfach nur ätzend und dementsprechend war ich recht froh, endlich in meinem Zimmer zu sein. Nur, was sollte ich den Tag jetzt noch machen?

Jacksons Nummer hatte ich bereits eingespeichert und jetzt machte sich Langeweile breit. Mein Blick wanderte zu der dunklen Tasche, die ich am ersten Tag einfach in die Ecke meines Zimmers gekracht hatte. Bis heute hatte ich sie nicht geöffnet, zu sehr erinnerte sie mich an damals. Also beschloss ich meine Konsole anzumachen. Gerade hatte ich den Kontroller in die Hand genommen, da klopfte es an meiner Tür.

„Miles?", rief mein Onkel.

Ich verdrehte die Augen. „Ja?"

„Ich wollte fragen, ob du morgen Abend mit zu einem Kollegen willst? Er würde dich gerne kennenlernen, schließlich war dein Vater ein guter Freund von ihm", meinte er, nachdem er mein Zimmer betreten hatte.

„Nein Danke", antwortete ich knapp. Ich wollte nicht weiter in der Vergangenheit herumwühlen. Das brachte nichts und bereitete mir nur unnötige Schmerzen. Außerdem hatte ich morgen Abend schon etwas vor und da war ein Treffen mit einem Polizisten garantiert nicht eingeplant.

Doch mein Onkel ließ nicht locker. „Sicher? Er würde sich wirklich freuen und vielleicht würde es dir auch ganz guttun, mal über das, was passiert ist zu reden", versuchte er mich umzustimmen und seine ruhige Art ging mir jetzt schon gewaltig gegen den Strich.

Gestresst atmete ich aus. „Ja, ich will aber nicht und reden macht es auch nicht besser! Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, also finde ich mich eben damit ab und dein Kollege kann mir da auch nicht helfen", knurrte ich und bevor mein Onkel noch etwas sagen konnte, verließ ich das Zimmer. Ich flüchtete, so wie immer.

„Du kannst doch nicht jedes Mal abhauen, wenn es um deine Eltern geht!", rief er mir hinterer und ich hörte Schritte auf der Treppe.

„Ach nein?" Ich lief durch das Wohnzimmer und steuerte auf die Haustür drauf zu. Doch ich wurde durch einen festen Griff am Arm daran gehindert und gegen die Wand gedrückt. Was hatte der denn auf einmal? Der Versuch mich loszureißen, scheiterte und ich stöhnte genervt auf. Mein Onkel lockerte den Griff, doch als er mein Zappeln bemerkte, verdrehte er mir schmerzhaft den Arm. „Lass mich los!", fauchte ich ihn an.

„Ganz sicher nicht", widersprach er und ich zog scharf die Luft ein. Wie ich seinen Job doch hasste! „Ich will gar nicht wissen, wohin du jedes Mal verschwindest", sprach er mehr zu sich selbst und ein finsterer Unterton begleitete seine Stimme.

Angst machte sich in mir breit und fragend sah ich ihn über meine Schulter aus an. „Was meinst du?"

„Dein Lehrer hat heute angerufen, weil du schon zum zweiten Mal unentschuldigt gefehlt hast und das in der ersten Schulwoche! Und Zuhause kannst du nicht gewesen sein, sonst hätte ich dich ja gesehen", erklärte er mit lauter Stimme und ich schluckte. Es hatte noch nicht mal richtig angefangen und schon wurde mein Onkel misstrauisch. „Wo also warst du, Miles?"

„Das geht dich nen Scheiß an!", warf ich ihm an den Kopf und fing wieder an, mich aus seinem Griff zu winden.

Er seufzte. „Das geht mich sehr wohl etwas an. Ich musste meinem Bruder versprechen, auf dich aufzupassen und das werde ich auch! Also mach es dir selber nicht so schwer und rede mit mir, oder geh zumindest in die Schule", verlangte er. „Ich will dir nur helfen, Miles, aber das geht nur, wenn du es auch zulässt und ich will nicht, dass du auf die falsche Bahn kommst, das hätte dein Vater nicht gewollt."

Dafür war es schon längst zu spät. Obwohl ich mich erst über den Beitritt gefreut hatte, machte sich nun das schlechte Gewissen in mir breit und ließ meinen Brustkorb eng zusammenziehen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und nervös wandte ich den Blick ab. Dabei versuchte, mein schnell schlagendes Herz zu ignorieren.

