| 77 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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„Was gibt's zum Abendbrot?", jammerte Ryan auf dem Sofa.

„Nichts", rief ich zurück. „Es ist schon mitten in der Nacht!", tadelte ich. Manchmal könnte man denken, er wäre schwanger. So viel konnte kein Mensch allein essen!

Ryan warf ein Kissen nach mir. „Ist doch egal."

„Nein, eben nicht! Dann wirst du total fett", widersprach Matt, der daneben saß. Er war nach dem Straßenrennen noch zu uns gekommen und spielte mit Ryan irgendein komisches Kartenspiel, wobei sie um irgendetwas wetteten.

Kopfschüttelnd räumte ich den Geschirrspüler weiter ein. Eine Arbeitsteilung oder ein Haushaltsplan wäre mal ganz sinnvoll! Nur hatten wir beide keine Lust dazu einen zu erstellen und so kam es, dass ich 1 Uhr nachts die Küche aufräumte. Meinen Anfall hatte ich weitestgehend verdrängt und versuchte nicht mehr daran zu denken.

Dann gab mein Handy einen Pieps von sich. Desinteressiert sah ich aufs Display. Jackson. Was wollte der denn jetzt? Ich dachte er fuhr Straßenrennen?

Doch dann klopfte es an der Tür. Auffordernd sah ich zu meinem Mitbewohner und dessen Bro, nur rührten die Beiden keinen Finger, weswegen ich missmutig zur Haustür schlurfte. Mit Schwung öffnete ich diese und hereingestürzt kam ein blutender Alec.

„Was ist denn mit dir passiert?!", wollte ich geschockt wissen.

Alec gab aber keine Antwort. Stattdessen ließ er sich wimmernd zu Boden gleiten und senkte den Kopf. So niedergeschlagen und schwach hatte ich ihn noch nie gesehen.

„Oh Gott! Alec", stieß Matt aus. Ganz die Gangmama. Besorgt kniete ich mich neben den Blonden und Matt auf die andere Seite. „Wo blutest du?"

Alec jedoch war nicht wirklich ansprechbar. Er schüttelte apathisch den Kopf, jammerte Conners Namen und kroch etwas von uns weg. Was auch immer passiert war und woher er kam, es war furchtbar. „Er ist tot", fiepte er einige Oktaven höher als sonst.

„Wer ist tot, hm?", hakte Matt nach und legte Alec eine Hand auf die unverletzte Schulter.

Doch nun schien das Adrenalin zu schwinden und Alecs Erschöpfung zeigte sich. Seine Arme gaben nach und er sackte auf dem Fußboden zusammen. Dort rollte er sich schließlich ein und jammerte erneut. Blut sammelte sich unter ihm und bei dem Anblick kamen unschöne Erinnerungen hoch.

„Fuck", murmelte Ryan auf dem Sofa.

Irritiert sah ich zu ihm. „Was ist?"

„Schaut mal auf eure Handys", meinte er nur abwesend und scrollte weiter über den Bildschirm. Matt blieb bei Alec und half ihn, sich auf den Rücken zu drehen. Ich hingegen lief zu Ryan und warf einen Blick auf sein Handy. Er hatte einen der Gruppenchats offen und dort war die Hölle los. Jemand hatte Bilder geschickt und ich hätte sie lieber nicht gesehen. Einige schrieben um Hilfe und Ryan hatte auch einige verpasste Anrufe.

Ich lief zu meinem Handy und öffnete den Chat mit Jackson. Anschließend hörte ich mir die Sprachnachricht an. Ich hörte den Anfang nicht, da ich meine Lautstärke erst erhöhen musste und aus Versehen vor spulte. Auch die Qualität war nicht die Beste.

„Denn Zayn ist nicht länger unser Feind. Ich muss mich nur an die Abmachung halten und schon geht das Ganze gut aus... nur eben nicht für euch."

„Und was für eine Abmachung?"

„Das Gebiet und die Kunden reichen nicht für uns alle. Doch wenn ihr nicht mehr hier seid, kann auch Zayn hiervon profitieren. Die Serpens existieren weiter. Nur mit ein paar Mitglieder weniger. Das ist der Lauf des Lebens."

„Und wie viele müssen dafür sterben? Weißt du eigentlich, wie wahnsinnig das ist?! Ihr müsstet eine ganze Gang vernichten, inklusive euren Mitgliedern! Das würdet ihr niemals schaffen."

