| 26 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Das schönste Geräusch, das ich kannte, erklang in meinen Ohren und entspannt verfolgte ich der weiße Triumph Daytona und schlängelte mich durch den Verkehr. Es glich einem Wunder, dass wir noch nicht angehalten wurden und die Polizei noch nichts von den ganzen Straßenrennen bemerkt hatte.

Ein wenig aufgeregt war ich schon, wegen des Racheplans, aber ich musste ihn durchziehen. Schließlich musste ich meinen Beitrag leisten und mich erstmal beweisen.

Dass ich heute aber wieder Schule schwänzen musste, ging mir etwas gegen den Strich. Irgendwann würde es doch auffallen, wenn Alec und ich immer zur selben Zeit fehlen würden. Es war meine erste Woche auf der neuen Schule und ich hatte schon zwei unentschuldigte Fehltage. Zudem war Ruby nicht blöd und könnte auch irgendwann eins und eins zusammenzählen. Mein Onkel wusste davon nicht nichts, aber er würde das sicherlich auch noch herausfinden.

Alec schien, im Gegensatz zu mir, alles andere als entspannt. Total gereizt kam er heute Früh hier an und sah so aus, als hätte er kaum geschlafen. Nicht ein Wort hatte er gesagt.

Wir verließen endlich das Gebiet der Serpens und fuhren denselben Weg wie gestern. Heute war es etwas kühler und die Sonne schien mir grell ins Gesicht als wir über die dünnen Landwege der Vineyards fuhren. Dann endlich tauchte vor uns die Halle auf.

Gestern hatten sich hier betrunkene und tanzende Teenager gesammelt, bunte Maschinen hatten dort gestanden und alles hatte eine festliche Lokation. Jetzt war davon nichts mehr zu sehen. Zwar sah man noch die Überreste der Feier, weil niemand aufgeräumt hatte, aber es war keine Menschenseele zu sehen. Wir waren also die Ersten und Einzigen. Nachdem wir unsere Maschinen abgestellt hatten, warteten wir vor der verschlossenen Halle. Meinen Blick ließ ich durch die Landschaft gleiten und prägte mir alles gut ein. Bei strahlender Sonne sah hier alles ganz anders aus, aber immer noch genauso schön.

Dann vernahmen wir auch schon die bekannten Motorengeräusche und wenig später tauchten die Silhouetten von drei Motorrädern auf. Jackson, Nero und Ryan kamen neben uns zum Stehen und nahmen ihre Helme ab.

„Ihr habt ganz schön lang gebraucht", bemerkte Alec tonlos.

Nero stieg von seiner Suzuki und sah wütend zu Ryan. „Ja haben wir."

Also war es wohl Ryans Schuld. Aber der schien sich keiner Schuld bewusst. Er grinste den Weißhaarigen nur provozierend an und zuckte mit den Schultern. „Ich hab's eben nicht so mit der Pünktlichkeit. Das weiß ich, das wisst ihr. Ich frag mich sowieso, warum ihr da immer so ein Drama draus macht."

Neros Augen wurden größer und ich befürchtete schon, er würde Ryan an die Gurgel gehen. Wütend fing er an sich aufzuregen. „Warum? Warum?! Vielleicht, weil es anstrengend ist? Das-"

„Schluss jetzt, wir sind ja jetzt da", unterbrach Jackson seinen Beta, warf ihm noch einen mahnenden Blick zu und lief dann genervt zur Halle, um sie aufzuschließen. Schnell flüchteten wir vor der Sonne ins kühle Innere. Drinnen sah es nicht weniger gut aus. Auch hier wütete das Chaos von letzter Nacht und auch Matts Cross war noch hier. Jackson beachtete dies jedoch nicht, sondern lief weiter zu dem Tisch, wo ich gestern meine Mitgliedschaft unterschrieben hatte. Der Vertrag war weg und auch das Blut war weggewischt wurden. Wenigstens hatte jemand den Tisch aufgeräumt und der Vertag war höchst wahrscheinlich bei Jackson.

„Wo ist eigentlich Matt?", fragte Alec etwas abwesend.

„Schläft seinen Kater aus", antwortete Ryan und musste dabei gähnen. Es war einfach zu früh.

Nero grinste. „Ich sag's doch, der verträgt nichts." Dafür bekam er einen Klaps von Ryan auf den Hinterkopf. „Ey!", beschwerte sich der Beta und funkelte Ryan böse an.