Mein Onkel lockerte seinen Griff und seine Anspannung ließ nach, dennoch meinte er mit autoritärer Stimme, „Sollte ich noch einen Anruf von deinem Lehrer bekommen, weil du fehlst, hat sich das Motorradfahren endgültig erledigt."

Geschockt sah ich ihn an, während mir das Herz stehenblieb. „Was?! Das kannst du nicht machen!"

„Du hast keinen Führerschein, schon vergessen? Ich hab da oft ein Auge zugedrückt, aber wenn das so weiter geht, dann nicht mehr. Mal ganz davon abgesehen, dass du sowieso nicht fahren solltest", entgegnete er und im Stillen musste ich klein beigeben. Als Schwarzfahrer stand ich vor einem Polizisten schlecht da, auch, wenn ich schon volljährig war. „Haben wir uns verstanden?", wollte er zum Abschluss wissen.

Genervt ergab ich mich. „Ja man."

„Ok, du musst verstehen, dass ich dir nur helfen will-", setzte er an, doch für mich war das Gespräch beendet. Ich wollte seine Stimme nicht mehr hören.

„Weißt du, lass es einfach. Ich hab schon verstanden." Genervt lief ich an ihm vorbei und ging zurück auf mein Zimmer. Auf meinem Arm war noch immer ein roter Abdruck und es schmerzte leicht. Wie konnte er seinen eigenen Neffen gegen die Wand drücken? Sein Misstrauen mir gegenüber konnte doch gar nicht so groß sein. Im Zimmer lehnte ich mich an meine Tür und schloss kurz die Augen.

Doch ein klingelndes Handy riss mich aus meiner Starre und müde sah ich zu meinem Bett, auf dem mein Handy lag und munter Krach machte. Irritiert lief ich zum Bett, nahm das Handy in die Hand und sah aufs Display. Ruby.

Mit einem besseren Gefühl und guter Laune nahm ich ab. „Hey Ruby."

„Hey, du hast mich angerufen?", erklang ihre Stimme am anderen Ende.

„Ja, also ich wollte mal fragen, ob du morgen vielleicht Lust hättest, mit mir in den OMNIA Nightclub zu gehen?" Innerlich hoffte ich natürlich, dass sie ja sagte. OMNIA war definitiv nicht die beste Idee für ein Date oder ähnliches, aber die Disco hatte mich heute, als ich mit Jackson dran vorbeigefahren war, überzeugt. Zudem war es wohl der Einzige Club hier, in den wir gehen konnten, denn Ruby war noch nicht volljährig und Alkohol würden wir schon gleich gar nicht bekommen. Bei meiner Aufnahmefeier hatte ich aber einige Hydra Mitglieder kennengelernt, unter anderem auch Eka, einen Ausländer, der seit längerem dabei war und zusätzlich dort als Türsteher arbeitete.

„Sollte das eine Einladung zu einem Date sein?", hakte Ruby kichernd nach.

Unsicher lachte ich und kratzte mich im Nacken. „Vielleicht?" Schnell fügte ich hinzu, „Dann kann ich dich auch mit meiner Yam mitnehmen."

„klar, gern", meinte sie gutgelaunt. „Aber lassen die uns da überhaupt rein?"

„Mal sehen, ich kenn da so nen Typ, der dort arbeitet", gab ich zu und wurde immer nervöser.

Kurz blieb es still und ich konnte mir bildlich vorstellen, dass Ruby eigentlich etwas anderes sagen wollte. Doch stattdessen kam nur, „Dann hoffen wir mal, dass er uns reinlässt, ich wohn in der Marcy Ave, 2772. Holst du mich so um sieben ab?"

„Ja, geht klar. Bis Morgen", verabschiedete ich mich und in mir machte sich ein warmes Gefühl breit. Sie verabschiedete sich ebenfalls und als sie aufgelegt hatte, fühlte ich mich wie ein verliebter Teenager, der noch nie ein Treffen mit einem Mädchen hatte.

Es war irgendwie so surreal. Ich hatte ein Date mit Ruby, mehr oder weniger. Auf der einen Seite freute ich mich total und konnte es jetzt schon kaum abwarten, aber auf der anderen Seite, traf ich mich mit ihr und verschwieg ihr einiges, was sie wissen sollte. Was aber die Sache noch etwas komplizierter machte, war, dass ich 21:00 Uhr ja noch einen Auftrag zu erledigen hatte.

RIDERS ~ Burn For ThisWhere stories live. Discover now