„Oh, doch. Sie werden um ihr Leben bangen. Genau in diesem Augenblick. Und du wirst der erste von ihnen sein."

Ich wusste nicht, wer der andere Typ war, aber das musste ich nicht wissen, um es zu verstehen. Schockiert sah ich zu Matt und Ryan. Sie hatten mitgehört und konnten sich ebenfalls denken, was los war. Mein Blick glitt zu Alec und anschließend zu Ryans Handy. Zayn setzte seinen Plan gerade in die Tat um.

„Das war Blake", knurrte Ryan sauer und sprang auf.

Matt sah seinem Kumpel verwirrt hinterher. „Wo willst du hin?"

„Wohin wohl?", fragte Ryan und zog sich seine Jacke und Schuhe an. „Ich fahr zur Halle!"

„Aber doch nicht allein."

Ryan stoppte. „Doch, Miles ist noch nicht fertig ausgebildet und du bleibst bei Alec."

„Das kann auch Miles übernehmen", widersprach Matt und machte sich ebenfalls fertig. Überfordert sah ich zu Alec am Boden. Sah ich aus wie ein Arzt? „Bind seine Verletzungen ab und fahr ihn ins Krankenhaus!", wies Matt mich an und ich nickte.

„Warte!", rief ich ihn nochmal zurück. „Kannst du Jacksons Handy orten, Matt?"

„Wozu?", hakte dieser nach. Ich sah ihn vielsagend an. „Vergiss es! Jackson kann sich verteidigen und du hast keine Ahnung von Waffen!"

Ryan steckte den Kopf nochmal zur Tür rein. „Mach es trotzdem, dann können wir auch zu Jackson fahren."

„Na schön", gab Matt sich geschlagen und suchte Jacksons Standort mit seinem Handy. „Er ist beim Memorial. Bis dann Miles und bleib ja bei Alec!" Dann waren sie verschwunden. Und ich blieb allein mit dem verletzten Alec zurück und würde am liebsten losfahren.

Unschlüssig rannte ich ins Badezimmer und kramte Ryans Verbandszeug aus. Ich hatte nur keine Ahnung, was ich tun sollte. Deswegen sah Alecs Schulter wahrscheinlich auch so aus wie sie aussah. Mein Patient verkniff sich sämtliche Kommentare und gab auch keinen Mucks von sich als ich ihn zum Sofa brachte und ihn dort ablegte.

„Wen meintest du vorhin?", versuchte ich ein Gespräch aufzubauen und mich selbst zu beruhigen. Rechnete aber nicht wirklich mit einer Antwort.

Doch Alec öffnete die Augen etwas und murmelte, „Conner. Sie haben... Conner erschossen. Dabei sollte doch ich sterben...", wimmerte er erneut.

„Alec", seufzte ich ratlos und brach ab. Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte. Alec tat mir einfach furchtbar leid und ich konnte ihn nicht wirklich trösten. Ich wusste, wie es war, wenn man seine Familie verlor und sowas wünschte man wirklich keinem. Außerdem wurden meine Gedanken von etwas anderem dominiert. Jackson.

Matt und Ryan wären nie rechtzeitig da!

Entschlossen sprang ich auf, stopfte Alec eine Schmerztablette rein und lief anschließend in Ryans Schlafzimmer. Irgendwo musste der Typ doch noch eine Waffe haben! Hastig durchsuchte ich die wenigen Schränke und wurde im oberen Fach des Nachttischs fündig. Die schwarze Waffe verschwand im Flur schnell in meiner Jacke und mit der anderen Hand fischte ich nach meinem Helm.

„Ich bin gleich wieder da, Alec. Versuch derweil nicht zu verbluten... und drück mir die Daumen", murmelte ich noch. Hoffentlich war der Verband fest genug.

Dann hastete ich der Treppe hinunter und hoffte darauf, dass meine Yamaha noch genügend Sprit hatte. Zwar hatte ich eine Schusswaffe schon öfter in der Hand und das Treffen lag mir recht gut, aber ich hatte doch noch nie auf einen Menschen geschossen! Noch einmal atmete ich tief durch und fuhr los. Hoffentlich würde ich sie nicht brauchen.

RIDERS ~ Burn For ThisWhere stories live. Discover now