„Wie kleine Kinder", seufzte Jackson. Ich stimmte dem Ganzen nur schmunzelnd zu. „Und das mit 22 Jahren", fügte der Schwatzhaarige noch kopfschüttelnd hinzu. Als die beiden Jacksons Blick bemerkten, wurden sie wieder ernst und richteten ihre Aufmerksamkeit wieder auf uns. „Also...", fing Jackson an und sah noch einmal prüfend zu den Beiden. „Wie schon gesagt, werden wir einen der wichtigsten Kunden der Serpens für uns gewinnen. Das macht unseren Verlust-"

„Und woher wollen wir wissen, wer dieser Kunde ist, welche Drogen er will und wann die Lieferung vereinbart war?", krähte Nero kritisierend dazwischen.

„Wenn du mich mal ausreden lassen würdest, wüsstest du es", knurrte Jackson, der gerade seine Geduld endgültig verlor. „Miles wird sich als Kunde ausgeben. Er wohnt in ihrem Gebiet und sie kennen ihn noch nicht. Er wird uns diese Infos besorgen und sich somit auch gleich beweisen." Nero und Ryan sahen ihn skeptisch an. Konnte ich auch verstehen, mir war da auch nicht wohl dabei. Während Jackson mit den Beiden anfing zu diskutieren, beobachtete ich Alec. Er nahm überhaupt nicht am Gespräch teil und schien in seiner eigenen Welt. Sein Blick war abwesend und er hatte vermutlich nicht mal zugehört.

„Alec, was meinst du?", wollte Jackson irgendwann wissen, der wohl darauf hoffte, jemanden auf seine Seite zu bekommen. Jemand, der diesen Plan unterstützte.

Doch der Blonde reagierte nicht. Also stieß ich ihn sanft in die Seite, woraufhin er stark zusammenzuckte. „Äh... was?" Verwirrt sah er in die Runde. Ryan und Nero stritten sich noch immer und Jackson sah ihn erwartungsvoll an. „Tut mir leid, ich hab nicht zugehört."

Der Schwarzhaarige schnaubte genervt. „Die Beiden...", er deutete auf Nero und Ryan, „Sind schon anstrengend genug. Also hör wenigstens du zu, Alec!"

„Hm, kommt nicht wieder vor", gab er kleinlaut von sich und beinahe hatte ich Mitleid mit ihm. Er senkte den Blick und jetzt war ich mir sicher, dass etwas nicht stimmte. Allerdings ging es mich nichts an, es war sein Privatleben und wir waren ja auch nicht die besten Freunde.

Jackson erklärte den Plan noch einmal genau und ging dann, um mit anderen Mitgliedern zu telefonieren und die Rache weiter zu planen. Ich hörte aber nur halb hin, schließlich kannte ich den Plan schon. Während Jackson weg war, sollten wir den Saustall hier aufräumen, was mit Sicherheit nicht nur mich begeisterte. Nero hatte ihn mit seinem Blick erdolchen wollen und Ryan schien erstmal in Schockstarre zu verfallen. Immerhin hatten sie sich etwas anderes erhofft, als leere Flaschen, Essen, Müll und diese schrecklichen Zigarettenstummel wegzuräumen.

Das war schließlich die Arbeit von Neulingen. Die, die in der Hierarchie ganz unten standen. Also wie Alec und ich.

Missmutig organisierte ich mir einen gigantischen Müllbeutel und lief damit durch die Halle. Als Putze hätte ich mich auch anderswo bewerben können. Ich war nicht der Einzige, der davon genervt war, aber der Einzige, der es für sich behielt. Nero tat das, was er immer tat, sich über Jackson und seine Aufgaben aufregen, Ryan hörte ihm nicht zu und nickte immer nur und Alec war mit sich selber beschäftigt, verzog aber angewidert das Gesicht. Matt hatte echt Glück, nicht hier zu sein.

Die Zeit zog sich in die Länge und nach zwei Stunden waren wir immer noch am Aufräumen. Das lag vielleicht auch daran, dass ich der Einzige war, der seine Aufgabe richtig machte. Denn, nachdem Jackson wegfahren musste, aufgrund irgendeiner Lieferung, hatten sich natürlich auch Nero und Ryan aus dem Staub gemacht.

Als es Mittag war, beschloss ich Ruby anzurufen. Vielleicht konnten wir uns ja mal treffen.

RIDERS ~ Burn For ThisWhere stories live. Discover now